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Müller, Franz Hubert
Die St. Catharinenkirche zu Oppenheim: Ein Denkmal teutscher Kirchenbaukunst aus dem 13. Jahrhundert. Geometrisch und perspectivisch dargestellt und mit einem erläuterndem Texte versehen. Mit 24 Kupferplatten Imperialfolio ([Hauptbd.]) — Darmstadt, 1836

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https://doi.org/10.11588/diglit.18725#0022

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basiliscum ambulabis, et conculcabis leonera et draconem. Hier erscheint also Christus der
Erlöser mit seinen Jüngern triumphirend über ungebildete Stärke und Bosheit.

Ausser diesem glaube ich auch in den beiden Halbsäulen an diesem Durchgange
eine symbolische Bedeutung gefunden zu haben ;, denn es ist durchaus keine Spur vor-
handen, dass sie je zu irgend einem anderen Zwecke (etwa zum Tragen eines Bogens
oder einer Bildsäule} wären bestimmt gewesen, zur ersten Bestimmung ist hier keine
entfernte Möglichkeit zu denken, und zur zweiten sind die Platten auf den Knäufen von
zu geringem Umfange; auch wären Bildsäulen an dieser Stelle wenig passend. Nimmt
man aber diese Säulen symbolisch, so kann man darin die Säulen Jachin und Booz *3
im Priesterhofe des Salomonischen Tempels wiederfinden; denn dieser Stiftschor war
ebenfalls ausschliesslich der Geistlichkeit gewidmet und hat selbst in seiner Lage mit
der des Salomonischen Tempels völlige Aehnlichkeit, wo man auch durch den, nach
Osten gelegenen, Vorhof des Volkes, in den Priestervorhof und in's Allerheiligste, in
Westen, gelangte.

Nach dieser Auslegung aber müsste ich es freilich wagen, gegen die Meinung des
hochverdienten Verfassers des Werkes: Ueber altdeutsche Baukunst, auch den beiden
Säulen im Dome zu Würzburg eine andere Deutung zu geben. Ich glaube dieses aber
um so eher zu dürfen, als das unermüdete Streben nach Wahrheit, Avelches dieser um
die Baukunst in allen ihren Zweigen so hochverdiente Mann in seinen Schriften beurkundet,
mir die Bürgschaft gewährt, dass er meine hier aufgestellte Meinung nach seiner tiefen
Sachkenntniss berichtigen werde. Vermuthlich ist Herr Stieglitz durch die Zeichnung,
welche er von den Säulen im Dome zu Würzburg, die er vielleicht auf einer Durchreise
nur flüchtig in Augenschein nehmen konnte, sich verschaffte, zu der Meinung veranlasst,
als bezeichneten sie den Eingang zu einem ehemals den freien Maurern zustehenden
Gemache. Diese Säulen scheinen mir aber an ihrem jetzigen Standorte, an der Eingangs-
thüre zum rechten der westlichen Thürme, bloss zufällig aufgestellt; allenfalls bei ^iner
vorgenommenen Veränderung im hohen Chore. Dieses geht auch schon daraus hervor:
dass sie hier gar nicht mit der Mauer des Einganges in Verbindung stehen und die
Knäufe sowohl, als alle andere Glieder auch auf der Seite, die gegen die Wand gekehrt
ist, eben so sorgfältig ausgearbeitet sind, wie an der vorderen Seite. Der zwischen
den Säulen befindliche Eingang aber ist in der Wirklichkeit weit einfacher als er in dem
Werke: über altdeutsche Baukunst, gezeichnet ist. Es sind nämlich davon mehrere
Glieder und Absätze angebracht, die in der Wirklichkeit nicht auf diese Art oder gar

") Nach der Vulgata. Iii), III. Regum Cap. VII. v. 21 : Et statuit dnas columnas in porticu terapli: cumque
statuisset, columnam dexteram, voeavit eam nomine Jachin : similiter erexit coluranara eecundara, et
revoeavit nomen ejus Booz.
 
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