Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Müller, Franz Hubert
Die St. Catharinenkirche zu Oppenheim: Ein Denkmal teutscher Kirchenbaukunst aus dem 13. Jahrhundert. Geometrisch und perspectivisch dargestellt und mit einem erläuterndem Texte versehen. Mit 24 Kupferplatten Imperialfolio ([Hauptbd.]) — Darmstadt, 1836

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18725#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
69

besseren Maler und Bildhauer unserer Zeit die Malereien und plastischen Producte der
würdigen Künstler des Mittelalters in ihrer tiefen Bedeutung zu erkennen und zu wür-
digen gewusst, und sind mit dankbarer Anerkennung, vom glücklichsten Erfolge gekrönt,
ihren Winken gefolgt, während ein Schwärm kurzsichtiger Nachahmer nur die Aeusser-
lichkeiten der herrlichen alten Vorbilder ins Auge fassten, das wahre Studium der Kunst
vernachlässigten, und für ihre harten und geistlosen Productionen weder Dank noch
Lohn ärnteten.

Schon dadurch würde der Baukünstler ein richtig verstandenes Studium der teut-
schen Architectur beurkunden, wenn er, auch ohne alle Anwendung teutscher Bauformen,
blos die Conscquenz dieses Styles in seine Schöpfungen übertragen wollte. Er würde
aber, wohl schwerlich bei diesem negativen Verfahren lange stehen bleiben, sondern,
wenn er einmal zu der Ueberzeugung gelangt wäre, dass Säulen keine wesentlichen
Bestandteile unserer Bauten sein können, und auch dann, wenn er diese anzuwenden
sich besonders veranlasst fände, sie dem teutschen Baustyle zu entlehnen sieh nicht
scheuen, besonders wenn Bogen darauf gestellt werden müssten. Denn hiezu ist die
teutsche Säule ohne Verjüngung und in jedem Verhältnisse brauchbar, *) weit ange-
messener als die verjüngten griechischen, welche nothwendig den Architrav zu tragen
bestimmt sind. Er würde nicht mehr daran denken, Architrav, Fries und Cornische,
mit Balkenköpfen und Zahnschnitten verziert, als Dachsims zu missbrauchen, und über-
haupt den Profilen der Gesimse eine wasserableitende Eigenschaft geben (Jein in unserem
Texte bereits schon zur Sprache gebrachter Gegenstand}; er würde sich aber nicht
damit begnügen, die obe»e Abflachung der vorragenden Gesimse in einem fast unmerk-
lichen Winkel stattfinden zu lassen, und die bisher üblichen Profile blos durch einige
Einschnitte, welche dem Auge fast nicht sichtbar werden, zu dem ausgesprochenen
Zwecke zu eignen: nein, er würde den Hauptzweck derselben auch deutlich durch ihre
Form auszusprechen für nöthig achten. Er würde die Verzierungsweise mit freien,
der vaterländischen Natur nachgebildeten Laubwerken, in ihrer unerschöpflichen Mannig-
faltigkeit, der immerwährenden Wiederholung nichtsbedeutender Schnörkel und seichter

_ einzelner Meister erreicht hat, sind wohl' die unmittelbare Folge davon gewesen. Es galt hier das
Gezierte, Unnatürliche und Leere mit dem Einfachen , Natürlichen und Würdigen zu vertauschen, und
dadurch der Darstellung jene innere Lebendigkeit zu ertheilen, durch welche sie am stärksten auf den
Besehauer wirkt. Oh der Architectur, welche immer wieder auf die einfachen Normen des antiken
Styls zurückkehrt, bei der grossen Verschiedenheit der jetzigen Motive von den Alten ebenfalls eine
Erneuung bevorstehe, ist eine Frage, welche nur die Zeit beantworten kann. Ueber Styl und Motive
in der bildenden Kunst an Herrn Baron v. Rumohr von Dr. Schorn, Kunstblatt Jahrgang J825 Nro. 1.

*) Beispiele davon sind die Säulen, welche den Strebebogen der Abseiten" (man sehe den Querdurchschnitt
auf dem 13. Blatte) untergestellt sind, und jene in schlankeren Verhältnissen am Kölner Dome zu ähnli-
ehen Zwecken angewendete, in dem Werke über den Kolner Dom von S. Boisscre'e.

18
 
Annotationen