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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 4.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.21527#0290

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S74

tigkei't der gläsernen Berfaffung ist es zu danken, daß noch cin Sonnen-
strahl königlicher oder kaiserlicherGunst zu ihnen dringt. Mit einem Wort:
wenn die edlen Stämme der dynastischen Parieien fortblühen oder gar
noch wachsen sollen, müffen ste mehr Lnft yaben. Daß man ihnen dnrch
daS neuc Wahlgesetz mehrere Thüren geöffnet hat, reicht nicht aus. —
Aber auch die Erbauer der Glasrepublik haben mit Schwierigkeiten zu
kämpfen. Die sozialistischcn Spatzen stnd zur Nvth vertrieben, der Ultra-
montanismus regnet cin, und man verspürt oft große Tropfen; der de-
zembristische Hagel hat schon mehr als eine Scheibe zerschlagen, und der
aus allen möglichen ffustonen entstehende Staub beißt in die Augen.

Die Republik, sagte ich, ist ein Glaspalast. — Aber auch der Glas-
palast ist eine Republik! und das eine wahre Rcpublik ohne monar-
chische Spitze. Man weiß nicht, ist der „Ko-hi-nur" Prästdent, oder der
„Schinuck derKönigin vonSpanien"; die berühmte „griechische Sklavi n"
hat gewiß weit mehr Recht auf den Vorsttz, als die mittelmäßige Statue
deS Prinzen Albert. Die wunderbar feinen, zierlichen und noblen Pa-
riser Möbel genießen auch nicht mehr Achtung, als die rohen und unge-
bildeten Bauhölzer von Canada; zwischen den ostindischen Braminenröcken
und den deutschen Meßgewändern frägt man nicht nach dem religiösen,
sondern nach dem Unterschied in der Stickerei. Auch wäre die völlige
Gleichstellung der israelitischen Fabrikate mit den christlichen nicht Schuld
daran, wenn der bayerische Löwe keinen Preis davon trüge.

Und was ist diese gläserne Musterrepublik für ein moralischer Staat!
Die Schwurgerichte haben immer vollauf zu thun; aber nicht um Strafen,
sondern um Preise und Belohnungen auszutheilen! — Man wird da nicht
schuldig, sondcrn „würdig" gesprochen. So lantete jüngst eine Fragestel-
lung: „Hat der auf der Bank dcr Preisbewerber fitzende Joseph Ertel
ausMünchen, Mechanikus, seine „Theilungsmaschine" mit Vorbe-
dacht und Ueberlegung und unter erschwerenden Umständen
ausgeführt?" — Das Berdikt lautete Z a, und der Gerichtshof sprach
ihn sodann „würdig", den ersten Preis zu erhalten.

Der Ballon eines Luftschiffers — ich glaube es war Herr Graham,
ist vor einiger Zeit am Dache des GlaspalasteS angerannt, und hat einige
Scheiben und Fahnen mitgenommcn. Wollte der Luftschiffer Napoleon
dcn Ballon des Kaiserreichs besteigen, so müßte er auch an daS Verfas-
sungsgebäude anstoffen, aber nicht nur einige Fenster und dreifarbige Fah-
nen würden dabei geopfert werden — es müßte entweder daS Gebäude
oder der Ballon zu Grunde gehen.

AlS man den Baumeister Parton fragte, ob er glaube, daß sein
eiserner Bau halten würde? antwortete er: eS ist au ch der Coloß von
RhoduS eingestürzt. Und Parton war nicht unbescheiden, denn was find
alle 7 Weltwunder gegen die Weltausstellung? — Würde man auch Herrn
 
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