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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 4.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.21527#0378

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3«T

Die Unterwelt ist der Sammelplatz aller von der Erde vertilgten
Demokraten und Wühler: Robespierre, Robert Blum, und andere
zum Tod verurtheilte Revolutionäre setzen ungehindert über den
Acheronkanal und treiben sich jenseits herum, immer noch geister-
haften Einfluß auf die Obcrwelt ausübend. Könnte da nicht mit
einem beliebigen Paß so ein Demagog wieder zu uns heraufspedirt
werden? — Jch konnte allerdingS nichts dagegen einwenden, und
versicherte, ich sei nur ein harmloser Trauerspieldichter und berief
mich auf Frau Doktor Birchpfeiffer, die mich kennt, und auf
Herrn Rellstab, der selbst von mir geschrieben hat, ich sei jeder
Tcndenz fremd.

Zch. Nun, hat man Jhnen den Aufschub gewährt?

Sophokles. Man versprach, mir eine AufenthaltSkarte zu geben,
wenn ich meinenHeimathsschein brächte. Nun bitte ich Sie: Ich
bin 495 Jahre vor Christi Geburt in Athen geboren. Jetzt haben
wir 1851 nach ChristuS; sie können fich denken, in Athen hat fich
seitdem manches verändert! Jch glaube kaum, daß die Kirchen-
bücher so in Ordnung sind, daß man meine Geburt nachschlagen
könnte. Seitdem waren die Römer, die Gothen, die Türken und
die Bayern in Athen, seitdem regierte Lhsander, Perikles, Aleran-
der, PompejuS, Guiskard, Bajazet, Jbrahim, Abel, Armannsperg
— Sie können sich denken, wie viel da anderS geworden ist! Jch
wüßte wirklich nicht, wie ich zu meinem Heimathsschein kommen
könnte.

Jch. Da weiß ich keinen andern Rath, als: wenden Sie sich an die
Akademie der Wiffenschafte», die muß Jhnen bezeugen: daß Sie ge-
boren sind, und zwar in Athen, und daß Sie fich von der drama-
tischen Dichtkunst ernähren.

SophokleS. Sie haben recht — aber meinen Sie, es genügt?

J ch. Wenn Jhnen Zhre heidnische Religion kein Hinderniß macht,
dann dächte ich, wäre es Legitimation genug!

SophokleS. O ich danke Jhnen. ApropoS, eS waren schon 3 Lese-
proben! Die Jntendanz gibt fich recht viel Mühe. Denken Sie
sich die Musik, das Costüm, die verlängerte Bühne dazu — eS
wird herrlich. Ein Münchener dramatischer Dichter, höre ich,
schreibt ein Trauerspiel: Christoph der Springer, da werden alle
Sperrfitze überdeckt, und daS Proszenium bis zur Kaffe verlängert,
and das Publikum fitzt im Foyer, wo dann Christoph mit einem
Satz vom Hintergrund bis an die Lampen springt. DaS wird ein
effektvoller Aktschluß! Jch bin überzeugt, die Jntendauz scheut auch
 
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