Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Manchen, 19. Okt. 1914.

Beitage zar „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

XI. Jahrg. Nr.

2,

Inhalt: Plaudereien aus der Schule. Von Prof. Alb. Wirth, Berlin.— Illustrationsverfahren. Von Johann Mai
(Fortsetzung.) — Reinigen von Stahlstichen usw. — Aponin.

Plaudereien aus der Schule.
Von Prof. Alb. Wirth, Berlin.

„Holla, mein lieber Kollege! Bin ich heute Luft
für Sie? Rempeln Sie mich nur nicht um! Sie
denken gewiss an irgendein ruiniertes Bild oder
so was," — tönte es neben mir, als ich auf dem
Wege zur Hochschule mit meinem Freunde X
zusammenstiess.
Bitte um Entschuldigung — lachte ich. —
Es stimmt zufällig, wenn auch das ruinierte Bild,
an das ich denke, eine durchgerissene Rubens-
kopie ist.
„Oh! Das müssen Sie mir auseinandersetzen,
wie so was gemacht wird. Darf ich ein Stück
weit mitgehen?"
Gerne, wenn es Sie nicht langweilt — nur ist
das mit dem Auseinandersetzen so eine Sache.
„Bitte, es ist uns Allen sehr interessant, et-
was zu erfahren. Wir wissen ja, dass ein solch
geheimnisvolles Kunstwerkstattlaboratorium da
ist und möchten auch was davon haben, hören
aber nichts. Wozu ist denn eigentlich diese
Klasse da?"
Für die Kgl. akademische Hochschule der
bildenden Künste, mein Lieber. Wer sie profi-
tieren will, muss sie besuchen und das tun die
Schüler.
„Ja, aber erlauben Sie, wir älteren oder alten
Herren können doch nicht hingehen, und deshalb
möchten wir von Ihnen belehrt sein. Warum
halten Sie denn keine öffentlichen Vorträge
z. B. im Künstlerverein oder sonstwo? — Dar-
über haben wir schon öfters gesprochen."
So, das freut mich, dass Sie meiner Sache so viel
Interesse entgegenbringen, auch habe ich schon
manchen diesbezüglichen Anrempler genossen im
Verein oder sonstwo, aber erstens habe ich dies
getan, sogar bevor ich an der Hochschule lehrte
(noch in der Wilhelmstrasse). Dann aber sind
Vorträge, wenn sie nicht planmässig aufeinander

folgen und mit praktischen Uebungen ad oculos
demonstriert werden von zu geringem Nutzen,
wenn die Hörer nicht schon fachkundig genug
sind; aber auch das habe ich schon seiner Zeit ver-
sucht — und offerierte dem Verein eine Aus-
stellung von technischen Malereien aller Art mit
Probe-Tafeln und Vorträgen — erhielt aber
den Bescheid von der damaligen Kommission, dass
nur Verkaufsbilder zur Ausstellung gelangen
sollen, was ja auch stimmt.
Anders war es, als ich in der Handwerks-
kammer einen solchen Vortrag hielt mit hundert
erläuternden Bildern und Tafeln vor Dekorations-
malermeistern über Farben, Technik, Wand- und
Deckenmalerei, da fand ich viel Beifall und tech-
nisches Verständnis. Was nun die private Aus-
kunftserteilung anbelangt, möchte ich Ihnen ein
kleines Geschichtchen aus dem Verein erzählen,
„Bitte, Bitte" — Also: Ich komme eines
Abend in unsern V. B. K. Ein Kollege stürzt
auf mich los. Das ist nett, dass ich sie treffe.
Ich möchte sie gerne um technischen Rat bitten.
Ich soll nämlich auf Wand in fresco oder in
Kasein-Technik ein Bild malen und habe von dem
Zeugs — keine — Ahnung! Wie macht man das?
So, erwiderte ich, das ist ja sehr schmeichel-
haft für mich, dass sie mir Zutrauen, dies Ihnen
so in zehn Minuten oder sagen wir, in einer
halben Stunde beizubringen ohne jede Praxis,
— eine Sache wozu nur zum Verständnis Wochen,
zur Sicherheit Monate nötig sind und noch
längere Zeit. Selbst wenn ich Ihnen heute Alles
theoretisch haarklein erklären könnte, dass Ihnen
das bekannte Mühlrad im Kopf herumginge, so
können Sie diese Ueberfüllung nicht verdauen
und liefen Gefahr, alles durcheinander zu kohlen,
was selbst manchem meiner Schüler nach Monaten
passiert, wenn er nicht genug praktische Uebung
 
Annotationen