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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 14.1911

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Hekler, Antal: Alexandrinische Aphroditenstatuetten
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https://doi.org/10.11588/diglit.45359#0126

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I 12

A. Hekler

Alexandrinische Aphroditestatuetten.

Die unmittelbare Anregung zu den folgenden Darlegungen bot mir eine aus
Ägypten stammende Bronzestatuette der Aphrodite (Fig. 111 a, b), die sich gegen-
wärtig in der Privatsammlung des Herrn Prof. Beöthy in Budapest befindet1). An
künstlerischem Reiz, an vornehmer Eleganz hat das zugrunde liegende Motiv durch
die übernährten, weichlich-fetten Formen wesentlich gelitten; um so größeres Inter-
esse darf die Figur vom religionsgeschichtlichen Gesichtspunkte aus beanspruchen.
Daß an einer in Ägypten gefundenen Aphroditestatuette, die neben dem Isis-
abzeichen2) die für diese Göttin charakteristische lybische Perücke träg't, auch
das sonderbare Vogeldiadem nicht bloß als eine zufällig gewählte Schmuckform,
sondern als bedeutsames Attribut zu betrachten sei, ist unmittelbar einleuchtend.
Gegen die übliche Bezeichnung als „Taubendiadem“ spricht der raubtierartige
Charakter des Vogelkopfes, besonders der hakenförmige Schnabel, dessen bezeich-
nende Form trotz aller Ä^erwitterung auch an der Beöthyschen Bronze deutlich
zu erkennen ist3). Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die mächtige Göttin der
alten Residenz des oberen Reiches, des heutigen el-Kab in Ägypten: die Nechbet
„als ein Geier schützend über den König fliegend“ gedacht und ihr Wesen in den
ägyptischen bildlichen Darstellungen durch die Geierhaube verdeutlicht wurde4),
so haben wir den Schlüssel zur Erklärung des „Geier“-Diadems an unserer
Bronze gefunden und dürfen die dargestellte Gottheit füglich Isis-Nechbet-Aphrodite
benennen. Diese neue synkretistische Gestalt kann als ein weiteres Beispiel
jener phantastischen Gottheiten dienen, welche aus den eigentümlichen Kult-
bedürfnissen der hellenistisch-alexandrinischen Mischbevölkerung in bunter Vielheit
erwuchsen und als Ausgleichungsprodukte griechischer und ägyptischer Glaubens-
anschauungen zu verstehen sind. Aus dem mystischen Halbdunkel des alexandri-
nischen Pantheons, in dem alle festen Grenzen sich auflösten und die Gestalten
des alten Glaubens ihres festen Gefüges verlustig untereinander und mit art-

*) Für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit
welcher der Besitzer zu einer Veröffentlichung der
Statuette seine Zustimmung gab, sei an dieser Stelle
nochmals gedankt. Vgl. die kurze Besprechung der
Beöthyschen Bronze im Auszuge meines Vortrages
Antike Statuen in Budapest 29 f. (gehalten im Na-
tionalmuseum zu Budapest am 18. Dezember 1909).
2) Zu der Annahme, daß das Loch hinter dem

Diadem (an der Photographie der Rückansicht gut
sichtbar) bestimmt war, das Isisattribut aufzunehmen,
werden die Belege weiter unten gebracht.
3) Noch deutlicher ist dieser charakteristische
Zug an anderen Exemplaren zu beobachten.
4) Vgl. Brugsch, Religion und Mythologie der
alten Ägypter 321 ff.; Ermann, Die ägyptische Reli-
gion 25.
 
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