Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

DOI Artikel:
Schlösser, Richard: Über Brunei-Bronzen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0032

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Über Brunei-Bronzen.
Von Richard Schlösser-Hannover.
Mit 11 Abbildungen auf 2 Tafeln (IV—V) und im Text nach Originalaufnahmen des Verfassers.

KaS«)ie Bronzekunst der Asiaten, die in den
chinesischen Bronzen der frühesten Dy-
JEdO® nastien ihre grandiosesten Triumphe feiert,
hat auch bei uns im Westen nicht nur großes
Interesse, sondern hie und da auch bereits eine
gerechte Würdigung ihrer rein künstlerischen
Qualitäten erfahren. Wir begreifen es, daß Chi-
nesen und Japaner diesen vom mystischen Zauber
dunkler Vorzeit umwobenen Wunderwerken
menschlicher Kunst geradezu mit einer Art von
Heiligenkultus gegenübertreten; sie sehen in diesen
uralten Bronzen Wesen von dämonischer Kraft,
die ihnen um so unheimlicher erscheint, je älter
das Stück ist. Freilich ist nicht zu leugnen, daß
das oft 3—4000 Jahre betragende Alter dieser
seltenen Stücke durch die Entwicklung der herr-
lichen Patina einen großen Anteil hat an der
mächtigen und bezaubernden Wirkung.
Die Wellen nun, die von solchen Höhepunkten
der Kunst ausgehen, lassen — zeitlich und räum-
lich — ihre Kreise weithin wirken und führen
beim Zusammentreffen günstiger Vorbedingungen
nicht selten zu recht beachtenswerten Resultaten.
So ist dies wohl der Fall bei den aus Brunei,
Nord-Borneo, stammenden Bronzen, bei denen
alle Charakteristika einer an der Peripherie eines
gewaltigen Kunstkreises liegenden Gegend in die
Erscheinung treten. Hier treffen ostasiatische
Einflüsse mit indischen zusammen, auch von
Arabien ist mit dem Islam manche Anregung
künstlerischer Kultur gekommen, um sich mit
den Anschauungen der eingeborenen Bevölkerung,
der Dajak, und der in alter Zeit von Java und
andern benachbarten Inseln eingewanderten Ma-
laien zu verschmelzen, was zu um so glück-
licheren Resultaten führen mußte, als diese Ein-
geborenen selbst auf dem Gebiete der Metall-
kunst nicht unbedeutende Fähigkeiten bereits be-
sassen.
Es ist bekannt, daß die Eingeborenen — wohl
eine Erinnerung an den früher in Borneo herr-
schenden Buddhismus — oft blutige Kriege führten
um den Besitz der antiken Bronzegefäße, Tapayan
genannt, von denen einzelne in dem Rufe stehen,

besondere Wunderkräfte zur Heilung von Krank-
heiten und zur Lösung von Bezauberung zu be-
besitzen, und zu denen förmliche Wallfahrten
unternommen werden. Es ist erklärlich, daß
solche Stücke daher nur selten nach Europa ge-
langen, und selbst in unseren bedeutenden Samm-
lungen sind Brunei-Bronzen garnicht oder nur
sehr spärlich vertreten.
Eine bemerkenswerte Ausnahme hiervon macht
das neue Bremer Museum für Völkerkunde, dessen
verdienstvollem Leiter, Herrn Prof. Schauinsland,
es auf seiner Ostasienreise gelungen ist, eine An-
zahl von hervorragenden Brunei-Bronzen zu
erwerben, von denen das Museum jetzt etwa
20 Stücke besitzt.
Der erste Eindruck dieser Bronzen, welche
meist durch eine schwärzlich-grüne, düstere Patina
auffallen, ist seltsam und fremdartig, feierlich und
doch zugleich wild.
Besonders stark ist diese Stimmung bei dem
größten Stück der Bremer Sammlung (Abb. 2)
welches, offenbar ein bedeutendes Kultgefäß von
mächtigen Dimensionen, den ausgesprochenen
Typ der Brunei-Bronzen zeigt. Ein mächtiger Fuß
von einfachem Profil trägt eine flach bowlen-
förmige Schale, welche durch einen pfannen-
förmigen Deckel mit geradem Boden geschlossen
ist. Den Körper des Gefäßes bedeckt reichster
Schmuck: grotesk modellierte Drachen in Relief
erheben den zackigen Schweif und den stach-
lichten Kopf frei aus der Fläche heraus und leiten
über zu den für Brunei-Bronzen besonders cha-
rakteristischen vollplastischen Tierfiguren, wie sie
ähnlich auch auf südchinesischen Bronzepauken
vorkommen. Diese Tierfiguren — seltener auch
Menschen oder Reiter — sind, wenngleich oft
sehr lebendig in Ausdruck und Bewegung, auf-
fallend primitiv ausgeführt und treten damit in
merkwürdigen Gegensatz zu den rein ornamen-
talen Zierformen, welche, stark indisches Gepräge
und dabei einen hohen Grad von Vollendung
zeigend, in Form von Bordüren in der Regel den
Fuß und den Körper dieser Gefäße schmücken.
An der am stärksten ausladenden Stelle des

16
 
Annotationen