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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

DOI article:
Kahle, Paul: Das islamische Schattentheater in Ägypten
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https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0147

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Orientalisches Archiv
III. Jahrgang, vavavavavavavavavavavavavavav Heft 3.

Das islamische Schattentheater in Ägypten.
Von Paul Kahle-Halle.

Mit 3 Abbildungen auf 3 Tafeln (XV1I-XIX).


an kann heute noch gelegentlich abends
in Kairo, Alexandria, Port Said und

andern Städten des Deltas von Ägypten

ein Schattenspieltheater sehen. Vor eine Art Bühne,

die in einem arabischen Caf£, oder auf einem

freien Platze oder auch — bei Hochzeiten — in

einem arabischen Hause, aufgeschlagen wird, ist
vorn ein weißes Tuch straff gespannt, dahinter
steht eine helle Lampe, und mit langen Stäben
— Palmrippen — werden eigentümlich ausge-
schnittene Lederfiguren — bisweilen genügen
auch billigere Figuren, die aus Pappe geschnitten
sind — von hinten her an die Leinwand gepreßt,
so daß die Schatten den Zuschauern sichtbar
werden; die Figuren haben meist bewegliche Glied-
maßen und einen beweglichen Unterkörper, und
es gibt Spieler, die sie sehr geschickt zu bewegen
verstehen. Der Text des Stückes wird dazu von
den Spielern teils gesprochen, teils gesungen1.
Da die Figuren im allgemeinen eine beträchtliche
Größe haben — sie sind etwa 1I.2 m hoch und
höher, der Leuchtturm, den ich in „Der Islam“ II
181 abgebildet habe, ist 1% m hoch — pflegt
die Schattenbühne gegenüber dem, was man etwa
von der Türkei und Syrien her gewöhnt ist, sehr
groß zu sein. Man hat gelegentlich versucht, das
Leder der Figuren durchscheinend zu machen
und bunt zu färben — ein Verfahren, das bei
den sehr viel kleineren in der Türkei gebräuch-
lichen Figuren angewandt wird2 * — jedoch ohne
rechten Erfolg.

1 Vgl. C. Prüfer, Ein ägyptisches Schattenspiel. Er-
langen 1906, S. V ff.
2 Siehe Jacob, Geschichte der Schattentheater, 1908,
S. 104-6.

Von den Schattenspielstücken, die heute vor-
geführt werden, kann man eine Vorstellung ge-
winnen aus den Veröffentlichungen Prüfers1. Ins-
besondere das Stück „cAlam u-Ta'ädir“ ist ein
spezifisch ägyptisches Schattenspiel. Es hat in
seiner vollständigen Gestalt2 Stoff genug, um an
28 Ramadan-Abenden hintereinander in Fort-
setzungen gespielt zu werden.
Das heutige Schattentheater ist für Kairo durch
einen gewissen Hasan Kassäs in den 60er Jahren
des vorigen Jahrhunderts neu begründet worden.
In der Zeit vorher hatte es fern von Kairo ein
ganz verborgenes Dasein geführt. Es scheint,
daß der plötzliche Tod, der einen der berühm-
testen Schattenspieler, den Dä’üd el-Manäwi (wohl
im 17. Jahrhundert), während einer Vorführung
in Abu ’l-cEla (Büläk) ereilte, der Grund dafür
wurde, daß das Schattentheater in Kairo selbst
ausstarb8. In dem Städtchen Menzäle hat es sich
gehalten, hier hat Hasan Kassää es kennen ge-
lernt und studiert, hier hat er auch eine etwa
200 Jahre alte Schattenspielhandschrift erworben,
die eine Hauptgrundlage für seine Wiederbelebung
des Schattentheaters wurde.
Diese Handschrift4 und ähnliche5 * lassen uns
1 Vgl. außer dem oben genannten Werke, in dem das
Stück Li’b ed-der, das Klosterspiel, auch ,,'Alam u-Ta'ädir“
genannt, mit Übersetzung veröffentlicht ist, noch das in
den „Beiträgen zur Kenntnis des Orients“ II 2 (1906) ver-
öffentlichte „Schiffsspiel“.
• Die natürlich sehr viel umfangreicher ist als wie sie
Prüfer bietet. Meine Sammlungen dazu umfassen nicht
weniger als 395 Seiten arabischen Text.
8 Vgl. meine Ausführungen in „Der Islam“ II, S. 185f.
4 Vgl. über sie meine Ausführungen in Neuarab.
Volksdichtung aus Ägypten, I, S. 8 ff.
8 Vgl. „Der Islam“ II, S. 183.

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