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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

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Le Coq, Albert von: Reisewege und Ergebnisse der deutschen Turfan-Expeditionen
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Reisewege und Ergebnisse
der deutschen Turfan-Expeditionen.
Von Dr. Choros Zaturpanskij.
Mit 1 Karte und 7 Abbildungen auf 2 Tafeln (XXIII—XXV).

Bon allen Unternehmungen, die von den
Asiatischen Abteilungen des Kgl. Museums
für Völkerkunde in Berlin ausgegangen
sind, haben die drei unter dem Namen der „Turfan-
Expeditionen“ nach bisher wenig bekannten
Gegenden Zentral-Asiens entsandten Forschungs-
reisen die größten und überraschendsten Erfolge
aufzu weisen.
Ihr Arbeitsfeld war Ost- oder Chinesisch-
Türkistan1, d. h. das im Jahre 1758 von den
Chinesen eroberte und seitdem unter Nieder-
werfung mehrerer zeitweilig erfolgreicher Auf-
stände als „Westprovinz“ Chinas verwaltete Land
der muhammedanischen Osttürken.
Da durch die Berichte einer ganzen Reihe von
russischen und finnischen Reisenden2 bekannt ge-
worden war, daß in der Nähe der modernen Stadt
Turfan sich viele zum Teil sehr ausgedehnte Ruinen-
stätten aus prae-islamischer Zeit befinden, wurde
schon in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts
der Plan einer Reise nach dieser Gegend in dem
Völkerkunde-Museum erwogen, ohne daß man zu
einem Entschluß zu kommen vermochte. Als aber
Dr. Marc Aurel Stein im Jahre 1901 seine
Forschungen im Südwesten Ost-Turkistans, in
der Gegend von Chotän erfolgreich ausgeführt
und auf dem Hamburger Orientalisten-Kongreß
des Jahres 1902 über seine Funde berichtet hatte,
wurde im Museum für Völkerkunde beschlossen,
durch energisches Eingreifen einen Anteil an diesen
wichtigen, bisher gänzlich unbekannten Alter-
tümern für die deutsche Wissenschaft zu sichern.
Nach den Berichten der russischen Gelehrten

1 „Hohe Tartarei“, „Kleine Bucharei“ sind altmodische
Bezeichnungen, „Kaschgarien“ ist ein moderner, wenig
glücklicher Name für das Land.
2 Dr. A. Regel in Petermanns Mitteilungen 1879,
Heft IV, 1881, Heft X, Gotha, J. Perthes. — G. undN.Grurn-
Grzimailo, Beschreibung einer Reise nach West-
China, St. Petersburg 1896—1907, 3 Bände (Russisch). —
D. Klementz, Turfan und seine Alterthümer, Publi-
kationen der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften,
St. Petersburg 1908. — Donner, Resa i Central-Asien,
1898; Helsingfors 1901.

schien gerade die abgelegene Gegend von Turfan
bessere Ergebnisse zu versprechen als die schon
seit Jahrhunderten von eingeborenen Schatzgräbern
verwüstete Oase von Chotän1 und deshalb wurde
beschlossen, nach Turfan zu reisen.
Diesem Umstand verdanken alle drei Expedi-
tionen den Namen, und obwohl die Stadt Turfan
nur vorübergehend besucht, die Hauptarbeit der
beiden ersten Expeditionen aber in der etwa
30 km östlich von Turfan gelegenen Ruinenstadt
Qara-Chödscha, Idiqut-Schähri oder Chotscho
und deren nächster Umgebung, die der dritten
Expedition aber in den Gebieten von Kutscha2
und von Schör-Tschuq geleistet worden ist, muß
diesen Expeditionen der nun einmal eingeführte
Name der Stadt Turfan auch ferner verbleiben.
Die Dauer und das Personal der drei Ex-
peditionen ist wie folgt:
Erste Turfan-Expedition: 11. August 1902
bis Anfang Juli 1903; Teilnehmer: Prof. Dr. A.
Grün wedel, Dr. G. Huth, Techniker Th. Bartus.
Zweite Turfan-Expedition (Erste Kgl.
Preußische Turfan-Expedition3): 12. September
1904 bis 5. Dezember 19064; Teilnehmer: Dr.
A. v. Le Coq, Techniker Th. Bartus.
1 Vergl. N. Elias and E. Denison Ross, TheTarikh-
i-Rashidi, London 1895, S. 255 ff.
2 Kutscha liegt 20 Tagereisen, Kurla und Schör-Tschuq
liegen 10 Tagereisen westlich von Turfan.
8 Die erste Expedition erhielt die nötigen Barmittel
zum Teil von privaten Gönnern des Museums; die zweite
und die dritte Expedition dagegen wurden ganz mit
Staatsgeldern ausgeführt, und deshalb werden die beiden
letzteren auch Kgl. Preußische Expeditionen genannt.
1 Prof. Grünwedel erreichte die Stadt Käschgar im
Dezember 1905 und traf dort Dr. v. Le Coq mit seinem
Begleiter Bartus, die sich beide ihm anschlossen, so daß
während der Zeit vom Dezember 1905 bis zum Juni 1906,
wo Dr. v. Le Coq durch Gesundheitsrücksichten genötigt
wurde, die Heimreise anzutreten, die beiden Expeditionen
zu einer einzigen verschmolzen waren. Dr. v. Le Coq
verließ Prof. Grünwedel in Qara-Schähr und ging allein
nach Käschgar zurück, wo er ärztliche Behandlung fand —
da aber der Heimweg über Rußland durch die dort aus-
gebrochenen Unruhen verschlossen war, mußte er die
schwierigere Rückreise über die Qara-Qoram-Himalayas
wählen. Er erreichte Berlin am 7. Januar 1907.

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