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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

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Grothe, Hugo: Ausgrabungen und Forschungen im vorderen Orient: I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0058

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Ausgrabungen und Forschungen im vorderen Orient. I.
Von Hugo Grothe.
Mit 4 Abbildungen auf 2 Tafeln (IX und X).

A. Kleinasien.
Rhodos, Antiochia Pisidiae, Milet, Pergamon,
Ephesos, Sardes.
Die Besetzung der Insel Rhodos durch Italien lenkt
die Aufmerksamkeit auf die Ausgrabungen, die dort von
dänischer Seite mit den Mitteln des Carlsbergfonds
seit einigen Jahren geführt werden. Dieselben finden
teils an der Ostseite der Insel bei Lindos statt, teils
an der Südspitze derselben, wo antike Stadtanlagen zu
treffen sind. Der Leiter der dänischen Ausgrabungen
auf Rhodos ist Dr. Kinch, der eben in Kopenhagen
im Begriff ist, ein größeres Werk über die Ergeb-
nisse der dortigen Campagne zu schreiben. — Auf den
okkupierten Inseln des Ägäischen Meeres haben
die Italiener unter Leitung von Dr. Gerola eine
archäologische Studienarbeit in Angriff genommen. Der
Sitz der Mission ist Rhodos, von der aus nach den jetzt
der italienischen Oberhoheit unterworfenen zwölf Inseln
Forschungstouren unternommen wurden. Ein kurzer syste-
matischer Katalog der wichtigsten Ruinenstätten der Antike
wie des Mittelalters, die für die kunsthistorische Forschung
von Interesse sind, liegt als erstes Ergebnis bereits vor.
Ein großes illustriertes Werk, das sämtliche Monumente
an der Hand von 400 Photographien erläutert und zugleich
Faksimiles der gefundenen Inschriften wiedergibt, soll dem-
nächst vom italienischen Unterrichtsministerium heraus-
gegeben werden. Besonders wertvolle Feststellungen
wurden auf Rhodos, im Kastell von Lindos und auf der
Insel Chos gemacht. Dr. Torro vom italienischen archäo-
logischen Institut in Athen hat sich nach Rhodos begeben,
um an einigen Stellen Ausgrabungen zu veranstalten. —
Professor Ramsay, der unermüdliche Erforscher der
historischen Geographie und der Archäologie Kleinasiens,
hat im Jahre 1912 Ausgrabungen an der Stelle des pisi-
dischen Antiochia begonnen. Seine dortigen Studien
haben zur Feststellung des Altars des Gottes Men Arkaios
geführt. Dieser und sein Heiligtum, zu dem auch ein
Theater und eine geweihte Quelle gehörten, ebenso seine
Priesterschaft erfreuten sich bei der altkleinasiatischen Be-
völkerung großer Beliebtheit. Er wird in der antiken
Literatur öfters erwähnt, so auch in Strabos Tewypacpixä
(XI, 14, p. 577 iyouaa tepoSouÄcov xal ^wpt'wv Ispwv“). —
Die deutschen Grabungen auf dem Boden des alten
Milet sind seit Mitte 1911 auf das benachbarte Samos
ausgedehnt worden. Die Mittel dazu sind vom preußischen
Staat bewilligt worden. Die Kultur von Samos, die unter
der Herrschaft des Polykrates die höchste Blüte erreichte,
steht im engen Zusammenhänge mit der des stamm-
verwandten Milet. Es handelte sich in Samos darum, das
altberühmte Heiligtum der Hera auf Samos freizulegen.
Das Ausgrabungsrecht erwirkte Dr. Theodor Wiegand von
der Regierung des Fürstentums auf 10 Jahre. Die Aus-

grabungen des Heraion und seiner Nachbarschaft haben
bisher manche interessante Reste des Tempels selbst und
der heiligen Straße zu demselben bloßgelegt. Bisher zeugte
von dem Tempel, der neben dem Didymaion bei Milet
und dem Artemision in Ephesos als das bedeutendste
Heiligtum des kleinasiatischen Kunstkreises in archaischer
Zeit galt, nur eine einzige stehengebliebene Säule, außer-
dem Säulentrümmer und Mauerstücke. Nunmehr ist der
Tempel in seinem ganzen Umfange freigelegt worden. Er
war mit einer doppelten Säulenreihe umgeben, also ein
sogenannter Dipteros, und, da er eine Breite von 100 Fuß
besitzt, ein Hekatonpedos. Die vordere Schmalseite zeigt
acht Säulen, die rückwärtige auffallenderweise neun. Die
Frage, ob das Heraion ein dorischer oder, wie man meint,
der älteste jonische Tempel gewesen ist, konnte bisher
nicht entschieden werden. Es hat sich nämlich bisher noch
kein Kapitell gefunden. Dagegen deuten die Scherben
aller Art, auch aus Mesopotamien, die im Schutt auf-
gefunden wurden, auf die internationale jonische Kultur
hin. 1912 ist der Boden der Cella freigelegt worden. Zu-
gleich ist unweit Milet die Aufdeckung des nahen Apollo-
tempels von Dindyma bewerkstelligt worden, den
Vitruv, der bekannte Architekturschriftsteller aus der Zeit
des Augustus, als einen der schönsten und größten des
Altertums bezeichnete.
Die letzten Ausgrabungen des Deutschen Archäolo-
gischen Instituts in Pergamon galten vor allem dem
heiligen Bezirk der Demeter. Hier wurde, wie Professor
Caro im Jahrbuch des Archäologischen Instituts (in An-
schluß an einen früheren Bericht Professor Dörpfelds)
mitteilt, die Südhalle mit ihrem Keller ganz freigelegt, ebenso
die östliche Hälfte der Nordhalle. Nur in dieser Hälfte
liegt vor der Halle ein Stufenbau für Zuschauer, westlich
stößt an ihn eine Säulenhalle. Das Gebälk zeigt merk-
würdige äolisierende Formen. Die Halle läßt sich rekon-
struieren, da ihre Höhe durch Spuren an den anstoßenden
Stufen gesichert ist. Ihr Zweck ist noch unbestimmt. Vor
den Sitzstufen wurden vier große und viele kleinere Altäre
gefunden. Östlich vom Demeteraltar lagen die Fundamente
zweier großer Altäre, welche die Terrasse beinahe sperrten.
Sie sind mehrfach umgebaut worden und liefern wichtige
Anhaltspunkte für die Geschichte des Bezirks. Der De-
meteralter und die Stützmauer der Terrasse sind nun
ganz aufgedeckt worden; in diesem Herbst soll die Aus-
grabung des Bezirks vollendet werden. Die Thermen des
oberen Gymnasions, eine weiträumige Anlage römischer
Zeit, sind ganz aufgedeckt, und damit ist die Erforschung
des Gymnasions bis auf seinen Hauptaufgang vollendet.
Im Theater hat Dörpfeld weitere Mauerreste von einem
älteren Zuschauerraum und einen kleinen Rest des älteren
Szenengebäudes gefunden. Unter den Einzelfunden sind
aus dem Demeterbezirk zwei Marmorstatuetten von Tänze-
rinnen aus dem zweiten und ersten Jahrhundert zu nennen,

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