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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

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Kahle, Paul: Das islamische Schattentheater in Ägypten
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Lichtenberg, R. Freiherrn v.: Antikes in den Gebräuchen des heutigen Orients
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https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0159

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Hasan Kassas in Menzale studierte, und die er
in Kairo neu belebte. Die Veröffentlichung der
alten Schattenspieltexte und eine sorgfältige
Untersuchung der Reste des Schattentheaters,
wie es sich in Menzale und vielleicht noch an
andern Orten des Deltas erhalten hat, ist für die
Bestimmung der Stoffe, zu denen die Figuren
gehörten, die notwendige Vorbedingung. So

Antikes in den Gebräuchen des heutigen Orients.
dürftig die Reste in Menzale und sonst sein
mögen1, sie sind bedeutsam, weil offenbar eine
Kontinuität besteht zwischen ihnen und dem
alten ägyptischen Schattentheater und weil sich
dieses Schattentheater vielleicht unabhängig er-
halten hat von Hasan Kassas.

1 Vgl. „Der Islam“ II, S. 182 f.

Antikes in den Gebräuchen des heutigen Orients.
Von R. Freiherrn v. Lichtenberg-Berlin.
Mit 17 Abbildungen im Text und auf 3 Tafeln (XX—XXII).

lO?@er europäische Reisende im Oriente, und
n’ch* nur eigentlichen Oriente selbst,
maaro sondern auch auf den Inseln des Mittel-
meeres, z. B. Sizilien und Sardinien, wird auf
Schritt und Tritt bemerken, wie konservativ die
Menschen im Süden sind, so daß man sowohl
in Griechenland als auf den italischen Inseln sehr
oft sich in das Altertum versetzt wähnt, wenn
man sieht, wie Vieles im täglichen Leben sich
heute genau so abspielt, wie vor Jahrtausenden.
Manches bei diesen antiken Erinnerungen ist
mehr äußerlicher Art und mag besonders in
unseren Empfindungen beruhen, wie z. B. das
folgende Erlebnis, das ich auf dem Wege von
der Dardanellen-Station, Tschanakalessi, nach His-
sarlik-Troja im Mai 1893 hatte. Als wir uns dem
Orte Ren Köi näherten, kamen aus den umliegen-
den Dörfern zahlreiche griechische Familien in
Festtracht, um sich zum griechischen National-
feste, zum St. Georgs-Tag, nach Ren Köi zu be-
geben, und boten dabei einen prächtigen und
anziehenden Anblick. Die Frauen trugen ihre
kleidsame Feiertags-Tracht aus pelzverbrämtem
roten oder blauen Sammet und ritten zu Pferde,
der Mann ging zu Fuße nebenher und führte das
Pferd am Zügel. Manche der Frauen hatten
noch ein kleines Kind bei sich, das sie mit dem
linken Arme an die Brust gedrückt hielten. Solche
Gruppen erinnerten lebhaft an die Flucht nach
Ägypten. Diese Flucht wird zwar bei Matthäus
2, 13, 14 nicht näher beschrieben, doch hat sich

dafür in der christlichen Malerei seit altersher
ein bestimmter Typus der Komposition entwickelt,
der genau mit diesen Familiengruppen überein-
stimmt, wie ich sie auf dem Marsche nach Ren
Köi beobachten konnte, und wie man sie auch
sonst in Griechenland bei zur Feldarbeit wandern-
den oder von ihr zurück kehrenden Bauern-
familien sehen kann. Dies zeigt, wie alt diese
Art des über Land Wanderns im Oriente ist,
wobei der Mann als Lenker des Reittieres der
Frau zu Fuße mitschreitet. Doch auch die Art,
wie die Frau das Kind an der Brust hält, erinnert
an uralt-arische Darstellungen der mütterlichen
Göttin, Darstellungen, die von vorgeschichtlichen
Zeiten an in Gebrauch waren und sich mit den
Ariern bis Indien verbreiteten, im christlichen
Europa als Madonnen-Bilder auftreten, und deren
Komposition auch den alten Ägyptern als Isis
mit dem Horus-Kinde bekannt war.
Hier entspringen diese Übereinstimmungen
wohl aus der Gleichheit der Lebensführung, die
vom Altertume bis heute in diesen Dingen sich im
Oriente nicht geändert hat, da die Umstände und
Gelegenheiten sich dort auch gleich blieben,
ebenso wie manch Anderes, das durch die Er-
zeugnisse des Landes bedingt ist, auch keinen
Veränderungen unterlag. So erfahren wir bei
alten griechischen Schriftstellern, daß sich der
tagsüber im Freien beschäftigte Arbeiter, z. B. der
Landmann, als Mahlzeit mit einem mitgenommenen
Stück Brot und gesalzenen Fischen begnügte,

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