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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

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Wirth, Albrecht: Ursprung der Albaner
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https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0020

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ustav Meyer hat zuerst von den Linguisten
auf nicht-arische Elemente im Skip auf-
merksam gemacht. Träger, der sich in-
zwischen einem ganz anderen Feld, nämlich
dem südamerikanischen, zugewendet hat, unter-
suchte die verschiedenen Bootsformen der Albaner»
und fand da seltsame Nachen, die man sonst in
der indogermanischen Welt nicht findet Danach hat
aber niemand so recht diese Spuren verfolgt, und
noch weniger die Anregungen des verdienstvollen
alten Konsuls Hahn aufgenommen, der da von
Pelasgern sprach, denn was sind Pelasger? Dabei
hatte der Außenseiter Hahn, der gar kein Sprach-
forscher von Fach war, ganz den richtigen In-
stinkt. Er witterte bereits den Zusammenhang
mit den Hetitern.
Sehen wir zunächst, was der anthropologische
Befund über die Rasse des rätselhaften Volkes
zu sagen hat! Brachykephalie ist stark verbreitet
Die Hautfarbe ist hell, nur tief im Gebirge und
in den Bojana-Niederungen dunkler. Die Haar-
farbe ist sehr verschieden; sie wechselt von rötlich-
braun bis zu schwarz. Die Nase ist recht gerade
und häufig auffallend schmal, mitunter so scharf,
möchte man fast sagen, wie ein Messer. Die
Augen sind gerade; nur ganz selten, in der Lurja
und bei den Schala habe ich Schiefaugen wie
bei den Japanern gefunden. Die schiefen Augen,
verbunden mit anderen mongolischen Zügen, vor-
stehenden Backenknochen usw. eigneten vorzugs-
weise Weibern. Ich kann nicht genug betonen,
wie sehr abweichend die einzelnen Typen sind.
Auf meinen vier Reisen in Albanien habe ich
immer wieder ganz neue Typen zu verzeichnen
gehabt: ägyptische, armenische, drawida-ähnliche,
spanische, baschkirische, ostasiatische, malaiische,
italienische, tyrolische, kerndeutsche und sogar
angelsächsische und schwedische. Nur eins kann
mit einiger Bestimmtheit in diesem Chaos fest-
gestellt werden: je näher der Küste (mit Aus-
nahme der Sumpfniederungen), desto heller Haut
und Haar und desto größer der Wuchs; je weiter ins
Gebirge, desto dunkler und kleiner. Aber auch in
der Lurja habe ich zwar keinen besonders hochge-
bauten Mann, wohl aber blondhaarige und blau-

äugige, feststellen können. Eine Eigenheit, die
allerdings nur noch zur Not ins anthropologische
Gebiet gehört, ist fast ohne Ausnahme: alle Ge-
birgler sind auffallend mager,wenigstens die Männer.
Als Maximum der Größe möchte ich schätzungs-
weise 1.90 m, als Minimum 1.56 m angeben.
Die Albaner zerfallen in zwei Hauptstämme:
die harten, kriegerischen, konservativen Geghen
und die weicheren, neuerungslustigen, gebildeteren
Tosken. In geschichtlicher Zeit haben sich die
Geghen, namentlich am Drin bei Prisrend, mit
Serben gemischt, sowie in Skutari und Umgegend
mit Italienern. In den Adern der Tosken fließt
viel griechisches Blut. Übergangstypen gibt es
jedoch nur bei den Tosken, während zwischen
heutigen Geghen und Nachbarvölkern strengere
Trennung herrscht Reste von normännischem,
avarischem, vandalischem und gotischem Blute
möchte ich nicht annehmen, dazu war die Herr-
schaft der Fremdvölker zu kurz.
Zu dem anthropologischen Befunde kommt
der ergologische. Die Häuser zeigen drei Abarten:
die festigungsartige Kula; die Wohnhäuser mit ge-
trennten Räumen; das einzimmrige Haus, bald aus
Steinen, bald aus Holz oder Stroh errichtet. Die
abgetrennt erbauten Vorratskammern, die entfernt
an solche Formosas und der Aino erinnern, er-
heben sich 1,20 bis 1,40 m auf Pfählen über den
Boden, wohl gegen Nager und Ameisen, und sind
ungefähr 1 m lang, aber nur 0,5 bis 0,7 m breit.
Eigenartig sind auch die konischen, bis 3 m hohen
Vorratskammern für Mais, in die von oben die
Frucht hineingeschüttet wird. Die sonderbare
Ölbereitung habe ich im „März“ Juni 1910 be-
schrieben. Die Mühlräder der Albaner gehen
wagrecht wie in Süddalmatien (ich sah ein solches
Rad bei Spizza), Bosnien, Anatolien, Westchina
und in einigen Teilen Irlands.
Die Kleidung der Frauen erinnert mich an den
Glockenrock Kretas im 2. vorchristlichen Jahr-
tausend1 und am mittleren Drin einigermaßen an
das Obi der Japanerinnen. Die Tracht der Männer,
1 Ebenso, mit überzeugenden Abbildungen Baron Nopcsa,
zur Ethnologie Nordalbaniens, Wien 1912, was ich erst bei
der Korrektur erhielt.

Ursprung der Albaner.
Von Albrecht Wirth, München.


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