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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 3.1912/​1913

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Le Coq, Albert von: Reisewege und Ergebnisse der deutschen Turfan-Expeditionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69722#0189

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Reisewege und Ergebnisse der deutschen Turfan-Expeditionen.

asiaten dargestellt; ob diese Leute Türken oder
Chinesen sind, scheint unsicher. Sie kommen
nur als Diener oder dergl. vor.
Am auffallendsten sind die Porträtköpfe blau-
äugiger Männer mit vollem roten Bart und rotem
Haupthaar, von denen die in ihre Landestracht
gekleideten ziemlich wild blicken, während ihre
als buddhistische Mönche gekleideten Stammes-
genossen das wildkriegerische Aussehen in ge-
milderter Form zeigen oder es ganz abgelegt haben:
Diese merkwürdigen und an der Grenze Chinas
ganz unerwarteten Rassetypen bringt man in Be-
ziehung zu der tocharischen Sprache, die, wie
Sieg und Siegling gezeigt haben, zur europäischen
Gruppe der indo-germanischen Sprachen gehört
und im Wortschatz in der Mitte zwischen den
germanischen und den graeco-italischen Sprachen
steht.
Diese Europäer können nur in Türkistan
zurückgebliebene Nachkommen der alten Yüe-tschi-
Nomaden sein, die nach den chinesischen Histo-
rikern um 200 v. Chr. ihre Sitze in West-
China hatten. Sie wurden von den türkischen
Nomaden 176 v. Chr. geschlagen und nach
Westen zurückgedrängt1 Um 126 v. Chr. er-
reichten sie Baktrien, wo sie der hellenisch-
baktrischen Herrschaft ein Ende bereiteten und
nach Verschmelzung mit den von ihnen aus den
Gebieten südlich von Thien-schan vertriebenen
Saken (iranischen Nomaden) unter dem Namen
der Indo-Skythen ein neues und mächtiges Reich
errichteten.
Infolge dieser Eroberung begann der Buddhis-
mus eine immer kräftigere Missionstätigkeit in
den nach Osten gelegenen Ländern auszuüben,
und bald kam die Zeit, da durch die Einführung
1 Der Weg, auf dem diese europäischen Stämme nach
China gelangt sind, ist unbekannt. Ob die Kurgane Süd-
sibiriens mit ihren auf die SkythenSüdrußlands hinweisenden
Bronzealtertümern etwa den Weg dieser Wanderung be-
zeichnen, ist eine Frage, die schon von Le Coq auf-
geworfen worden ist (cf Chotscho, S. 4, Anm.).

des Buddhismus mit seiner auf griechischen Vor-
bildern beruhenden religiösen Kunst in China,
dieses Land die Grundlagen der religiösen „ost-
asiatischen“ Kunst erhielt.
Aber die Tocharer sind nicht die einzigen
Westländer, die frühzeitig in chinesisches Land
eingedrungen sind. Außer diesen Nomaden, die
„dem Gras und dem Wasser folgten,“ saßen im
Norden des Landes Iranier, nämlich Soghdier, in
festen Städten, von Käschgar bis tief in die Mongolei
hinein. Im Süden dagegen waren, augenscheinlich
schon in vorchristlicher Zeit, manche der Oasen
am Südrande der großen Wüste des Tarimbeckens,
von indischen Völkerschaften (sowie von ira-
nischen Saken?) besiedelt worden.
Obwohl die Arbeiten an dem ungeheueren
Material der Turfanexpeditionen kaum begonnen
haben, sind die schon erzielten Vermehrungen
unserer Kenntnisse von verblüffender Tragweite;
ein einziger Blick in eines der vorhandenen Bücher
über Völkerkunde genügt, um uns zu zeigen, daß
die Völkerkunde Zentral-Asiens noch nicht ge-
schrieben ist!
Von dem mächtigen Einfluß, den Persien1
und Indien (oder vielleicht richtiger die Spät-
antike in persischer und in indischer Umdeutung)
auf die religiöse Kunst Ostasiens gehabt haben,
legen die Bildwerke, Skulpturen, Textilien und
Stickereien ein beredtes Zeugnis ab, das durch
die heftige, aber durch keine wissenschaftliche
Arbeit gestützte Abwehr einiger junger Kunst-
und Kunstgewerbe-Beflissener nicht erschüttert
werden kann. Wenn einmal die unvergleichlichen
Bildwerke der dritten Expedition aufgestellt sein
werden, werden auch die heute noch Blinden
die Entwicklung an den ausgestellten Serien er-
kennen können.
1 Den merkwürdigen Anteil, den die bisher viel zu
stark unterschätzte Kultur Persiens auch nach Westen hin
gehabt zu haben scheint, lassen uns die allerdings noch
nicht überzeugend bewiesenen Vermutungen des Herrn
Leo Frobenius ahnen.

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