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Petersen, Eugen; Niemann, George [Hrsg.]
Ara Pacis Augustae: [Textband] — Wien, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.9308#0062

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5o

höheren, linken Knie sitzt ein Kindchen, um welches sie mütterlich die linke
Hand legt. Ein zweites, von dem nur rechte Hand und Fuß erhalten sind, saß
oder kniete neben ihrer rechten Seite, von der Rechten der Göttin umfasst.
Die Kinder sind beide nackt; das Weib ist unbeschuht, trägt ein dünnes Kleid,
das auf Schultern und Oberarmen geknöpft ist. Dessen weite Halsöffnung ist
über die rechte Schulter herabgeglitten, während es um die linke straff gezogen
ist. Die großen Formen von Brust und Leib scheinen nur von einigen Falten-
zügen, besonders um den Busen, bedeckt und erinnern an Werke wie die Bar-
berinische Hera oder an die sogenannte Genetrix. Ein weites Manteltuch ist
über Schoß und Beine gelegt und, am Umriss der rechten Seite sich hinaufziehend,
an der linken zwischen Kopf und Schulter sichtbar, deckt es, ohne den Blüten-
kranz im welligen Haar zu verhüllen, Kopf und Rücken und hängt zuletzt, über
das linke Bein geworfen, zwischen den Knien herab.

Im Schoß der Muttergöttin liegen Früchte: Trauben, Äpfel, Nüsse, und auf
überragender Erhebung neben ihrem Sitz heben Ähren und Mohn zwischen Blumen
die Köpfe. Vorn bei ihren Füßen liegt in behaglicher Ruhe ein Rind und
weidet ein Schaf. Es ist die Erdgöttin, Ge meter auf griechisch genannt, lateinisch
Tellus oder Terra mater, d. i. Mutter Erde, Mutter alles Gewächses, Mutter oder
Nährerin aller lebendigen Geschöpfe, der Thiere und Menschen. Diese sind als
Kinder dargestellt, um in ihr den Begriff der Mutter hervortreten zu lassen. Die
Erdgöttin zeigt sich häufig von Knaben umspielt. Knaben sind auch hier beide,
weil nackt, wie Benndorf richtig bemerkt.1) Für das zerstörte linke Kind wird
das bestätigt durch eine in den Mittelfiguren, soviel zu sehen, durchaus überein-
stimmende Wiederholung der Darstellung in einem Relief, das in Karthago ge-
funden ist. Auf diesem ist das linke Kind, welches sitzt, nicht kniet, wie auf dem
Florentiner Relief unrichtig ergänzt ist, in der That ein Knabe.

Zu beiden Seiten der Mutter Erde sieht man zwei bedeutend kleinere, jung-
fräuliche Gestalten, die einander genau in Haltung und Bewegung entsprechen.
Beide werden von der Mittelfigur hinweg nach außen getragen, aber beide sitzen
auf ihren Trägern der Tellus zugekehrt und blicken auf sie hin. Beide haben ent-
blößten Oberkörper, die Beine mit einem Mantel umhüllt. Dessen Faltenmasse
hält jede mit einer Hand neben der Hüfte, mit der andern in Schulterhöhe fest
gefasst. Denn hinter ihrem Rücken wird das Gewand vom Luftzug gebläht und

l) Die Kinder bei der ganz ähnlich gestalteten
Erdgöttin am Panzer des Augustus von Primaporta
hat v. Domaszewski in der Strcna Hdbigiana S. 53, 6

mit v. Duhn für Romulus und Remus erklärt, ein
Einfall, der in schriftlicher wie bildlicher Tradition
keinen Anhalt findet.
 
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