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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#0557
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Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der

ag.
; Expedition Zwingerſtraße 7

für Stadt

e



Anzeige⸗Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Tauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc. 5
Druck u. Verlag Gebr. Huber, Heidelb., Zwingerſtr.




Heidelberg, Frtilaz, den 21. Juni 1695.

* Ber öſterreichiſche Miniſterkrach.
„Nachdem Ungarn erſt ſeit einigen Wochen ſeine
riſis“ überſtanden und jetzt wieder ruhige Bahnen

1 dandelt, ſetzt ſich dieſe moderne Staatskrankheit in
ir alten Kaiſerſtadt Wien fort. Die Lage des Mi-
iſteriums Windiſchgrätz war ſchon ſeit langem eine

dil, daß das Miniſterium jeweils in einer haltharen
Feten Stellung ſich befunden hat. Denn das Mini-
ferium Windiſchgrätz entſtammt der ſog. Coalition
. zu deutſch: Vereinigung) mehrerer ganz verſchieden
hefärbter Parteien, die ſonſt im Allgemeinen Freund-
ſcaft zu halten pflegten, wie Katze und Hund. Daß
un ſolches Fundament, die Freundschaft mit einer ſo
hemiſchten Geſellſchaft, einem Miniſterium einen ſiche-
80 Halt nicht bieten kann, liegt auf der Hand.
8 g iſt denn geſtern auch der lang befürchteie große
. W. in Wien eingetreten. Minſſterpräſident Fürſt
5 Mundiſchgrätz überreichte für ſich und ſämmtliche
miſter dem Kaiſer ſein Entlaſſungsgeſuch.
nunnit hat ſich die Coalition feindlicher Parteien, die
1 unter dem Hochdrucke des Taaffe ſchen Wahlre-
a [)Drmbianeä zu Stande gekommen iſt, ausgelebt. Sie
zue auch vorher ihre Kraft, ihre Wirkſamkeit ver-
— O bei der Erledigung einer grundſätzlich ſo wichti-
das Frage, wie es die Steuerreform und das durch
3 asſelbe berührte Reichsrathswahlrecht iſt.
, „Der nächſte äußere Anlaß der Kriſis iſt eine For-
goung von ſage und ſchreibe 1500 Gulden lerſte
. daten für Errichtung ſloweniſcher Parallelklaſſen am
dh chen Gymnaſium in Cilli). Allein das iſt nur
die and lange nicht die wichtigſte der Urſachen, die
ferd Kriſis hervorgerufen haben. Die katholiſch⸗kon-
at ſloweniſchen Abgeordneten des

dohe iden wie die ) } )
Her wartelubs verhehlen ſich nicht, daß fie durch ihr
ner leiben in der höchſt unpopulären Coalition im-
ſicht ehr an Boden verlieren müſſen. Die Linke
7 vollends nach dem gegen ihre eigene Partei
id eſallenen Ergebniß der Wiener Gemeinderaths-
ih fteichsrathsergänzungs wahlen, daß eine große
ahl ihrer Maudate gefährdet iſt. Darum hatte
1 von der Regierung ein entſchiedenes Einſchreiten
nin die Hriftiich ſoeiale und deutſchnational⸗antiſe-
n che Partei durch Beeipfluſſung der Beamten bei
let, Wahlen und polizeiliche Maßregeln begehrt.
ben dagegen legen die volksthümlichen Elemente
d konſervativen Clubs den nachdrücklichſten Ein-
de ein. Sie fühlen ſehr wohl, daß die gegen-

) Nachdruck verboten)
; Ber Gefangene.
Mexitaniſche Räubergeſchichte von Fr. Gerfäcke L

em Und weshalb da Dein Grimm?“ lachte Guzman, in-

in er ſich etwas Wein in ein Glas goß und es lang-
en Geeſchlürfte. „ſorgſt Du Dich um Juan Guitierres,
; lücklichen 3

uit Der Laffe!“ ſagte Leonardo bitter; „was kümmert er
ulehe ich gönne ihm von Herzen ſeine Braut, denn ich
Ön dean der Heirgth noch meine Freude; aber haſt Du
ſenzehn neuen Silber⸗Mine gehört, die Arvilla vor etwa
Si Tagen geöffnet hat?“
„Fe ſoll enorm reich ſein.
ist rein fabelhaft!“ rief Leonardo erregt aus, „und
heiſelbuchen der Tauſend und eine Nacht erſcheinen wie
cgeneriee dagegen. — Ganze Ladungen vollſtändig ge-
der wür Silbers haben ſie ſchon herausgebracht, und die



lasted 8
an en N ſie Geld

uates mein Glück zu versuchen.“ ;
n Glück v“ Nag Lenne und ſah ihn raſch und

„Ver u — in welcher Art?“ 55
ver weiß?“ ſagte Guzman, indem er lachend mit den



einem Zuſammenbruch des gegenwärtigen Syſtems
eine engere Verbindung zwiſchen den Katholiſch⸗Con-
ſervativen und Chriſtlich⸗Sozialen zu gemeinſamer
Abwehr gegen Liberale und Sozialdemokraten erfolgen
muß. In der jüngſten Zeit hat ſich bereits eine weit-
gehende Annäherung zwiſchen einigen Mitgliedern
des Hohenwattelubs und den Chriſtlich Sozialen voll-
ogen. ;
“ Eben ſo ſcharf iſt der Gegenſatz zwiſchen den Li-
beralen und Conſervativen in der Frage der Wahl-
Reform. (Wir bemerken hier ausdrücklich, daß
ſämmtliche vorgenannten Parteien der Coalition an-
gehören, wodurch ein ſehr farbenbuntes Bild hervor-
gebracht wurde.) Die Liberalen ſtreben vor allem
eine Einengung des beſtehenden Wahlrechts in der
Kurie der Städte⸗ und Landgemeindenbezirke zum
Schaden der Chriſtlich⸗Sozialen und eine Begünſtig-
ung der Sozialdemokraten in der neu zu ſchaffenden
Wählercurie an. Die Conſervativen treten dem im
eigenen und im Intereſſe der Chriſtlich⸗Sozlen und
Deutſchnaticnalen entgegen. :
tariſchen Commiſſion der drei coalirten Parteien und
der Regierung konnte über die zunächſt einzuleitenden
Schritte eine Einigung bisher nicht erzielt werden.

Es ſteht von vornherein feſt, daß die Angelegen-
heit Cilli allein nicht die Koalition geſprengt und das
Miniſterſum Windiſchgrätz zum Rücktritt veranlaßt
hat. Ein Wiener Blatt hat ſich geſtern erboten die
Summe von 1500 fl., die der Poſten für Cilli be-
trägt, alljährlich aus dem Eigenen zu bezahlen, wenn
dadurch der Beſtand der Koalition geſichert bleibe.
Das humoriſtiſche Anerbieten beleuchtet den Kern der
Kriſis beſſer, als die längſten Abhandlungen. Die
verlangte Summe wäre leicht aufzubringen, aber mit
der Koalition ſtünde es darum doch nicht beſſer. Die
deutſche Linke hat oft genug zu verſtehen gegeben,
daß ſie mit ſich reden laſſe. Muß es denn gerade
Cilli ſein, wo die nationalen Gegenſätze am
ſchroffſten auf einander ſtoßen? Kann man die ſlo-
veniſchen Parallelklaſſen nicht auch an einem andern
Orte einrichten? War dies zugeſtanden, ſo brauchte
man ſich auch nicht auf bloße Parallelklaſſen zu be-
ſchränken; man konnte gleich ein ganzes floveniſches
Gymnaſium errichten, ja es ließ ſich ſogar über die
Erfüllung eines andern floveniſchen Wunſches, nämlich
15 eigenen Rechtsfakultät der Slovenen, ein Wort
reden.

Den Zweck, eine Bahn für Verhandlungen
zu eröffnen, hatte zunächſt die Drohung der Linken

Schultern zuckte. „Wer weiß, was da auftaucht, und ich
werde nicht blöde ſein zuzugreifen.“ i
„Man erzählte neulich, daß Du Dich um eine von
Almeja s Töchtern beworben hätteſt; iſt das begründet?“
„Alſo erzählt man ſich das ſchon in der Stadt?“ rief

Neuigkeiten bekommen. Sie müſſen in der Luft fliegen,
ſonſt begreife ich's nicht.“ \ ;

„Almeja iſt von je ein treuer Anhänger der Kirche ge-
weſen — und ſehr reich.“ ; '

„Wie kommſt Du dar auf?“ }

„Ich — dachte eben an den alten Almeja,“ ſagte Leo-
nardo ausweichend, „aber wie war das Reſultat? Die
jungen Sennoritas ſind ſehr vornehm“

„Sie ſind weniger vornehm als praktiſch,“ ſagte Guz-
mann bitter; „Donna Lucia frug mich einfach, wo mein
Haus ſtände und wovon ich ſie zu ernähren gedenke?“

} Leonardo lachte gerade hinaus: „Alſo ſie war nicht
blind vor Liebe?“

reset kes,

Stadt nicht zu verlaſſen.“ ; E ;
„Caramba! und wie,“ rief Guzman überraſcht
„Ich habe Dich hierher geführt, um mit Dir darüber
zu ſprechen,“ ſagte Leonardo leiſe; „als Du mich vorhin



M

;

90 S n
30. Jahrs.
ihre Angehörigen erklärten dort, die Partei würde,
wenn ſie in der Cillier Frage überſtimmt würde, die
Folgerungen daraus zu ziehen wiſſen. Den gleichen
Zweck verfolgte die Sitzung der Vereinigten Linken
vom 13. Juni, in welcher erklärt wurde, die Linke
könne nicht in der Koalition verbleiben, wenn die
übrigen koalirten Parteien auf ihrem Standpunkt in
Bezug auf die Cillier Frage beharren würden. Das
waren Drohungen, aber auch ebenſo viel Einladungen
zu Kompromiß⸗Verhandlungen. Doch die Koalitions-
genoſſen waren auf beiden Ohren taub; ſelbſt der ge-
wandteſte politiſche Unterhändler, der polniſche Statt-
halter Graf Badeni, der aus Lemberg nach Wien
eilte, um die entſtandenen Schwierigkeiten zu beſeitigen,
gewann bald die Ueberzeugung, daß nichts mehr zu
machen ſei. Die ſieben Slovenen beſtanden einfach


treten, nachdem man ihnen das Verſprechen ge-
geben hatte, daß ſie in Cilli ſloveniſche Parallelklaſſen
bekämen; davon gingen ſie um keinen Preis mehr
ab. Von den ſieben Slovenen aber iſt Graf Hoöhen-


und vom Grafen Hohenwart war wieder Fürſt Win-
diſchgrätz abhängig, der zwar der Premierminiſter der
Koalition, aber nicht ihr Haupt war. Fürſt Win-
diſchgräz hatte ſogar dem Grafen Hohenwart ſein

Wort dafür verpfändet, daß er in der Cillier Frage
feſt ſein und ſich nichts werde abhandeln laſſen. So
kam es, daß die ſieben Slovenen über 112 Deutſch-
Liberale Meiſter wurden und daneben auch noch das
Haus, das beide Parteien zuſammen bewohnten, in
Trümmer legten. S

% Pie feierliche Eröffnung des Mord
Vllſee⸗Kanals.

Die großartigen Vorbereitungen, ſowie das Pro-
gramm zur Eröffnung des Nord,⸗Oſtſee⸗Kanals wur-
den vom Kaiſer ſelbſt entworfen. Darnach werden
am Mittwoch, 19. Juni, Nachm. 4 Uhr Ihre Maj.
der Kaiſer und die Kaiſerin in Hamburg eintreffen,
um dem von der Stadt Hamburg gegebenen Feſtmahl
im Rathauſe und den darauffolgenden Illuminationen
und Feuerwerken auf dem Alſterbaſſin beizuwohnen.
Die Abfahrt Ihrer Majeſtäten nach Brunshauſen
auf dem Aviſo „Kaiſeradler“ erfolgt um halb 11
Uhr, während die andern Feſttheilnehmer per Bahn
nach Brunshauſen fahren. Eine halbe Stunde ſpäter
nach der Abfahrt Ihrer Majeſtäten werden die vor


in finſterem Brüten fandeſt, ging mir der Plan eben im
wan und ich bin auch jetzt noch nicht ganz klar
amit.

„Und was meinſt Du?“

„Glaubſt Du?“ ſagte Leonardo, und bog ſich zu dem
reund über, daß ſeine Lippen faſt deſſen Ohr berührten,
„alaubſt Du, daß Auguſtin Guitierrez wie Arvilla zwei-
bi Peſos zahlen würden, um ihren Sohn zu
retten

„Vierhunderttauſend!“ rief Guzmann, wenn auch mit
vorſichtig gedämpfter Stimme: „ſie haben Millionen im
Vermögen. Aber was ſoll die Frage? Der Sohn iſt gar
nicht in Gefahr, und was hülfe das überhaupt uns?“

„Unter Retten verſtand ich Auslöſen,“ ſagte Leonardo
Beruf und ſein Blick haftete dabei forſchend auf dem

reund.

„ „Ca—ra—3j0 1“ ziſchte dieſer überraſcht zwiſchen den
b „aber wie iſt das möglich? Hier in der

a

Leonardo wollte antworten, aber der Tanz war ge-
rade beendet, andere Herren kamen ebenfalls herbei und,
nun des Freundes Arm ergreifend, flüſterte er ihm zu, in-
dem er mit ihm den Korridor entlang ſchritt: „Suche mich
morgen früh in meiner Wohnung auf, ich habe bereits
1110 Plan, aber er muß reiflich überlegt und beſprochen
werden.“

Ich komme,, nickte Guzman, und ein weiteres Ge-
ſpräch wurde auch Bol unmöglich, denn von allen Seiten
drängte das junge Volk heran, um ſich nach dem Tanz in
der balſamiſchen Abendluft des offenen und mit Blumen
bedeckten Korridors ein wenig abzukühlen.

2. Kapitel.
Juarez. ;

Das große Haus Arvila's erſchien heute im wahren
Sinne des Wortes gefüllt von Gäſten, und zwar aus der
höchſten Ariſtokratie des Landes. Ja ſelbſt das Oberhaupt
des Reiches, der zähe und gewaltthätige Indianer Juarez,
der mächtige Präſident von Mexiko, war mit ſeiner Ge-
mahlin erſchienen, denn eben Arvila galt als einer ſeiner
 
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