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Pfälzer Bote für Stadt und Land (30) — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.44154#1160
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rſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage.
reis vierteljährlich nur Mk. 1.20 bei der Poſt abge-
bolt, von der Poſt täglich ins Haus gebracht Mk. 1.60.
ſtedaktion und Verlag von Jof. Eremerius, Heidelberg.

für Stalt =

.....



Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-

gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Bu en,


5 Swinger ſtraße 7
Nr. 20

Heidelberg Montag, den f.. Denber 1005.

Vom deutſchen Reichstage. .
; S ; Berlin, 13. Dez.
„Das Haus iſt ſchwach beſucht. Auf der Tagesordnung
leht die erſte Leſung des Geſetzentwurfs gegen
den unlauteren Wettbewerb. 5
. Staatsſeeretär des Innern v. Bbtticher leitet die
iskuſſion ein. Die Vorlage ſei weſentlich von den An-
egungen aus dieſem Hauſe getragen. Mit Dank ſei an-
uerkennen, daß zahlreiche Corporationen ſich an der Kritik
es erſten Entwurfes betheiligten. An der Hand dieſer
Wos deins äußerungen ſei der erſte Entwurf verbeſſert
orden. .
Abg. Baſſermann (nat lib.) hofft, daß ein brauch-
ares Geſetz zu Stande kommen werde, welches zur Heil-
1g des Kaufmannsſtandes diene und ſeine ehrli den Mit-
glieder im Kampfe gegen unſolide Concurrenten ſchütze.
Redner theilt die Beſtimmungen über das von den Ange-
ſtellten zu wahrende Geſchäfts und Betriebsgeheimniß.

Abg. Roeren (Centr.) freut ſich über die Stellung-
ahme des Redner gegenüber der Vorlage und wünſcht,
aß auch die anderen Parteien eine ähnliche freundliche
Haltung einnehmen möchten. Die Vorlage ſei ſo gut durch-
gearbeit wie kaum ein anderes Geſetz. Redner beantragt
chließlich die Ueberweiſung des Entwurfes an eine Com-
miſſion von vierzehn Mitgliedern.
. Die Abgg. Czarlins ki (Pole) und Sin ge r( Soz.)
ſprechen im Sinne der Vorlage, doch bemerkt Singer, daß
das Geſetz in ſeiner jetzigen Form die auf dasſelbe geſetzten
Hoffnungen nicht erfüllen werde. Denn in der heutigen
Geſellſchaft, wo ein Jeder in ſeinem Nachbarn ſeinen Feind
he, werde unlauterer Wettbewerb immer fortbeſtehen. Der
bedeute das reine Ausnahmegeſetz gegen die Ange-
ſtellten. Dieſer Paragraph müſſe in der Kommiſſion be-
itigt werden; er könne für ein Geſetz mit ſolchen Para-
grapßhen nicht ſtimmen. . 8 5
Staatsſecretär v. Bötticher hätte nicht geglaubt.
5 der Entwurf zu ſo leidenſchaftlichen Folgerungen An-

Berlin, 14. Dez.
Der Reichstag verbrachte die ganze heutige Sitzung
mit der e über die Vorlage betr. den un-
lauteren Wettbewerb, die an eine Commiſ-
don von 14 Mitgliedern verwieſen wurde. Es ſprachen
Vielhaben (Antifemit), Singer (Sozialdemokrat), Staats-
ſekretär v. Bötticher, Dr. Schneider (Freiſinnige Volkspar-
tei), Wurm (Sozialdemokrat), Fuchs (Centrum), Zimmer-
mann (Antiſemit), Frhr. v. Stumm (Reichspartei), Dr.
Kropatſchek (Deutſchconſ.) Die Reden bildeten gegenſeitige
Polsmiken und Wiederholungen des geſtern Geſagten. Schluß
egen 5 Uhr. Nächſte Sitzung Montag.



. N

) Eine Srrſahel im Omnibus.
Von H. von Veltheim. 8

„Ich dachte,“ fuhr Clara in einem Tone fort, der mir

zeigte, daß ſie nicht ganz beruhigt ſei, „ich dachte, daß es

dich freuen würde, hier Alles in Ordnung zu 1 und

ie mit mir

Machdruck
verboten.)

ſo benutzte ich die Zeit, welche Lady ,
geht, noch auf ihre Toilette verwenden muß
85 . liebe Schweſter, und ich danke dir für deine
ü 15



Aber kann ich ſonſt nichts für Dich thun? Soll
ich Dir vielleicht meinen Blumenſtrauß hier laſſen ...
Er hat einen ſo friſchen, herrlichen Geruch! Ich kann mir
leicht einen anderen verſchaffen. Sieh nur, dieſe weißen
oſen, meine Lieblingsblumen, die mich an mein von mir
ſelbſt gepflegtes Gärtchen in unſerem Parke erinnern, wo
a viele glückliche Stunden erlebten! .. Willſt
u ſie nicht

Gerührt durch Claras ſichtlichen Wunſch, ſich mir an-
genehm zu erweiſen, dankte ich für ihr Anerbieten.
In dieſem Augenblicke hörte man unter dem Thor-
pege unſeres Hotels den Wagen vorfahren: auch kam ein
Bedienter, welcher meldete, daß Lady bereit ſei. Clara

Unter dieſer kehrte ſie ſich noch einmal nach mir um, wie
wenn ſie mir noch etwas Freundliches hätte ſagen wollen;

aber ihr Lächeln erſtarb auf ihren Lippen und ſtärker

81 kurz zuvor malte ſich Beſorgniß und Unruhe auf ihren

ügen. . 15 .

gur Schweigend winkte ſie mir mit der Hand einen letzten

Abſchiedsgruß zu und verließ das Zimmer.

8



Mein Manuſtript lag durch die Güte meiner Schweſter
wohlgeordnet vor mir; ich ſchlug langſam die Blätter nach

Deutſches Reich. ‚
* Berlin, 14. Dezember.

— Die Kommiſſion für Arbeiterſtati-
ſtik beſchäfligte ſich, wie der „Reichsanzeiger“ be-


hebung über Arbeitszeit, Kündigungsfriſten und Lehr-
lingsverhältniſſe im Handelsgewerbe. Die
Kommiſſion hält eine Regelung der Arbeitszeit
Ladengeſchäften für noth-
wendig und durchführbar. Sie befürwortet den Er-
ſatz einer Vorſchrift, wonach die Läden, von vorüber-


8 Uhr Abends und 5 Uhr Morgens geſchloſſen
ſein müſſen, und die Handlungsgehilfen, Lehrlinge u.
Geſchäftsdiener innerhalb der Zeit, während welcher
die Läden geſchloſſen ſind, in der Regel zur Arbeit
für das Geſchäft nicht herangezogen werden dürfen.
Die Kommiſſion hält ferner Beſtimmungen für er-
forderlich, die den Angeſtellten der offenen Ladenge-
ſchäfte die zur Einnahme der Hauptmahlzeit
nothwendige Zeit ſichern. Zur Förderung der Fort-
bildung der Lehrlinge bringt die Kommiſſion die


Orten, wo eine vom Staat oder der Gemeinde aner-
kannte Fach⸗ oder Fortbildungsſchule beſteht, den Hand-
lungsgehilfen und Lehrlingen unter 18 Jahren nicht


auch die zum Beſuch der Fachſchule erforderliche Zeit
zu gewähren iſt. Endlich hat die Commiſſion noch
eine Reihe von Beſtimmungen vorgeſchlagen, die nach
dem Vorgang der 88 120 a. fg. der Gewerbeordnung
eine Verbeſſerung der La deu räume bezwecken.
Eine geſetzliche Regelung der Kündigungs-
friſten insbeſondere die Einführung einer Mindeſt-
kündigungsfriſt hält die Commiſſion gleichfalls für
nothwendig. Zu Punkt 2 der Tagesordnung „Er-
hebung über die Arbeits zeit in Getreide-
mühlen“ beſchloß die Commiſſion nach Erſtattung
des Referats und der Korreferate die mündliche Ver-
nehmung von 40 Auskunftsperſonen aus dem Müller ⸗
gewerbe vor der Commiſſion.

— Die Handwerkskammernvorlage wird höchſt
wahrſcheinlich im Reichstage abgelehnt werden.
Im Centrum wie bei den Conſervativen erregt ſie
vislen Widerſpruch, ein Mal, weil ſie an ſich ſehr
mangelhaft iſt, ſodann und vor allem aber, weil man
fürchtet, daß damit nur beabſichtigt ſei, die von den

einander um, aber meine Augen waren nur mechaniſch auf
dieſelben gerichtet. Wie viel Ehrgeiz, wie viele Hoffnungen,
welch eifriges Streben meines Geiſtes fand vor Kurzem
erſt, fand Tags zuvor noch ſeinen Ausdruck in dieſen Zei-
len! . Und jetzt, mit welcher Gleichgültigkeit ſah ich ſie
an? Faſt nicht anders als ob es ein Fremder gethan hätte.
Die zum ruhigen Denken und zur ſorgfältigen Ausarbeitung
der Gedanken nöthige Stimmung ſchien auf immer dahin,
ſeit die Gluth der Leidenſchaft in meinem Innern brannte
Ich warf das Manuſkript bei Seite und ſetzte mich an's
offene Fenſter, deſſen Ausſicht auf einen jener kleinen Gär-
ten hinausging, wie man ſie nur in London findet, wo
die verkümmerten Bäume und ſchmachtenden Blumen zwi-
ſchen den hohen Mauern der Hofräume nach Luft und
Sonne zu lechzen ſcheinen. .

Es war eine ſtille, feierliche Nacht, ganz geeignet für
ein ruhiges ueberlegen meines Zuſtandes, eine Nacht von
der wichtigſten Entſcheidung für mein ganzes Leben durch
das Reſultat meiner zu einem beſtimmten Entſchluſſe führen-
den Betrachtungen. ;

Dieſe Flamme der erſten Liebe, die mich durchglühte,
dieſe bis vor wenigen Stunden noch ungeahnten Empfin-
dungen war ich noch ſtark genug, dagegen mit Erfolg
3zu fümpfen ? ... ; 1

„Ich kannte den Charakter meines Vaters, ich wußte,
daß er ſeinen Vorurtheilen hinſichtlich der Geburt alle an-
deren Neigungen und Sympafhien unterordnete und
1 die Folgen einer von ſeinem Sohne eingegange-
neu Mesalliance entſetzlich ſein würden; ich wußte, daß
jeder andere Fehltritt, jede andere Kränkung früher oder
ſpäter von ihm verziehen, daß Verbrechen einer Mißhei-
rath aber mit unerbittlicher Strenge verdammt und der
Verbrecher auf ewig aus ſeinem Herzen geſtoßen werden
würde. Aber lauter, viel lauter als die Stimme der Ver-
nunft rief es in meinem 9 1 Ich liebe Martha Sher-
win!. In dieſen drei Worten lag die unendliche Ge-
walt der Leidenſchaft, die jeder kalten Berechnung des Ver-
ſtandes ſpottete und alle Einwürfe des Gewiſſens unwider-
ſtehlich zurückwies. ;

Handwerkern
halten.

Zuckerſteuer hingewieſen worden.

Anzahl der Fabriken im Süden und Oſten hervor-

laſtung ſelbſt. Die ſüddeutſchen Staaten Bayern,
Württemberg, Baden und Elſaß⸗Lothringen ſind
zuſammen an der Zuckerproduktion nur mit
254,464 Doppelcentnern betheiligt, das ſind nur an-
derthalb Prozent der geſammten deutſchen Produktion.
Während von dem Zuckerverbrauch auf dieſe Landes-

ſteuergeſetz an Belaſtung erhalten wird, beträgt der

neuen Geſetz nur etwa oreiviertel Millionen Marr
Die Mehrbelaſtung Süddeutſchlands aus dem

jährlich. Ebenfalls anderthalb Proz. Bodenfläche im
ganzen Reiche iſt nur an der Zuckerproduktion bethei-
ligt, ſodaß die Vorlage wohl für die Zuckerfabriken,
nicht aber für die Landwirthſchaft ein „großes Mit-
tel“ darſtellt.

demokratiſchen Abgeordneten, weil ſie Partei-

werden müßten, wird von den hieſigen nat. lib.
„Neueſten Nachrichten“ allen Ernſtes als richtig ver-
fochten.

beziehen“, gegen die Sozialdemokratie eingeſchritten
werde.
wirkungsloſen Scherz natürlich nicht eingehen; hat
doch ſelbſt Bismarck'ſche Erklärungskunſt ſ. Z. ſich nur
ſoweit verſtiegen, auf Grund des allgemeinen Land-

den Fiskus gerichtlich zu erzwingen.
— Frhr. v. Schorlemer, bisher Vorſtands-
mitglied des rheiniſchen Bauernvereins im Kreiſe

eingetreten. (Schon vor einigen Jahren trat auch ein



Ich liebte und zwar mit einer ſo reinen, heiligen Liebe,
daß ich mir Martha nur als meine Gattin dachte. Aber
gerade hierin lag die Urſache meiner Angſt. Warum hatte

hätte. Die Tochter eines Sherwin hätte von ihm ſtatt
väterliche Liebe nur Verachtung, nur
nen Sohnes zu erwarten.

Meiner Liebe ſollte ich entſagen? Ich ſollte dem ſtür-

wirken? Ich ſollte um
mein Lebensglück verzichten? .. Wo wäre eine Zuflucht
zu finden geweſen, die mir Schutz gegen mich ſelbſt geboten
hätte? In meinen Büchern, den bisherigen Gefährken mei-

mich verloren .. den Zerſtreuungen einer großen Reiſe?

Welt begleiten würde. - | ;
So fand alles, was mir die Vernunft zu meiner Ret-

endlich in weit vorgerückter Nacht die Natur ihre Rechte
geltend machte und ich, ermüdet von dem langen Wachen,

ſchwerer Träume machte. 5
Mir war, als befände ich mich auf einer weiten Ebene,
die auf der einen Seite von einem dichten Walde begrenzt

einzudringen ſuchte. Auf der anderen Seite thürmten ſich,
übereinander geſchichtet, blumige Hügel auf, deren Gipfel
ſich in roſigen Wolken verloren. Oberhalb des Waldes war
der Himmel düſter von den dichten Dünſten, die den Bäu-
men entſtiegen. In dem Momente, als ich nach dieſer Seite

ten und auf mich zukommen. Sie war von hoher 1
ihr ſchwarzes Haar flatterte frei im Winde, während ihr
Kleid ſie wie eine Wolke umhüllte, auf der das ſeltſame

ben ſchien.
(Fortſetzung folgt.)
 
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