Donley-Reid (1990) veranschaulicht die repräsen-
tative Bedeutung von Häusern an Hand der Haus-
architektur der Swahili, muslimischen Händlern an der
ostafrikanischen Küste. Die Raumtypen, die Innen-
einrichtung, wertvolle importierte Objekte und die
«Waungwana-Frauen», die Ehefrauen der Swahili-
Händlerschicht, sind im Swahili-Haus in einem festen
System räumlich und funktional aufeinander bezogen.
Die Waungwana-Frauen, mit kostbarem Goldschmuck
versehen, bewohnten den innersten Raum des Hauses,
der am prächtigsten ausgestattet war und der die wert-
vollsten Objekte enthielt. Personen, Objekte und Archi-
tektur verliehen sich dadurch gegenseitig einen hervor-
gehobenen sozialen und repräsentativen Wert. Mit Hilfe
dieser Strukturierung wird der wirtschaftliche Macht-
anspruch der Swahili durch die Häuser symbolisch den
anderen Gruppen der Gesellschaft demonstriert (Don-
ley-Reid 1990, 124).
Ähnliche Gründe mag die Übernahme südfranzösi-
scher Dachformen, der pyramidenförmigen, roten Ziegel-
dächer in libanesischen Häusern seit der Zeit um 1800
gehabt haben, die eine Folge der zunehmenden Handels-
beziehungen zwischen Frankreich und der Fevante war
(Nippa 1991, 69). Für die libanesischen Händler war
dies ein Mittel, ihre besonderen wirtschaftlichen Kon-
takte zu Frankreich mit Hilfe der französischen Kultur
zu symbolisieren.
e) Gesellscbaftliche Ursachen
Unter gesellschaftlichen Ursachen werden diejenigen
Faktoren zusammengefaßt, die den unmittelbar vom
Haushalt abhängigen funktionalen Erfordernissen eines
Hauses entsprechen. Die Funktionen sind ihrerseits von
der Organisation des Haushalts, d. h. seiner sozialen,
wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Stellung
abhängig. Dementsprechend lassen sich mehrere Arten
von gesellschaftlichen Ursachen unterscheiden:
e 1) Ökonomische Faktoren
Wirtschaftliche Faktoren beeinflussen Hausformen auf
zwei Arten. Die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten
eines Haushaltes bestimmt den Umfang an häuslichen
Aktivitäten und den dafür notwendigen Platz innerhalb
eines Hauses. Dadurch werden die Notwendigkeit für
Mobilität, Festigkeit und Haltbarkeit des Hauses und
der Raumbedarf für Vorratshaltung, für die Unterbrin-
gung von Tieren oder Geräten, für häusliche Produktio-
nen und für die Nahrungszubereitung gesteuert. Zwei-
tens beeinflußt der Erfolg der wirtschaftlichen Tätig-
keiten eines Haushaltes die Hausform. Wirtschaftlicher
Wohlstand bewirkt Variationen in Umfang und Anzahl
der Aktivitäten, in der Größe und dem Platzangebot so-
wie in der Ausstattung der Häuser. (Aurenche 1996, 4f.)
Ethnoarchäologische Beispiele für die Wechselwir-
kungen zwischen Wirtschaftsweise und Hausform sind
zahlreich anzuführen. Bei den cAbbäd-Beduinen in Jor-
danien wurde untersucht, wie sich die räumliche Orga-
nisation der Haushalte beim Übergang von mobiler zu
seßhafter Wohnweise verändert (Fayne 1987). Neben
neuen Baumaterialien zeichnen sich die festen Häuser
durch ihre Größe, eine geringere Varianz von Aktivitä-
ten, ein Vorherrschen von monofunktionalen Bereichen,
eine stärkere Trennung von persönlichen Bereichen und
eine größere Anzahl von Verbrauchsgütern aus. Diese
Veränderungen sind nicht primär durch die Tatsache der
Immobilität des Hauses verursacht, sondern sind eine
direkte Folge des Wandels der Wirtschaftsweise von
einer reinen Subsistenzwirtschaft zu Fohnarbeit, Handel
und einer Produktion von Waren zum Zweck des Tau-
sches oder Verkaufs (ebenda 366 ff.).
In der östlichen Kalahari-Wüste (Botswana) wurde
die jeweils unterschiedlich verlaufende ökonomische
Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Hausfor-
men bei zwei Jäger-und-Sammler Gruppen der Basarwa,
den Küa und Tuya, untersucht (Hitchcock 1987). Wäh-
rend die Küa noch vorwiegend vom Sammeln und Jagen
leben, betreiben die Tuya zusätzlich Ackerbau und Vieh-
zucht. Die veränderte Wirtschaftsweise der Tuya resul-
tierte in veränderten häuslichen Aktivitäten, einer ver-
änderten Fokalisierung dieser Aktivitäten im Haus-
bereich und einer daraus folgenden veränderten räum-
lichen Organisation des Haushaltes sowie in einer ver-
änderten Abfallbeseitigung (ebenda 412 ff.). Dies zeigt,
daß selbst innerhalb einer Region und eines einheit-
lichen kulturellen Rahmens eine unterschiedliche wirt-
schaftliche Entwicklung zu abweichenden Hausformen
führen kann.
Die beiden benachbarten Siedlungen al-Kowm und
Qdeir in der Wüstensteppe zwischen dem Euphrat und
Palmyra (Syrien) unterscheiden sich in der Größe und
Anlage der Häuser, in der Anzahl der Räume und vor
allem in der in al-Kowm sichtbaren Verwendung und
komplexen Kombination variierender Raumtypen. Dies
ist eine Folge der unterschiedlichen Wirtschaftsweise
ihrer Bewohner. Während die erst seit kürzerer Zeit
ansässige Bevölkerung von Qdeir vorwiegend von der
Schafzucht lebt und sich nur saisonal in dem Dorf auf-
hält, bewohnt die schon seit langer Zeit ansässige Bevöl-
kerung von al-Kowm den Ort ständig und betreibt
Fandwirtschaft (Aurenche - Desfarges 1982; 1983;
Desfarges unpubl.; Jarno 1984).
Die Auswirkungen von unterschiedlichen Stufen des
wirtschaftlichen Wohlstandes innerhalb einer gemein-
samen Wirtschaftsweise auf die Hausform wurde am
Beispiel von Aliabad (Iran) untersucht (Kramer 1982).
Grundstücksfläche, Hoffläche und Raumtypen lassen
eine Abhängigkeit vom ökonomischen Status der Be-
wohner erkennen. Die durchschnittliche Grundstücks-
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tative Bedeutung von Häusern an Hand der Haus-
architektur der Swahili, muslimischen Händlern an der
ostafrikanischen Küste. Die Raumtypen, die Innen-
einrichtung, wertvolle importierte Objekte und die
«Waungwana-Frauen», die Ehefrauen der Swahili-
Händlerschicht, sind im Swahili-Haus in einem festen
System räumlich und funktional aufeinander bezogen.
Die Waungwana-Frauen, mit kostbarem Goldschmuck
versehen, bewohnten den innersten Raum des Hauses,
der am prächtigsten ausgestattet war und der die wert-
vollsten Objekte enthielt. Personen, Objekte und Archi-
tektur verliehen sich dadurch gegenseitig einen hervor-
gehobenen sozialen und repräsentativen Wert. Mit Hilfe
dieser Strukturierung wird der wirtschaftliche Macht-
anspruch der Swahili durch die Häuser symbolisch den
anderen Gruppen der Gesellschaft demonstriert (Don-
ley-Reid 1990, 124).
Ähnliche Gründe mag die Übernahme südfranzösi-
scher Dachformen, der pyramidenförmigen, roten Ziegel-
dächer in libanesischen Häusern seit der Zeit um 1800
gehabt haben, die eine Folge der zunehmenden Handels-
beziehungen zwischen Frankreich und der Fevante war
(Nippa 1991, 69). Für die libanesischen Händler war
dies ein Mittel, ihre besonderen wirtschaftlichen Kon-
takte zu Frankreich mit Hilfe der französischen Kultur
zu symbolisieren.
e) Gesellscbaftliche Ursachen
Unter gesellschaftlichen Ursachen werden diejenigen
Faktoren zusammengefaßt, die den unmittelbar vom
Haushalt abhängigen funktionalen Erfordernissen eines
Hauses entsprechen. Die Funktionen sind ihrerseits von
der Organisation des Haushalts, d. h. seiner sozialen,
wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Stellung
abhängig. Dementsprechend lassen sich mehrere Arten
von gesellschaftlichen Ursachen unterscheiden:
e 1) Ökonomische Faktoren
Wirtschaftliche Faktoren beeinflussen Hausformen auf
zwei Arten. Die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten
eines Haushaltes bestimmt den Umfang an häuslichen
Aktivitäten und den dafür notwendigen Platz innerhalb
eines Hauses. Dadurch werden die Notwendigkeit für
Mobilität, Festigkeit und Haltbarkeit des Hauses und
der Raumbedarf für Vorratshaltung, für die Unterbrin-
gung von Tieren oder Geräten, für häusliche Produktio-
nen und für die Nahrungszubereitung gesteuert. Zwei-
tens beeinflußt der Erfolg der wirtschaftlichen Tätig-
keiten eines Haushaltes die Hausform. Wirtschaftlicher
Wohlstand bewirkt Variationen in Umfang und Anzahl
der Aktivitäten, in der Größe und dem Platzangebot so-
wie in der Ausstattung der Häuser. (Aurenche 1996, 4f.)
Ethnoarchäologische Beispiele für die Wechselwir-
kungen zwischen Wirtschaftsweise und Hausform sind
zahlreich anzuführen. Bei den cAbbäd-Beduinen in Jor-
danien wurde untersucht, wie sich die räumliche Orga-
nisation der Haushalte beim Übergang von mobiler zu
seßhafter Wohnweise verändert (Fayne 1987). Neben
neuen Baumaterialien zeichnen sich die festen Häuser
durch ihre Größe, eine geringere Varianz von Aktivitä-
ten, ein Vorherrschen von monofunktionalen Bereichen,
eine stärkere Trennung von persönlichen Bereichen und
eine größere Anzahl von Verbrauchsgütern aus. Diese
Veränderungen sind nicht primär durch die Tatsache der
Immobilität des Hauses verursacht, sondern sind eine
direkte Folge des Wandels der Wirtschaftsweise von
einer reinen Subsistenzwirtschaft zu Fohnarbeit, Handel
und einer Produktion von Waren zum Zweck des Tau-
sches oder Verkaufs (ebenda 366 ff.).
In der östlichen Kalahari-Wüste (Botswana) wurde
die jeweils unterschiedlich verlaufende ökonomische
Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Hausfor-
men bei zwei Jäger-und-Sammler Gruppen der Basarwa,
den Küa und Tuya, untersucht (Hitchcock 1987). Wäh-
rend die Küa noch vorwiegend vom Sammeln und Jagen
leben, betreiben die Tuya zusätzlich Ackerbau und Vieh-
zucht. Die veränderte Wirtschaftsweise der Tuya resul-
tierte in veränderten häuslichen Aktivitäten, einer ver-
änderten Fokalisierung dieser Aktivitäten im Haus-
bereich und einer daraus folgenden veränderten räum-
lichen Organisation des Haushaltes sowie in einer ver-
änderten Abfallbeseitigung (ebenda 412 ff.). Dies zeigt,
daß selbst innerhalb einer Region und eines einheit-
lichen kulturellen Rahmens eine unterschiedliche wirt-
schaftliche Entwicklung zu abweichenden Hausformen
führen kann.
Die beiden benachbarten Siedlungen al-Kowm und
Qdeir in der Wüstensteppe zwischen dem Euphrat und
Palmyra (Syrien) unterscheiden sich in der Größe und
Anlage der Häuser, in der Anzahl der Räume und vor
allem in der in al-Kowm sichtbaren Verwendung und
komplexen Kombination variierender Raumtypen. Dies
ist eine Folge der unterschiedlichen Wirtschaftsweise
ihrer Bewohner. Während die erst seit kürzerer Zeit
ansässige Bevölkerung von Qdeir vorwiegend von der
Schafzucht lebt und sich nur saisonal in dem Dorf auf-
hält, bewohnt die schon seit langer Zeit ansässige Bevöl-
kerung von al-Kowm den Ort ständig und betreibt
Fandwirtschaft (Aurenche - Desfarges 1982; 1983;
Desfarges unpubl.; Jarno 1984).
Die Auswirkungen von unterschiedlichen Stufen des
wirtschaftlichen Wohlstandes innerhalb einer gemein-
samen Wirtschaftsweise auf die Hausform wurde am
Beispiel von Aliabad (Iran) untersucht (Kramer 1982).
Grundstücksfläche, Hoffläche und Raumtypen lassen
eine Abhängigkeit vom ökonomischen Status der Be-
wohner erkennen. Die durchschnittliche Grundstücks-
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