ren die Pygmäen (Zentralafrika), eine egalitäre Gruppe
ohne hierarchisierte politische Organisation, der am
wenigsten segmentierten Kategorie I an. Ihre Wohnhüt-
ten sind einräumig, nicht architektonisch gegliedert und
nicht nach Funktion, Geschlecht oder Altersgruppe un-
terteilt (Kent 1990, 130 f.). Die Tiv (Nigeria), ein Bei-
spiel einer Gesellschaft der Kategorie III, besitzen eine
politische Hierarchie auf lokaler Ebene, die auf Alter,
Titeln und individuellen Fähigkeiten beruht. Sie leben in
funktional und räumlich untergliederten Gehöften, die
aus drei Raumtypen bestehen: Schlafhütten, Empfangs-
hütten und Speicher (ebenda 137 f.). Ein Beispiel für die
Kategorie V sind die Rundi (Zaire), die in einem auto-
kratischen Feudalstaat unter der Führung eines vergött-
lichten Priesterkönigs organisiert sind. Rundi-Gehöfte
besitzen zahlreiche monofunktionale Bereiche, darunter
zwei oder mehr Wohnräume, Schlafräume, Vorrats-
räume, Ställe und Hütten für junge, unverheiratete
Männer und Frauen (ebenda 144.148).
Spezifischere Auswirkungen haben dirigistische Ein-
griffe in die Wohnhausarchitektur, die von einer politi-
schen Führung vorgenommen werden. Beispielsweise
berichtete 1935/36 Sir Aurel Stein, daß die Regierung
des Iran - zum Teil mit Fehlschlägen - versuchte, mas-
sive Bauten anstatt der Ziegenhaarzelte und Schilfhüt-
ten durchzusetzen (Christensen 1967, 126). Der Grund
für diese politische Maßnahme liegt in einer angestreb-
ten besseren Kontrollierbarkeit der Bevölkerung.
e 4) Juristische Faktoren
Die Bewohner eines Hauses müssen nicht notwendiger-
weise dessen Eigentümer sein. Daraus entstehen recht-
liche Einschränkungen, Veränderungen an einem Haus
durchzuführen, um es den konkreten familiären Ver-
hältnissen anzupassen.
Christensen (1967, 103) berichtete aus dem Dorf
Debokr (Iran), daß die Häuser der Landpächter und der
Landarbeiter Eigentum des Dorfherren bzw. Grund-
besitzers seien. Das Beispiel eines zweiräumigen Hauses,
bestehend aus einem kombinierten Wohn- und Wirt-
schaftsraum und einem Stall, wurde von einer Familie
(Mann mit Mutter, Frau und zwei Kindern) bewohnt.
Im Dorf Yekshawa (Iran) bewohnte sogar eine erwei-
terte Familie ein Haus, das einem Grundbesitzer ge-
hörte. Eine Miete wurde nicht entrichtet. Als das An-
wachsen der Familie einen neuen Wohnraum nötig
machte, mußte dazu die Genehmigung des Grundbesit-
zers eingeholt werden. Während dieser das Bauholz zur
Verfügung stellte, mußten alle Bauarbeiten von den Be-
wohnern durchgeführt werden (Christensen 1967,107).
In Aliabad (Iran) bauten Landpächter vor der Land-
reform ihre Häuser selbst, konnten aber vom Grund-
besitzer oder Dorfchef unter Zwang in andere Häuser
umgesiedelt werden. Als nach der Landreform von 1962
den Pächtern der rechtliche Besitz ihrer Häuser zuge-
sichert wurde, war eine rege Bautätigkeit zu beobach-
ten, weil die Bauern nun bessere Häuser errichten woll-
ten (Kramer 1982, 25).
Auch wenn die Bewohner gleichzeitig die Besitzer der
Häuser sind, können rechtliche Faktoren einen Einfluß
auf die Hausform haben. In der Region Batina (Oman)
wurde beobachtet, daß viehzüchtende Nomaden, Oasen-
bauern und Fischer trotz unterschiedlicher Wirtschafts-
weisen denselben Haustyp, ein Haus aus Palmwedeln
bauen. Daneben gibt es jedoch in den Oasen auch
Lehmziegel- und Steinhäuser, die meist den Besitzern der
Oasengärten gehören. In dem unterschiedlichen Bau-
material spiegeln sich Rechtsverhältnisse wieder: Die
Bewohner der Lehmziegel- und Steinhäuser haben einen
ständigen Anspruch auf ihren Wohnsitz, während die
Bewohner der Palmwedelhäuser nur einen temporären
Anspruch auf Residenz während der Arbeit in den
Oasengärten haben (Nippa 1991, 133-143).
Der systemische Kontext der Ursachen
von Hausformen
Die Theorie der Ursachen der Hausformen verdeutlicht,
daß mannigfaltige Faktoren auf die Form und innere
Organisation von Häusern einwirken. Für die Anwen-
dung in einer archäologischen Untersuchung ist die
Gewichtung der einzelnen Faktoren von Bedeutung. Der
Versuch, die Ursachen von Hausformen nach einem
festen Schema zu hierarchisieren, folgt meist einem
ethnozentristischen Konzept und ist deshalb zu ver-
meiden (Wilk 1990, 34 f.). Sanders (1990, 44) versucht
die Ursachen in konstante und variable Faktoren auf-
zuteilen, wobei er zu ersteren Klima, Topographie,
Funktion und kulturelle Konvention zählt, zu zweiteren
Baumaterial, Technologie und ökonomische Ressour-
cen. Während diese Behauptung schon für Klima und
Topographie nur eingeschränkt zutrifft, kann von einer
festgelegten Funktion für Wohnhäuser selbst in einem
einheitlichen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext
auf Grund unterschiedlicher Familienformen, Haus-
haltsgrößen und Wirtschaftsweisen nicht ausgegangen
werden.
Bei der Suche nach einer Lösung dieses Problems ist
in erster Linie die Abhängigkeit der verschiedenen Fak-
toren voneinander in den Vordergrund zu stellen. Häu-
fig sind kulturelle und gesellschaftliche Ursachen ver-
knüpft, wie im Fall der umgesiedelten Nubier in Süd-
ägypten, deren Häuser gleichermaßen durch politische
Faktoren (Umsiedlungsaktion), soziale Faktoren (Aus-
einanderbrechen der alten sozialen Strukturen) als auch
durch sozio-psychologische Faktoren (Wiedereinfüh-
rung traditioneller Symbole in den neuen Häusern)
gekennzeichnet sind (Gauvin - Altman - Fahim 1983,
23
ohne hierarchisierte politische Organisation, der am
wenigsten segmentierten Kategorie I an. Ihre Wohnhüt-
ten sind einräumig, nicht architektonisch gegliedert und
nicht nach Funktion, Geschlecht oder Altersgruppe un-
terteilt (Kent 1990, 130 f.). Die Tiv (Nigeria), ein Bei-
spiel einer Gesellschaft der Kategorie III, besitzen eine
politische Hierarchie auf lokaler Ebene, die auf Alter,
Titeln und individuellen Fähigkeiten beruht. Sie leben in
funktional und räumlich untergliederten Gehöften, die
aus drei Raumtypen bestehen: Schlafhütten, Empfangs-
hütten und Speicher (ebenda 137 f.). Ein Beispiel für die
Kategorie V sind die Rundi (Zaire), die in einem auto-
kratischen Feudalstaat unter der Führung eines vergött-
lichten Priesterkönigs organisiert sind. Rundi-Gehöfte
besitzen zahlreiche monofunktionale Bereiche, darunter
zwei oder mehr Wohnräume, Schlafräume, Vorrats-
räume, Ställe und Hütten für junge, unverheiratete
Männer und Frauen (ebenda 144.148).
Spezifischere Auswirkungen haben dirigistische Ein-
griffe in die Wohnhausarchitektur, die von einer politi-
schen Führung vorgenommen werden. Beispielsweise
berichtete 1935/36 Sir Aurel Stein, daß die Regierung
des Iran - zum Teil mit Fehlschlägen - versuchte, mas-
sive Bauten anstatt der Ziegenhaarzelte und Schilfhüt-
ten durchzusetzen (Christensen 1967, 126). Der Grund
für diese politische Maßnahme liegt in einer angestreb-
ten besseren Kontrollierbarkeit der Bevölkerung.
e 4) Juristische Faktoren
Die Bewohner eines Hauses müssen nicht notwendiger-
weise dessen Eigentümer sein. Daraus entstehen recht-
liche Einschränkungen, Veränderungen an einem Haus
durchzuführen, um es den konkreten familiären Ver-
hältnissen anzupassen.
Christensen (1967, 103) berichtete aus dem Dorf
Debokr (Iran), daß die Häuser der Landpächter und der
Landarbeiter Eigentum des Dorfherren bzw. Grund-
besitzers seien. Das Beispiel eines zweiräumigen Hauses,
bestehend aus einem kombinierten Wohn- und Wirt-
schaftsraum und einem Stall, wurde von einer Familie
(Mann mit Mutter, Frau und zwei Kindern) bewohnt.
Im Dorf Yekshawa (Iran) bewohnte sogar eine erwei-
terte Familie ein Haus, das einem Grundbesitzer ge-
hörte. Eine Miete wurde nicht entrichtet. Als das An-
wachsen der Familie einen neuen Wohnraum nötig
machte, mußte dazu die Genehmigung des Grundbesit-
zers eingeholt werden. Während dieser das Bauholz zur
Verfügung stellte, mußten alle Bauarbeiten von den Be-
wohnern durchgeführt werden (Christensen 1967,107).
In Aliabad (Iran) bauten Landpächter vor der Land-
reform ihre Häuser selbst, konnten aber vom Grund-
besitzer oder Dorfchef unter Zwang in andere Häuser
umgesiedelt werden. Als nach der Landreform von 1962
den Pächtern der rechtliche Besitz ihrer Häuser zuge-
sichert wurde, war eine rege Bautätigkeit zu beobach-
ten, weil die Bauern nun bessere Häuser errichten woll-
ten (Kramer 1982, 25).
Auch wenn die Bewohner gleichzeitig die Besitzer der
Häuser sind, können rechtliche Faktoren einen Einfluß
auf die Hausform haben. In der Region Batina (Oman)
wurde beobachtet, daß viehzüchtende Nomaden, Oasen-
bauern und Fischer trotz unterschiedlicher Wirtschafts-
weisen denselben Haustyp, ein Haus aus Palmwedeln
bauen. Daneben gibt es jedoch in den Oasen auch
Lehmziegel- und Steinhäuser, die meist den Besitzern der
Oasengärten gehören. In dem unterschiedlichen Bau-
material spiegeln sich Rechtsverhältnisse wieder: Die
Bewohner der Lehmziegel- und Steinhäuser haben einen
ständigen Anspruch auf ihren Wohnsitz, während die
Bewohner der Palmwedelhäuser nur einen temporären
Anspruch auf Residenz während der Arbeit in den
Oasengärten haben (Nippa 1991, 133-143).
Der systemische Kontext der Ursachen
von Hausformen
Die Theorie der Ursachen der Hausformen verdeutlicht,
daß mannigfaltige Faktoren auf die Form und innere
Organisation von Häusern einwirken. Für die Anwen-
dung in einer archäologischen Untersuchung ist die
Gewichtung der einzelnen Faktoren von Bedeutung. Der
Versuch, die Ursachen von Hausformen nach einem
festen Schema zu hierarchisieren, folgt meist einem
ethnozentristischen Konzept und ist deshalb zu ver-
meiden (Wilk 1990, 34 f.). Sanders (1990, 44) versucht
die Ursachen in konstante und variable Faktoren auf-
zuteilen, wobei er zu ersteren Klima, Topographie,
Funktion und kulturelle Konvention zählt, zu zweiteren
Baumaterial, Technologie und ökonomische Ressour-
cen. Während diese Behauptung schon für Klima und
Topographie nur eingeschränkt zutrifft, kann von einer
festgelegten Funktion für Wohnhäuser selbst in einem
einheitlichen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext
auf Grund unterschiedlicher Familienformen, Haus-
haltsgrößen und Wirtschaftsweisen nicht ausgegangen
werden.
Bei der Suche nach einer Lösung dieses Problems ist
in erster Linie die Abhängigkeit der verschiedenen Fak-
toren voneinander in den Vordergrund zu stellen. Häu-
fig sind kulturelle und gesellschaftliche Ursachen ver-
knüpft, wie im Fall der umgesiedelten Nubier in Süd-
ägypten, deren Häuser gleichermaßen durch politische
Faktoren (Umsiedlungsaktion), soziale Faktoren (Aus-
einanderbrechen der alten sozialen Strukturen) als auch
durch sozio-psychologische Faktoren (Wiedereinfüh-
rung traditioneller Symbole in den neuen Häusern)
gekennzeichnet sind (Gauvin - Altman - Fahim 1983,
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