Vorratsräume und Höfe keine aufschlußreichen Indika-
toren für die Familienstruktur (ebenda 117).
Für Häuser von einzeln wohnenden Kernfamilien sind
minimale Raumzahlen möglich. Wenn ein Haus - neben
Speicher und Stall - nur aus einer «Küche» besteht,
kann diese gleichzeitig als Wohnraum dienen, so daß
auch Häuser ohne Herde und formellen Wohnraum als
Wohnhaus funktionieren können (ebenda 119). Neben
den Beispielen aus Aliabad ist auch für Debokr (Iran)
ein Haus mit minimalem Raumbestand beschrieben, be-
stehend aus einem Wohnraum, einem Stall und einem
ungedeckten Speicher, das als Wohnstätte einer einzel-
nen Kernfamilie dient (Christensen 1967, 103 ff.).
Im jordanischen Kufr al-Ma werden Einraumhäuser
generell von Kernfamilien bewohnt, während erweiterte
Familien in Dreiraumhäusern leben (Antoun 1972, 58).
Das Schema, nach dem jeder Kernfamilie ein Wohn-
raum (zuzüglich eventueller Nebenräume) innerhalb des
Hauses einer erweiterten Familie zusteht, findet sich
auch in den meisten anderen beschriebenen ethnologi-
schen Beispielen der Region. In dem syrischen Dorf
Sams ad-Din sind für eine Kernfamilie neben Küche und
Vorratsraum ein multifunktionaler Wohnraum belegt,
der als Gäste-, Wohn- und Schlafraum dient (Seeden
1984, 497). In al-Kowm (Syrien) wird normalerweise
für jede neu konstituierte Kernfamilie eines erweiter-
ten Familienhaushaltes ein eigener Wohnraum angebaut
oder eingerichtet (Desfarges unpubl., 71.76 f.; Aurenche
-Desfarges 1982, Fig. 3.4.8.11). Als Beispiel sei Haus 13
in al-Kowm erwähnt: In dem aus 16 Räumen bestehen-
den und von einer erweiterten Familie bewohnten Haus
besitzen die beiden Kernfamilien des Haushaltes jeweils
einen Wohnraum und zusammen eine Küche und einen
tannür-Raum, die anderen 12 Räume des Hauses sind
Ställe und Vorratsräume (Desfarges unpubl., 66; Auren-
che - Desfarges 1982, Fig. 4).
Die obigen Ausführungen dürfen nicht dazu benutzt
werden, die Anzahl der Wohnräume in unkritischer
Weise als direkte Entsprechung der Anzahl der Kern-
familien in einem Haus aufzufassen. Es wurde schon
darauf hingewiesen, daß bausubstanz-bezogene Fakto-
ren oder die Armut einer Familie Sonderlösungen erfor-
derlich machen können. Außerdem können kulturelle
Faktoren dazu führen, daß der Wohnbereich in zwei
oder mehr Räume unterteilt wird, um die Wohnbereiche
von Männern und Frauen oder um privates und gesell-
schaftliches Familienleben zu trennen (Nippa 1991,
154). Deshalb muß zunächst versucht werden, die archi-
tektonische Zusammensetzung von Wohnbereichen
durch die Aktivitätszonenanalyse und die funktionale
Analyse zu bestimmen.
Die ethnographischen Beobachtungen verdeutlichen
jedoch, daß für eine Rekonstruktion der Familienform
die Anzahl der Wohnräume bzw. Wohnbereiche eines
Hauses wichtige Hinweise liefern kann. Wohnräume
sind diejenigen Räume, die vorrangig dem Aufenthalt
der Menschen dienen und denen eine unterschiedliche
Zahl von Arbeitsräumen («Küche», Werkraum) ange-
gliedert sein kann. Im Unterschied dazu stehen die
Räume, die in erster Linie zur Unterbringung von Tieren
bzw. Gegenständen dienen (Ställe und Vorratsräume),
die weniger für die soziale als für die ökonomische Ana-
lyse von Relevanz sind. Der Anteil der Wohnflächen an
den Hausflächen beträgt im Fall von Hasanabad (Iran)
nur 13%, am Beispiel al-Kowm (Syrien) nur 9% (Auren-
che 1981b, Tabl. 5). Wohnräume und direkt zugehörige
Arbeitsräume bilden Wohneinheiten innerhalb eines
Hauses, die ein Spiegel sozialer Einheiten innerhalb des
Haushaltes sein können.
In Hinblick auf die Rekonstruktion von Wohneinhei-
ten liefert die Raumanordnung und Raumerschließung
wichtige Hinweise zur inneren, sozialen Struktur eines
Hauses. Wenn innerhalb eines Hauses mehrere architek-
tonische Einheiten mit jeweils vergleichbaren, sich wie-
derholenden Raumfunktionen unterscheidbar sind, kann
dies als Anzeichen einer sozialen Gruppierung des Haus-
haltes interpretiert werden.
b) Haushaltsgröße
Um Bewohnerzahlen von Häusern oder Siedlungen zu
schätzen, muß der Platzbedarf einer Person bekannt sein.
Naroll (1962) errechnete durch den Vergleich von 18
verschiedenen Gesellschaften in vier Kontinenten einen
Durchschnittswert von 10 m 2 pro Person, wobei die
Einzelergebnisse aber stark divergieren 9). Seine Berech-
nungen beruhen auf der überdachten Siedlungsfläche
(«floor area») eines Ortes. LeBlanc (1971) schlug vor,
zur Erschließung des Platzbedarfes einer Person nur die
überdachten Wohnflächen der Häuser (ohne die Wirt-
schaftsräume) zugrunde zu legen. Unter dieser Prämisse
schwankten die Ergebnisse beim Vergleich von drei ver-
schiedenen Kulturregionen (Samoa/Iran/Südamerika)
zwischen ca. 7 und 11 m 2 pro Person.
Casselberry (1974) kritisierte, daß die kulturverglei-
chenden Platzberechnungen die Varianz der Hausfor-
men unberücksichtigt lassen, und betonte, daß der
Platzbedarf einer Person nicht biologischen sondern
kulturellen Regeln folgt. Er lehnte folglich generelle Be-
wohnerzahlberechnungen ab und forderte, spezifische
Werte für soziologisch einheitliche Hausformen zu ent-
wickeln. Im Fall von großen offenen Gemeinschaftshäu-
sern für mehrere Familien kam er auf durchschnittlich
15 m 2 pro Person (Casselberry 1974, 119). Am Beispiel
Aliabad (Iran) konnte ein durchschnittlicher Platzbedarf
von 10 m 2 pro Person für mehrräumige ländliche Lehm-
9) Vgl. oben Kap. 3.2.
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toren für die Familienstruktur (ebenda 117).
Für Häuser von einzeln wohnenden Kernfamilien sind
minimale Raumzahlen möglich. Wenn ein Haus - neben
Speicher und Stall - nur aus einer «Küche» besteht,
kann diese gleichzeitig als Wohnraum dienen, so daß
auch Häuser ohne Herde und formellen Wohnraum als
Wohnhaus funktionieren können (ebenda 119). Neben
den Beispielen aus Aliabad ist auch für Debokr (Iran)
ein Haus mit minimalem Raumbestand beschrieben, be-
stehend aus einem Wohnraum, einem Stall und einem
ungedeckten Speicher, das als Wohnstätte einer einzel-
nen Kernfamilie dient (Christensen 1967, 103 ff.).
Im jordanischen Kufr al-Ma werden Einraumhäuser
generell von Kernfamilien bewohnt, während erweiterte
Familien in Dreiraumhäusern leben (Antoun 1972, 58).
Das Schema, nach dem jeder Kernfamilie ein Wohn-
raum (zuzüglich eventueller Nebenräume) innerhalb des
Hauses einer erweiterten Familie zusteht, findet sich
auch in den meisten anderen beschriebenen ethnologi-
schen Beispielen der Region. In dem syrischen Dorf
Sams ad-Din sind für eine Kernfamilie neben Küche und
Vorratsraum ein multifunktionaler Wohnraum belegt,
der als Gäste-, Wohn- und Schlafraum dient (Seeden
1984, 497). In al-Kowm (Syrien) wird normalerweise
für jede neu konstituierte Kernfamilie eines erweiter-
ten Familienhaushaltes ein eigener Wohnraum angebaut
oder eingerichtet (Desfarges unpubl., 71.76 f.; Aurenche
-Desfarges 1982, Fig. 3.4.8.11). Als Beispiel sei Haus 13
in al-Kowm erwähnt: In dem aus 16 Räumen bestehen-
den und von einer erweiterten Familie bewohnten Haus
besitzen die beiden Kernfamilien des Haushaltes jeweils
einen Wohnraum und zusammen eine Küche und einen
tannür-Raum, die anderen 12 Räume des Hauses sind
Ställe und Vorratsräume (Desfarges unpubl., 66; Auren-
che - Desfarges 1982, Fig. 4).
Die obigen Ausführungen dürfen nicht dazu benutzt
werden, die Anzahl der Wohnräume in unkritischer
Weise als direkte Entsprechung der Anzahl der Kern-
familien in einem Haus aufzufassen. Es wurde schon
darauf hingewiesen, daß bausubstanz-bezogene Fakto-
ren oder die Armut einer Familie Sonderlösungen erfor-
derlich machen können. Außerdem können kulturelle
Faktoren dazu führen, daß der Wohnbereich in zwei
oder mehr Räume unterteilt wird, um die Wohnbereiche
von Männern und Frauen oder um privates und gesell-
schaftliches Familienleben zu trennen (Nippa 1991,
154). Deshalb muß zunächst versucht werden, die archi-
tektonische Zusammensetzung von Wohnbereichen
durch die Aktivitätszonenanalyse und die funktionale
Analyse zu bestimmen.
Die ethnographischen Beobachtungen verdeutlichen
jedoch, daß für eine Rekonstruktion der Familienform
die Anzahl der Wohnräume bzw. Wohnbereiche eines
Hauses wichtige Hinweise liefern kann. Wohnräume
sind diejenigen Räume, die vorrangig dem Aufenthalt
der Menschen dienen und denen eine unterschiedliche
Zahl von Arbeitsräumen («Küche», Werkraum) ange-
gliedert sein kann. Im Unterschied dazu stehen die
Räume, die in erster Linie zur Unterbringung von Tieren
bzw. Gegenständen dienen (Ställe und Vorratsräume),
die weniger für die soziale als für die ökonomische Ana-
lyse von Relevanz sind. Der Anteil der Wohnflächen an
den Hausflächen beträgt im Fall von Hasanabad (Iran)
nur 13%, am Beispiel al-Kowm (Syrien) nur 9% (Auren-
che 1981b, Tabl. 5). Wohnräume und direkt zugehörige
Arbeitsräume bilden Wohneinheiten innerhalb eines
Hauses, die ein Spiegel sozialer Einheiten innerhalb des
Haushaltes sein können.
In Hinblick auf die Rekonstruktion von Wohneinhei-
ten liefert die Raumanordnung und Raumerschließung
wichtige Hinweise zur inneren, sozialen Struktur eines
Hauses. Wenn innerhalb eines Hauses mehrere architek-
tonische Einheiten mit jeweils vergleichbaren, sich wie-
derholenden Raumfunktionen unterscheidbar sind, kann
dies als Anzeichen einer sozialen Gruppierung des Haus-
haltes interpretiert werden.
b) Haushaltsgröße
Um Bewohnerzahlen von Häusern oder Siedlungen zu
schätzen, muß der Platzbedarf einer Person bekannt sein.
Naroll (1962) errechnete durch den Vergleich von 18
verschiedenen Gesellschaften in vier Kontinenten einen
Durchschnittswert von 10 m 2 pro Person, wobei die
Einzelergebnisse aber stark divergieren 9). Seine Berech-
nungen beruhen auf der überdachten Siedlungsfläche
(«floor area») eines Ortes. LeBlanc (1971) schlug vor,
zur Erschließung des Platzbedarfes einer Person nur die
überdachten Wohnflächen der Häuser (ohne die Wirt-
schaftsräume) zugrunde zu legen. Unter dieser Prämisse
schwankten die Ergebnisse beim Vergleich von drei ver-
schiedenen Kulturregionen (Samoa/Iran/Südamerika)
zwischen ca. 7 und 11 m 2 pro Person.
Casselberry (1974) kritisierte, daß die kulturverglei-
chenden Platzberechnungen die Varianz der Hausfor-
men unberücksichtigt lassen, und betonte, daß der
Platzbedarf einer Person nicht biologischen sondern
kulturellen Regeln folgt. Er lehnte folglich generelle Be-
wohnerzahlberechnungen ab und forderte, spezifische
Werte für soziologisch einheitliche Hausformen zu ent-
wickeln. Im Fall von großen offenen Gemeinschaftshäu-
sern für mehrere Familien kam er auf durchschnittlich
15 m 2 pro Person (Casselberry 1974, 119). Am Beispiel
Aliabad (Iran) konnte ein durchschnittlicher Platzbedarf
von 10 m 2 pro Person für mehrräumige ländliche Lehm-
9) Vgl. oben Kap. 3.2.
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