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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0089

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Das bemalte Tischblatt zeigt in der Mitte mehr als 120 Gebrauchs-
gegenstände, die - augentäuschend wiedergegeben - in raffinierter Weise
mit zwei in der profanen Kunst des Spätmittelalters weitverbreiteten
Bildmotiven kombiniert sind: Auf der einen Seite sitzt »Niemand«
(St. Nemo) inmitten zerbrochener Gegenstände, vor seinem Mund ein
Schloß, so daß er nicht verraten kann, wer den Schaden angerichtet hat.
Auf der anderen Seite wird ein schlafender Krämer von einer Affenschar
ausgeraubt, so daß die über die Tischplatte verstreuten Objekte auch als
seine von den Affen achtlos weggeworfene Handelsware betrachtet wer-
den kann. Den Mittelteil der Tischplatte umgeben allseits vier trapezför-
mige Bildfelder mit Jagd- und Turnierszenen. Auf amüsante und zugleich
zeitkritische Weise wird hier etwa die Vogeljagd mit dem »Mädchenfang«
durch einen Mönch kombiniert.

Der »Holbein-Tisch« wird erstmals im Jahr 1633 urkundlich faßbar,
als ihn der aus Bern stammende Maler Hans Jacob Dünz d. J. (1603-68)
der Burger-Bibliothek in Zürich zum Geschenk machte. Er galt schon zu
diesem Zeitpunkt als Werk Hans Holbeins. Als solches wird er auch von
Joachim von Sandrart erwähnt, der erstmals auf den Brief, »... worauf
Holbeins Name geschrieben«, aufmerksam machte.20 So las denn auch
Friedrich Salomon Vögelin die auf dem Papiersiegel und dem Petschaft
angebrachte Signatur »... ganz deutlich« als »hans ho ...« bzw. als »hh«,
als er das zuvor in Vergessenheit geratene Tischblatt im Jahre 1870
»wiederentdeckte«.21 Vögelin ergänzte die Signatur zu »Hans Holbein«,
obwohl ihm durchaus bewußt war, daß die (zudem nur schlecht erhal-
tene) Malerei des »Holbein-Tischs« mit keinem anderen Holbein zuge-
schriebenen Werk vergleichbar ist.

Bis zur Mitte der 1960er Jahre sollte die Autorschaft des jungen Hans
Holbein nicht in Frage gestellt werden. Dank seiner Datierung ins Jahr

51 Hans Herbst, »Holbein-Tisch«, Signatur-Detail, Zürich, Schweizerisches Landesmuseum

1515 galt der Züricher Tisch sogar als dessen früheste erhaltene Arbeit,
die seine Anwesenheit in Basel schon im Frühjahr 1515 belegen konnte.
Diese Annahme geriet erst ins Wanken, als Wüthrich die Inschriften erst-
mals kritisch prüfte. Auf Grund der neuen Lesung der Signatur als »hans
herpst xvc xv« schrieb er die Malerei des Tischblatts nunmehr Holbein
ab und statt dessen Herbst zu (Abb. 51-52).22 In dieser Meinung ist ihm
die überwiegende Mehrzahl der Autoren, die sich nachfolgend mit dem
»Holbein-Tisch« beschäftigt haben, gefolgt - was Herbsts Signatur trägt,
muß auch von Herbst ausgeführt worden sein.23

Doch Wüthrichs Überlegungen in der Zuschreibungsfrage der Tisch-
platte waren deutlich differenzierter, zumindest aber widersprüchlicher,
als die einfache Schlußfolgerung jener Kunsthistoriker, die sich anschlie-
ßend auf ihn bezogen haben.24 So hatte er schon im Jahr 1969
erwogen:

»In Kenntnis dieser Signaturen muss man sich zur Ansicht bequemen,
dass Herbst und nicht Holbein der Maler dieses Kunstwerks war, es sei
denn, dass man sich zur folgenden Interpretation entschliesst, die zwar
möglich, aber nicht wahrscheinlich ist: Der im Frühjahr 1515 17jährige
und soeben aus Augsburg nach Basel gekommene Holbein fand - zusam-
men mit seinem Bruder Ambros - beim Maler Hans Herbst Unterkunft
und Arbeit und musste diesem, vielleicht während seiner Abwesenheit in
Oberitalien [Herbst ging am 10. Mai 1515 mit einem Baseler Truppen-
kontingent nach Italien; JS], die Baersche Tischplatte malen. Er setzt
während der Arbeit zweimal seines Meisters Namen hin, weil er als noch
namenloser Geselle keine Berechtigung zu einer eigenen Signatur hatte.
Wenn dem so wäre, so müsste die Arbeit einigermassen in der Manier des
Meisters ausgeführt worden sein. Eine sehr enge Artverwandtschaft zwi-
schen Meister und Geselle scheint aber nicht bestanden zu haben.«25

52 Hans Herbst, »Holbein-Tisch«, Signatur-Detail, Zürich, Schweizerisches Landesmuseum

Holbein und die Baseler Malerei der Vorreformationszeit 85
 
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