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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0197

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mit Antwerpen, dem großen nordwesteuropäischen Produktions- und
Umschlagsort für Kunst jener Zeit.1-1

Unter der Bezeichnung »1520s Hours Workshop« hat Myra Orth
bereits im lahre 1976 eine Gruppe von franko-flämischen Künstlern
zusammengefaßt, die in einem engen Werkstattverbund für den franzö-
sischen Hof und unterschiedliche Kundenkreise in Paris von den 1520er
bis in die späten 1540er Jahre tätig waren.14 Orth wählte den Notnamen
»1520s Hours Workshop«, weil sie diese Künstlergruppe zunächst in
einer Reihe von illuminierten Handschriften, darunter vor allem Stun-
denbücher, fassen konnte. Inzwischen ist freilich deutlich geworden, daß
diese Werkstatt auch Entwürfe für zahlreiche andere Gattungen, von der
monumentalen Glasmalerei bis zum Buchdruck, geliefert hat. Vor allem
konnten Orth und anschließend auch Guy-Michel Leproux zeigen, daß
die Künstler, von denen zumindest einige niederländischer Herkunft
gewesen sein müssen, in andauerndem Kontakt mit den sogenannten
»Antwerpener Manieristen« standen,15 ferner daß der künstlerische Aus-
tausch langfristig in beide Richtungen ging. Durch den regen Antwerpe-
ner Kunstmarkt erlangten die Künstler des »1520s Hours Workshop«
zugleich rasch Kenntnis von den Entwicklungen andernorts. So über-
rascht es nicht, daß beispielsweise auch Dürer-Druckgraphik zu ihren
gern benutzen Vorlagen gehörte.16 Wie nun Buck nachweisen konnte,
gehörte die Druckgraphik Hans Holbeins d. J. gleichfalls zu dem von die-
ser franko-flämischen Werkstatt herangezogenen Vorlagenmaterial. Die
September-Miniatur in einem Stundenbuch in der Bibliotheque Natio-
nale in Paris, Smith-Lesouef Ms. 42, fol.13 {Abb. 134), das um 1526/28

Her Acfcrww».

136 Hans Holbein d.J., »Der Ackerman« aus der Folge der sogenannten Probe-
drucke der »Bilder des Todes«, Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett

datiert werden kann,1' kopiert beispielsweise Holbeins »Ackermann« aus
den vermutlich bald nach der Rückkehr aus Frankreich 1524 entstande-
nen »Bildern des Todes« (Abb. 136).18 Da der für den größten Teil der
Holzschnitte verantwortliche Holzschneider Hans Lützelburger schon
im Jahre 1526 starb, die gesamte Serie aber erst 1538 von den Brüdern
Trechsel in Lyon publiziert wurde, müssen Probedrucke einzelner Holz-
schnitte bereits früh sogar in Frankreich bekannt gewesen sein.19 Tat-
sächlich wurde Holbeins »Ackermann« für die Buchmaler des »1520s
Hours Workshop« geradezu zur Standardvorlage, wenn sie die Kalender-
bilder für die Monate September bzw. Oktober gestalten sollten.20

Stephanie Buck machte indes auch auf den problematischen Fall eines
Stundenbuchs in der Walters Art Gallery in Baltimore, Ms. 449, auf-
merksam, das schon 152421 im Auftrag des Jean de Mauleon, Bischof von
Saint Bernard de Comminges, geschrieben und illuminiert worden war.
Die September-Miniatur auf fol.lOv (Abb. 135) entspricht weitestge-
hend, wenn auch seitenverkehrt, dem »Ackermann« aus Holbeins Todes-
bildern. Sie wirft damit die Frage nach der zeitlichen wie der künstleri-
schen Priorität auf.22 Buck versuchte, sie in diesem Fall zugunsten des
anonymen franko-flämischen Buchmalers zu entscheiden, und demon-
strierte zu diesem Zweck, wie stark der Illuminator mit der Tradition der
französischen Kalender-Illustration vertraut war. Doch Buck konnte
noch ein weiteres Argument für Holbeins Kenntnis der im Stundenbuch
des lean de Mauleon verwendeten Vorlagen beibringen, folgt doch der
die Laute spielende Geliebte der »Nonne« (Abb. 137)23 fast bis ins letzte
Detail der entsprechenden Figur in der Mai-Miniatur auf fol.öv

x>y,mnne*

137 Hans Holbein d.J., »Die Nunne« aus der Folge der sogenannten Probedrucke der »Bilder
des Todes«, Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett

Die Reise nach Frankreich 1523/24. Der Kontakt mit dem »1520s Hours Workshop« und mit Werken des Andrea Solario 193
 
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