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Schauerte, Thomas; Dürer, Albrecht; Altdorfer, Albrecht; Dürer, Albrecht [Contr.]; Altdorfer, Albrecht [Contr.]; Maximilian [Honoree]
Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.: Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers — München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.62901#0047

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Herleitungsprobleme: Der Innsbrucker Wappenturm

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entspricht auch die Gruppierung des Stammbau-
mes mit den zwei flankierenden Wappensuiten in
ihrer jeweiligen Breite der zweifachen Brechung
von Portal und Freigeschoß.

Es liegt also geradezu zwingend der Schluß
nahe, der Mittelturm habe sich im Entwurf Köl-
derers ursprünglich in seiner gesamten Höhe über
oktogonalem Grundriss erhoben (Abb. 8)62.

Die Wappen

Bereits bei der Betrachtung der Schachbrettfliesen
im Hauptportal fallen Unregelmäßigkeiten ins
Auge. Sie beruhen auf dem Umstand, daß nach-
träglich genau im Bereich der Mittelachse ein etwa
7 cm breites Teilstück eingepaßt wurde, dessen
Kantenverlauf bei genauerem Hinsehen noch
recht gut auszumachen ist. Setzt man diese Kanten
unter Fortlassung der Einfügung versuchsweise
gegeneinander, so erhält man eine bruchlos durch-
gehende Bodenstruktur (Abb. 9). Diese Beobach-
tung beschränkt sich nun nicht auf den schmalen
Innenraumeinblick; vielmehr sind die Kanten der
Einfügung über den gestuften Sockel hinunter bis
zum unteren Bildrand und im Durchblick des
Portales auch auf der rückwärtigen Estrade sowie
in den landschaftlichen Andeutungen auszuma-
chen. Da der Titel des mittleren Tores gesondert
eingedruckt wurde, betrifft ihn diese Einfügung
nicht, so daß auch oberhalb davon die unten be-
obachteten Kantenlinien an einer sehr prominen-
ten Stelle erneut in Erscheinung treten: Sie decken
sich mit den äußeren Konturlinien am Flügelpaar
der »Frau Ehre« und sind auch darüber hinaus
verlängerbar. Dieser Umstand gewinnt dadurch
an Gewicht, daß eine der beiden Vorzeichnungen
Dürers, die zweifelsfrei die Ehrenpforte betreffen
(Abb. 10), ebendiese Einfügung mit kräftiger Be-
tonung der beiden vertikalen Begrenzungslinien
wiedergibt. Daß es sich tatsächlich um eine Einfü-
gung in den bereits vorhandenen Feston handelt,
erweist schließlich auch ein Blick auf dessen Ein-
zelformen: »Frau Ehre« wird von einem Gefäß
hinterfangen, das in zwei Knäufen endet und da-
62 Dies ist auch von einer anderen Argumentation her zu er-
härten (s. u.).
63 Vgl. das Schema Abb. 29.

mit eine merkwürdige, sonst offenbar nirgends in
der Kunst oder als Realie begegnende Doppel-
struktur aufweist. Dies betrifft auch den gefassten
und geschliffenen Stein, der jeweils eine Seite des
Gefäßes bekrönt, und der - nähme man die Dar-
stellung beim Worte - somit zweifach und zudem
mit asymmetrischer Fassung aufträte. Das Unge-
reimte dieser Formen löst sich nun ganz zwanglos
auf, wenn man sich die eingefügte »Frau Ehre«
fortdenkt (Abb. 9): Das gebuckelte Gefäß endet in
nur einem Knauf und wird von dem gefassten und
geschliffenen Stein bekrönt; beides weist nun als
Bestandteil des Dekors keine Besonderheiten
mehr auf.
Darüber hinaus wird nebenbei durch das Fort-
lassen der »Frau Ehre« aus dem rundbogigen Mit-
teltor ein Spitzbogenportal - das nun formal auch
mit den beiden unmittelbar anstoßenden Zugän-
gen des Portalvorbaues korrespondiert. Denn ob-
wohl hier infolge der starken perspektivischen
Verkürzung die Bogenform kaum zu ermitteln ist,
zeigt sich doch bei genauem Hinsehen, daß die
Rebstäbe, die den Bogenverlauf begleiten, im
Scheitel durchsteckt sind, was nur bei einem
Spitzbogen denkbar ist.
Letzte Gewissheit für die Tatsache einer nach-
träglichen Einfügung bietet darüber hinaus auch
der komplett erhaltene Bestand der Druckstöcke
für die Portalpartie63: Sowohl an Stock Nr. 28 und
22 wie auch an Stock Nr. 12 wurden Anstückun-
gen in der entsprechenden Breite vorgenommen64,
womit nur hier die ansonsten nahezu vollkom-
mene Symmetrie der Druckstöcke durchbrochen
M An Stock Nr. 12 hat sich die Verleimung (12a) gelöst, was
den Sachverhalt besonders evident macht.
 
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