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DER MALER MALT KUNSTPROBLEME

Formen sind starke Äußerungen starken Lebens.
August Macke.
Der Maler malt Kunstprobleme.
Im Künstler heutiger Zeit ist vielleicht die künstlerische Sensibilität
größer denn je, aber sie wird falsch verausgabt. Künstlerische Problem-
stellung ist Endziel, Selbstzweck des Kunstschaffens geworden. Gewiß,
künstlerische Problemstellung ist unerläßlich, war auch in früheren Zeiten
eine der Sorgen des Schaffenden: Lionardo, Dürer, Hebbel. Aber diese
Meditationen waren nur ein Teil der Mühungen, gehörten wie die Experi-
mentalversuche des wissenschaftlichen Forschers zu den Voraussetzun-
gen, waren (wie diese Experimentalversuche Laboratoriumsarbeit sind)
interne Atelierangelegenheit. Was die Öffentlichkeit anging, was ihr vor
das Auge gebracht wurde, waren die Resultate: nicht neue Kunsttechnik,
sondern Kunstwerke, in denen diese neuen Problemstellungen aufgeboten
waren, um ein eigenes, menschliches und geistiges Erlebnis prägnanter
zur Anschauung zu bringen. Als Maler muß man bekanntlich auch etwas
von Farbchemie wissen; aber ist deshalb einer schon guter Maler, weil
er erfahrener Farbchemiker ist; ist das: Kenntnis, auch gründlichste
Kenntnis der Farblehre schon Malerei? Darüber dürfte wohl Einhelligkeit
herrschen; aber ist es schon Kunst, wenn man, wie es eben geschieht, sich
an Kunstproblemen abmüht? Es wird meditiert über Gestaltungsprobleme:
Simultanität, Abstraktion, Deformation, Farbklänge, Raumkonstruktionen,
Naturalistik. Kunstschaffen geschieht nicht als Wirkung ins Leben hinein,
sondern als Weiter treiben der künstlerischen Problemstellung. Die artisti-
schen Mittel werden gesteigert, nicht das Ziel. Etwa in der Dichtung; in
einem dieser Dramen wird der Dialog so geführt: Kein Besitz mehr? —
Gemeinschaft! — Keine Kriege? — Frieden — Die Zukunft! — Aktien —
Die Menschen? Sklaven -Es wird nicht eigentlich gestaltet, nicht
seelisch gestuft, Idee wird nicht Blut, Fleisch, lebendige Überzeugungs-
kraft. Es bleibt bei der leeren Abstraktion. Diese Interjektionen: „Gemein-
schaft, Frieden, Die Menschen“ — Kerr hat das einmal „Taubslummen-
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