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RUDOLF BELLING

Für Toni Freeden
Die Scala, das 1920, im zweiten Revolutionsjahr in Berlin eröffnete
Tanzkasino ist nicht das Volkshaus, das in den Manifesten und Papier-Ex-
hibitionen der jungen Architektur-Ideologen uns verheißen ist. Man kann
darüber moralisieren, daß eine Zeit, die in dem Wahn lebt, eine Revolution
hinter sich zu haben, nicht die Kraft aufzubringen vermag, sich mit großen
Mitteln und in großem Sinne architektonisch zu manifestieren, daß sie
als Bauaufgabe neben vereinzelten, allzu vereinzelten Siedlungsanlagen
höchstens noch die Kriegsgewinner-Villa hat; was nicht zu hindern
braucht, es als Gewinn anzusehen, daß dem jungen Architekturwollen,
das über literarisches Gequatsche und zeichnerische Unverantwortlich-
keit hinaus will, eine auch noch so wenig programmgemäße Gelegenheit
zum wirklichen Bauen, zum tatsächlichen Raumgestalten geboten wurde.
Das Scala-Kasino ist ein erster Auftakt, eine allererste Verwirklichung, die
eine ernsthafte Auseinandersetzung ermöglicht. Es ist vielleicht zu
nehmen wie der Haby-Salon van de Veldes, der wichtig war durch das,
was er einleitete, von dem aus weitergekämpft und weitergebaut werden
konnte ....
Vorauszuschicken ist, daß diese Innenarchitektur zu gestalten war in
einem vorhandenen Bau von bekannter Unzulänglichkeit. Mit mancher-
lei Behelfsmitteln der ersten Nachkriegszeit, mit Rabitzeinbauten usw.
war eine gegebene Unarchitektur zu überwinden. Die Anlage: zwei Raum-
kompartimente, rechts ein Weinrestaurant, links ein Tanzkasino, ist ent-
standen durch Zusammenarbeit des Architekten Walter Würzbach und
des Bildhauers Rudolf Belling.
Das Besondere dieser Innenarchitektur ist nicht zu suchen in den
zackig strahlenden Kristalloktaedern oder den scharfkantigen Pfeiler-
profilen, die die Liebhaber des Schlagworts nicht verfehlen werden als
Anzeichen sogenannter „expressionistischer Architektur“ zu buchen. Es
geht hier nicht um die Allüre des dekorativen Beiwerks; das entscheidend
Neue, was wichtiger ist: das künstlerisch Klingende ist die Raumgestal-
tung, die die Dynamik dieser Formen zwangsläufig und organisch aus
sich heraus entwickelt.
Es ist wesentlich, daß hier wieder einmal wie in guten allen Archi-
tekturzeiten nicht mehr der Architekt für sich und ein ornamental
drapierender Bildhauer für sich auftreten, daß nicht mehr einmal der

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