Saranieff: Simba — du bist eine geborene Dirne!
Simba: Was bin i?
Saranieff: Du bist eine geborene Dirne.
Simba: Sagst das noch amal?
Saranieff: Du bist eine geborene Dirne.
Simba: Nein, ich bin keine geborene Dirne,
Ich bin eine geborene Wolkenhuber
Wedekind
Hinter dem Flittchen die geborene Wolkenhuber zu ent-
masken, das war ein Sport, wenn ihr wollt, es war die Sher-
lock-Holmes-Findigkeit Rudolf Wilkes. Daran hat er seine
gehabt, und daß er auch den anderen Freude ge-
macht hat, dürfte noch nicht ganz vergessen sein,
obzwar man ihn schon mehr vergessen hat als etwa
die Häuptlinge der Münchener Sezession, die zu-
meist doch langweilige Patrone gewesen. Alter
Menschenpraktiker, der er war, nahm er die Leut-
chen, wie sie zu nehmen sind. Als Marken, als Num-
mern, wie der Berliner so richtig sagt. Mit der mo-
ralischen Forderung spielt man auf der Bühne, aber
das Leben ist ein Theater für sich. Die eine ist nun
mal geborene Wolkenhuber „mit allen Tugenden
einer solchen“ (wie es im Klassenaufsatz hieß); der andere ist aus-
schweifend auf seine Art, indem er Untertanenverstand und Haby-
bart durch die Welt trägt. Es gibt die tragischen Schlemihle, die
Othellos, und gibt jenen durch Wilke in die Weltliteratur eingeführten
Steuermann, der mit dem Kapitän vor einer verriegelten Kabinentür sich
so höllisch erlustiert, dieweil jener gerade im Begriffe steht, einen
ahnungslosen Ehemann mit Geweih auszustatten und der von so ge-
sunder Konstitution ist, nicht zu merken, daß es sein eigener Dickschädel
ist, an dem etwas zu sprießen begonnen hat, was nicht gerade von Pappe
zu sein pflegt. Da ist halt nix zu machen, die Menschen sind eben Viecher,
Viecher mit einem Einglas und Viecher mit der Ehrpusseligkeit einer
Charcutiersgattin. Der Strolch auf der Landstraße fühlt sich der Laus in
seinem zerschlissenen Pelz näher verbunden als dem Assessor auf dem
Bezirksamt, und vielleicht hat er damit nicht einmal unrecht. Stuben-
hockende Tintenkleckser haben Unterschiede ausgetüftelt zwischen
höheren und niederen Tieren; ein erfahrener Tiergartenwärter weiß, daß
Rudolf Wilke:
Sitzender Strolch
151
Simba: Was bin i?
Saranieff: Du bist eine geborene Dirne.
Simba: Sagst das noch amal?
Saranieff: Du bist eine geborene Dirne.
Simba: Nein, ich bin keine geborene Dirne,
Ich bin eine geborene Wolkenhuber
Wedekind
Hinter dem Flittchen die geborene Wolkenhuber zu ent-
masken, das war ein Sport, wenn ihr wollt, es war die Sher-
lock-Holmes-Findigkeit Rudolf Wilkes. Daran hat er seine
gehabt, und daß er auch den anderen Freude ge-
macht hat, dürfte noch nicht ganz vergessen sein,
obzwar man ihn schon mehr vergessen hat als etwa
die Häuptlinge der Münchener Sezession, die zu-
meist doch langweilige Patrone gewesen. Alter
Menschenpraktiker, der er war, nahm er die Leut-
chen, wie sie zu nehmen sind. Als Marken, als Num-
mern, wie der Berliner so richtig sagt. Mit der mo-
ralischen Forderung spielt man auf der Bühne, aber
das Leben ist ein Theater für sich. Die eine ist nun
mal geborene Wolkenhuber „mit allen Tugenden
einer solchen“ (wie es im Klassenaufsatz hieß); der andere ist aus-
schweifend auf seine Art, indem er Untertanenverstand und Haby-
bart durch die Welt trägt. Es gibt die tragischen Schlemihle, die
Othellos, und gibt jenen durch Wilke in die Weltliteratur eingeführten
Steuermann, der mit dem Kapitän vor einer verriegelten Kabinentür sich
so höllisch erlustiert, dieweil jener gerade im Begriffe steht, einen
ahnungslosen Ehemann mit Geweih auszustatten und der von so ge-
sunder Konstitution ist, nicht zu merken, daß es sein eigener Dickschädel
ist, an dem etwas zu sprießen begonnen hat, was nicht gerade von Pappe
zu sein pflegt. Da ist halt nix zu machen, die Menschen sind eben Viecher,
Viecher mit einem Einglas und Viecher mit der Ehrpusseligkeit einer
Charcutiersgattin. Der Strolch auf der Landstraße fühlt sich der Laus in
seinem zerschlissenen Pelz näher verbunden als dem Assessor auf dem
Bezirksamt, und vielleicht hat er damit nicht einmal unrecht. Stuben-
hockende Tintenkleckser haben Unterschiede ausgetüftelt zwischen
höheren und niederen Tieren; ein erfahrener Tiergartenwärter weiß, daß
Rudolf Wilke:
Sitzender Strolch
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