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Ludwig Meidner: Moses vor Goll. Karton
L UDWIG MEIDNER
ZEICHNER, MALER, SCHRIFTSTELLER
Wenn man zu Meidner ins Atelier kommt, wird man gezeichnet.
Meidner läßt sich keinen entgehen. Schauspieler, Musiker, Dichter,,
Bankiers, Kommunisten, der Portier, der Kunsthändler, ah und an auch
eine Frau, bekannte und unbekannte, bedeutende und unbedeutende
Menschen, jeder Kopf erscheint ihm eigen, neu, interessant und dar-
stellenswert. Seine Mappen, sofern es nicht gerade die mit seinen reli-
giösen Kompositionen sind, muten an wie ein Herbarium der Menschheit
dieser Zeit. Überschrift: Zeitgenossen. Wie die leichte Welt des second
empire durch Gavarni lebt, so wird man vielleicht einmal die auf-,
gepeitschte, innerlich zerklüftete, von Daseinsnot und Zukunftssehnsucht
durchwühlte Menschheit dieser Tage durch das AugeMeidners sehen, das
Auge, das nicht eingestellt ist wie das des Wissenschaftlers über dem
Mikroskop, der objektiv, überlegen und unbeteiligt feststellt, was vor der
Linse sich begibt. Dieser Meidner ist selbst hingegeben an die Zeit, mit-
gerissen von ihren Ideen, mitblutend in ihren Niederlagen. Und so er ihr
zu entgehen trachtet, ist es ein Flüchten zu Golt . . .
Meidner ist einer von jenen jungdeutschen Ekstatikern, die die

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