Religiöse Ergriffenheit ist in der Zeit; aber sofort ist auch die Mode
der Religiosität da. Vielleicht kann sich das nirgends so deutlich offen-
baren wie in der Kunst, die ja, getreuer Seismograph, alle Zickzack-
Sprünge der geistigen Bewegung aufzuzeigen pflegt. Kaum wird das Wort
Religiosität vor heutigen Künstlerohren ausgesprochen, so hebt in den
Malerateliers ein Wälzen der Bibeln an. Da ist das Motiv für die großen
Formate, die die Zeit anscheinend begehrt. Wie man eine Weile, als Ce-
zanne die Entdeckung war, badende Weiber und Äpfeistilleben für das
einzig Mögliche hielt, so geht es jetzt um Passion und Apokalypse . . . So-
fort — es macht sich ja alles so fix heutigen Tages — sind die gemalten
Bibelzitate eine „neue Bewegung“, die ihre Heroen und ihre Helden-
geschichte haben muß. Der Held dieser neuen Bewegung, wenigstens
sucht das eine so skurrile Schrift wie das Buch von Max Fischer: „Josef
Eberz und der neue Weg zur religiösen Malerei“, glauben zu machen, ist
Josef Eberz. Soi-disant-Held. Fast möchte man sagen, es sei ein Nessus-
hemd, was da ein Freund dem Freunde gewebt hat.
Im Grunde nämlich verfährt dieses Buch recht inhuman gegen den
Künstler, und es wäre angebracht, darob einiges Bedauern mit ihm zu
haben. Ein Talent von dem bescheidenen Ausmaß dieses Eberz wird er-
drückt unter dem gewaltigen Anspruch, als ein Erneuerer religiöser
Monumentahnalerei genommen zu werden. Eberz ist nicht besser und
nicht schlechter als ein Dutzend andere, die jetzt Bilder machen. Er ist
ein junger, recht geschickter, nicht einmal unbegabter Maler, ein dekora-
tives Talent, dem man beim besten Willen nicht gram sein kann, das aber
auch niemals etwas Großes oder besonders Eigenes zu geben hat. Er
tuscht sehr hübsch das bunte Farbspiel eines Blumengartens zusammen,
impressionabel nutzt er mit sicherem Blick für das Tektonische die wirk-
samen Vertikalen eines Baugerüstes (Abb. S. 82). Es gibt von ihm einen
Harlekin: ein Blau, ein Tupfen Grün stehen da recht apart auf einem
Blaugrau. Das, solch harmlos gefällige Dekoration, ist Eberz. Er ist es
auch, wenn er statt des Harlekins eine biblische Komposition koloriert.
Ein Grün klirrt in ein Braun oder ein Rot hinein, und das heißt dann
„Grablegung“, „Kreuzabnahme“, „Madonna“ oder so ähnlich. Eine Kunst,
die so ganz und gar Oberfläche ist und auch nur sensuell in der Wirkung
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der Religiosität da. Vielleicht kann sich das nirgends so deutlich offen-
baren wie in der Kunst, die ja, getreuer Seismograph, alle Zickzack-
Sprünge der geistigen Bewegung aufzuzeigen pflegt. Kaum wird das Wort
Religiosität vor heutigen Künstlerohren ausgesprochen, so hebt in den
Malerateliers ein Wälzen der Bibeln an. Da ist das Motiv für die großen
Formate, die die Zeit anscheinend begehrt. Wie man eine Weile, als Ce-
zanne die Entdeckung war, badende Weiber und Äpfeistilleben für das
einzig Mögliche hielt, so geht es jetzt um Passion und Apokalypse . . . So-
fort — es macht sich ja alles so fix heutigen Tages — sind die gemalten
Bibelzitate eine „neue Bewegung“, die ihre Heroen und ihre Helden-
geschichte haben muß. Der Held dieser neuen Bewegung, wenigstens
sucht das eine so skurrile Schrift wie das Buch von Max Fischer: „Josef
Eberz und der neue Weg zur religiösen Malerei“, glauben zu machen, ist
Josef Eberz. Soi-disant-Held. Fast möchte man sagen, es sei ein Nessus-
hemd, was da ein Freund dem Freunde gewebt hat.
Im Grunde nämlich verfährt dieses Buch recht inhuman gegen den
Künstler, und es wäre angebracht, darob einiges Bedauern mit ihm zu
haben. Ein Talent von dem bescheidenen Ausmaß dieses Eberz wird er-
drückt unter dem gewaltigen Anspruch, als ein Erneuerer religiöser
Monumentahnalerei genommen zu werden. Eberz ist nicht besser und
nicht schlechter als ein Dutzend andere, die jetzt Bilder machen. Er ist
ein junger, recht geschickter, nicht einmal unbegabter Maler, ein dekora-
tives Talent, dem man beim besten Willen nicht gram sein kann, das aber
auch niemals etwas Großes oder besonders Eigenes zu geben hat. Er
tuscht sehr hübsch das bunte Farbspiel eines Blumengartens zusammen,
impressionabel nutzt er mit sicherem Blick für das Tektonische die wirk-
samen Vertikalen eines Baugerüstes (Abb. S. 82). Es gibt von ihm einen
Harlekin: ein Blau, ein Tupfen Grün stehen da recht apart auf einem
Blaugrau. Das, solch harmlos gefällige Dekoration, ist Eberz. Er ist es
auch, wenn er statt des Harlekins eine biblische Komposition koloriert.
Ein Grün klirrt in ein Braun oder ein Rot hinein, und das heißt dann
„Grablegung“, „Kreuzabnahme“, „Madonna“ oder so ähnlich. Eine Kunst,
die so ganz und gar Oberfläche ist und auch nur sensuell in der Wirkung
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