Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER KUNST BETRIEB

Der Erfolg ist eine Folge und darf nicht ein Zweck sein.
Flauheit.
In der Guten allen Zeit ging es der Kunst schlecht, weil der Schaffende
verblutete an der Teilnahmlosigkeit des zeitgenössischen Publikums. Ehe
eine Beziehung zu seinem Werk sich ergab, war er tot oder — seltener
Glücksfall — alt, schaffensmüde. In der Eiseskälte solcher Vereinsamung
ist manches Talent zu Grunde gegangen. Bis auf van Gogh sind fast alle
Künstlerbiographien der hinter uns liegenden Jahrzehnte voll von Klagen
darüber, und kaum eine unterläßt es, vorzurechnen, welche Möglich-
keiten verschüttet worden sind, weil im entscheidenden Moment die An-
teilnahme einer irgendwie gearteten Öffentlichkeit gefehlt habe. In der
schlimmen, neuen Zeit geht es der Kunst schlechter, weil eine noch ver-
ständnislosere Öffentlichkeit sich hergestürzt hat über die Kunst und
namentlich über die sogenannte „junge Kunst“ als etwas, womit sich
money oder Sensation oder beides zugleich machen läßt. Der Betrieb hat
sich der Kunst, der Bilder, der Dichtung, der Dramatik bemächtigt. Der
Betrieb, der sich sehr vornehm dünkt, weil er sich in „Kultur“ zu be-
tätigen vermeint, mußte zunächst einmal, um mit einer so seltsamen Sache
wie Kunst überhaupt etwas anfangen zu können, sie organisieren. Und
nun ergeht es der Kunst wie allem, was bei uns in den letzten Jahren or-
ganisiert worden ist: sie droht aufgefressen zu werden von der Über-
Organisation.
Zeiten, die zwei oder drei große Künstler hervorbrachten, gelten mit
Recht als die großen Kunstepochen. Das Genie ist der unerhörte Aus-
nahmefall; unmöglich, sich vorzustellen, daß es heute auf einmal als
Dutzendware vorkommen sollte. Ich glaube nicht, daß das Schaffen
unserer Zeit allzu schlecht vor der Zukunft bestehen wird. Ich sehe zwar
keinen großen Dramatiker und außer Hamsun keinen Epiker, aber
immerhin ein oder zwei Dichter, sehe einen Architekten, sehe auch ein
paar wenige Maler und Bildhauer, die wie Vermeer oder Donatello auch
späteren Generationen noch etwas wert sein dürften. Aber was will der
Betrieb mit diesen paar entscheidenden Menschen anfangen? Er kann ihre
Werke durch alle Ausstellungen schleifen, kann das, was sie produzieren,
im Handumdrehen an mehr oder minder verständnisvolle Käufer ab-

26
 
Annotationen