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Von Thoma gibt es ein Bild: „Sommerglück“. Ein liebliches Tal, ein
Stück südwestdeutsche Landschaft liegt vor einem aufgeschlagen wie die
Seite einer schönen alten Hauspostille. Der Fluß als silbernes Band schlän-
gelt durch sanft abfallende Hügel, zerteilt sich in zwei Arme, die eine kleine
Insel umspülen. Die Sonne strahlt hinter einer Girlande von Lämmer-
wölkchen. Bäume und Sträucher stehen im Saft, die Wiese grünt und
blüht; man meint fast das Summen der Hummeln zu hören, meint den
würzigen Ruch von frischem Heu zu verspüren. Gottesfriede liegt über
dem Land . . . Im Gras auf der kleinen Anhöhe, von der aus man den
schönsten Blick in das schöne Tal hinein hat, ruht ein Mann: der Malers-
mann, neben ihm sitzt die Frau, einen eben gepflückten Strauß Feld-
blumen in der Hand. Er hat den einen Arm ausgestreckt, weist in die
Landschaft hinein, zeigt der Lebenskameradin, was es an Schönheit in
diesem schönen Erdenwinkel zu genießen gibt. So ist alle Malerei bei
Thoma. Über das Schauen beglückt, beseligt in der Stimmung der Stunde,
zeigt der Maler den anderen: den Mitmenschen, was er gesehen und er-
lebt. Orbis pictus, Welt in Bildern, wieder einmal hat einer den Leuten
die Augen aufgetan . . .
Hat sie nicht heute schon etwas Legendarisches, diese Malerexistenz!
Thoma, das könnte ein Kapitel sein aus einem der geruhsamen alten Ge-
schichtenbücher, wie man sie, in einen Großvaterstuhl gelehnt, beim
milden Schein einer Petroleumlampe lesen möchte, wenn es draußen
schneit und in der Röhre die Äpfel bruzzeln. Einer, der mit dem lieben
Herrgott noch auf du und du zu stehen scheint. Es ist so, als ob der Maler
mit jedem Bild ihm versichern wollte, was er sich selbst dereinst in den
ßagen der Schöpfung bestätigt hatte, da er feststellte, daß alles so, wie
seine Weisheit es eingerichtet hatte, gut war.
Einer, der in seinen Erinnerungen von dem Menschenalter, das er in
Frankfurt verbrachte, schreiben konnte: „In Frankfurt war die Zeit des
Kampfes, der Sturm und Drang, in dem ich die Jahre her lebte, abge-
schlossen, es war Friede, Friede in mir, Friede um mich -— fünfund-
zwanzig glückliche Jahre.“ Welch ein Phänomen von Mensch! Seit Frau
Aja hat es in Frankfurt wohl keinen mehr gegeben, der das von sich hätte

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