ISTIAN ROHLFS
Für Dr. Kaesbach
Christian Rohlfs ist ein deutsches Künstlerschicksal. Das er bis an
die Schwelle des biblischen Alters verkannt worden ist, will noch am
wenigsten besagen. Schlimmer, grauenhaft geradezu sind die Hemmungen
im Schaffen, durch die er lahmgelegt ist, bis in die Tage hinein, in denen
andere ihr Werk schon hinter sich haben.
Rohlfs ist einer deutschen Kunstakademie zugehörig. Das ist die
Tragik seines Werdens. Das kostet ihn zwanzig, dreißig und noch mehr
Jahre, bis er überhaupt einmal an die eigentlichen Schaffensprobleme
herankommt. Zwanzig, dreißig kostbare Jahre, weil man an dieser
Weimarer Akademie nicht die blasse Ahnung hat von dem, was die künst-
lerische Entwicklung der Zeit dem Schaffenden zu bieten, und wesent-
licher noch, was sie von ihm zu fordern hat.
Van Gogh und Rousseau sind in ihrer Art auch Einspänner. Als Auto-
didakten kommen sie zur Kunst, denen allein schon das Handwerkliche,
das fast nicht zu meistern ist, eine gigantische Last ist. Aber wie von selbst
und ohne weiteres sind sie sofort am äußersten Ende des Weges, vor den
entscheidenden, letzten Problemen. Van Gogh mit seinen sechs Schaffens-
jahren hätte überdies auch nicht die Zeit gehabt, bis ins sechzigste und
siebzigste Lebensjahr zu warten.
Rohlfs hätte es eigentlich leichter haben müssen. Er kommt zunft-
mäßig auf regelrechtem Wege zur Malerei. Er geht an eine der Stellen,
die vom Staat aus eingerichtet sind zur Aufzucht des jungen künst-
lerischen Talents. Geht nicht etwa nach einem entlegenen Platz, sagen
wir einmal nach Königsberg, sondern an die Akademie in Weimar, die
sich in den 70er Jahren eines guten Rufes erfreute, und wird dort auch
anscheinend nicht ohne Wohlwollen aufgenommen. Man gibt ihm über
die Lehrzeit hinaus ein Freiatelier und läßt ihn ganze 25 Jahre ruhig ge-
währen. Aber Weimar, das heißt in diesem Falle Ahnungslosigkeit gegen-
über dem, was da draußen in der großen Kunstwelt eigentlich vorgeht,
bedeutet Ausgeschlossensein von den Aufgaben, die der Künstler nun zu
bewältigen hat, ist ein ewiges, nutzloses, sinnloses Sichdrehen im Kreise.
Liebermann, der ein paar Jahre vorher auf kurze Zeit ja auch in Weimar
gewesen, hatte die Möglichkeit, nach Holland und nach Paris zu gelangen;
Rohlfs, der arme Teufel, blieb fest gebannt in dem engen Gesichtskreis der
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Für Dr. Kaesbach
Christian Rohlfs ist ein deutsches Künstlerschicksal. Das er bis an
die Schwelle des biblischen Alters verkannt worden ist, will noch am
wenigsten besagen. Schlimmer, grauenhaft geradezu sind die Hemmungen
im Schaffen, durch die er lahmgelegt ist, bis in die Tage hinein, in denen
andere ihr Werk schon hinter sich haben.
Rohlfs ist einer deutschen Kunstakademie zugehörig. Das ist die
Tragik seines Werdens. Das kostet ihn zwanzig, dreißig und noch mehr
Jahre, bis er überhaupt einmal an die eigentlichen Schaffensprobleme
herankommt. Zwanzig, dreißig kostbare Jahre, weil man an dieser
Weimarer Akademie nicht die blasse Ahnung hat von dem, was die künst-
lerische Entwicklung der Zeit dem Schaffenden zu bieten, und wesent-
licher noch, was sie von ihm zu fordern hat.
Van Gogh und Rousseau sind in ihrer Art auch Einspänner. Als Auto-
didakten kommen sie zur Kunst, denen allein schon das Handwerkliche,
das fast nicht zu meistern ist, eine gigantische Last ist. Aber wie von selbst
und ohne weiteres sind sie sofort am äußersten Ende des Weges, vor den
entscheidenden, letzten Problemen. Van Gogh mit seinen sechs Schaffens-
jahren hätte überdies auch nicht die Zeit gehabt, bis ins sechzigste und
siebzigste Lebensjahr zu warten.
Rohlfs hätte es eigentlich leichter haben müssen. Er kommt zunft-
mäßig auf regelrechtem Wege zur Malerei. Er geht an eine der Stellen,
die vom Staat aus eingerichtet sind zur Aufzucht des jungen künst-
lerischen Talents. Geht nicht etwa nach einem entlegenen Platz, sagen
wir einmal nach Königsberg, sondern an die Akademie in Weimar, die
sich in den 70er Jahren eines guten Rufes erfreute, und wird dort auch
anscheinend nicht ohne Wohlwollen aufgenommen. Man gibt ihm über
die Lehrzeit hinaus ein Freiatelier und läßt ihn ganze 25 Jahre ruhig ge-
währen. Aber Weimar, das heißt in diesem Falle Ahnungslosigkeit gegen-
über dem, was da draußen in der großen Kunstwelt eigentlich vorgeht,
bedeutet Ausgeschlossensein von den Aufgaben, die der Künstler nun zu
bewältigen hat, ist ein ewiges, nutzloses, sinnloses Sichdrehen im Kreise.
Liebermann, der ein paar Jahre vorher auf kurze Zeit ja auch in Weimar
gewesen, hatte die Möglichkeit, nach Holland und nach Paris zu gelangen;
Rohlfs, der arme Teufel, blieb fest gebannt in dem engen Gesichtskreis der
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