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George Grosz: „’s riecht hier nach Pöbel!“ Federzeichnung


DER ZEICHNER GEORGE GROSZ
Das Mittelalter war die eigentliche Zeit der Kunst, weil damals
Glauben und Sein noch eins gewesen. Allerorten kann mans lesen, und
es ist sogar richtig. Ja man könnte sagen, in jedem Künstler, jedem
rechten Künstler stecke noch ein Stück Mittelalter. Noch immer besteht
künstlerisches Sein auf einem Untergrund des Glaubens. Und wenn es
auch nur der Glaube ist an eine Sendung, an ein Auserwählt- und Be-
rufensein. So eigenartig es klingt, ein letztes Rudiment vom Heiligen hat
sich in der Psyche des Künstlers erhalten.
Gott, hat man gesagt, sei so weit existent, als er geglaubt wird. Auch
Kunst ist Fiktion, sofern sie nicht geglaubt wird. Die Masse Mensch hat
keinen Glauben mehr oder nur (wie kürzlich einmal in einer ameri-
kanischen Zeitschrift, im ,,Broom“, dargelegt worden ist) den Glauben
an den „Mystizismus des Geldes“; wie diese neue Gesellschaft keinen
Gott mehr hat, so kann sie keine Kunst mehr haben.
Vielleicht ist der Künstler, wie die Kunstgeschichte ihn glorifiziert,
innerhalb dieser entgötterten Welt wirklich nur noch ein Rudiment. Ich

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