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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0352
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342

BESPRECHUNGEN.

bildet. Doch ist das Meer dieser Erscheinungen noch immer unermeßlich. Ohne
begriffliches Steuer sind wir ihm hilflos preisgegeben.

Ist es noch nötig, sich ausdrücklich gegen den Vorwurf zu verwahren, als sei
damit die exakte Beobachtung abgedankt? Der Begriff ist wahrlich kein Zauberstab,
auf dessen Geheiß sich das einzelne von selber gruppiert und belebt. Das geschicht-
liche Leben in Begriffsdialekt zu transponieren, wäre genau so fruchtlos wie empi-
rischer Pragmatismus. Insbesondere dem Individuellen gegenüber erweisen sich Be-
griffe allein als grobe Werkzeuge. Schärfung, Verfeinerung und Sammlung von Einzel-
beobachtungen bleibt nach wie vor die erste Forderung. Deren wissenschaftliche
Bearbeitung wird aber erst durch begriffliche Mittel möglich. Jeder andere Versuch
rächt sich. Dagegen darf damit gerechnet werden, daß auch die Einzelbeobachtung
von hier aus an Klarheit und Sicherheit gewinnt. Zum Erfassen eines persönlichen
Stils, wonach heute so lebhaft auf allen Seiten gefragt wird, sind begriffliche Defi-
nitionen ein Hilfsmittel erster Ordnung. Einfühlung und Erlebnis werden auf diesem
Wege erst über das Niveau subjektiver Zufälligkeit hinausgehoben, das Besondere
und Einmalige des Werkes und der Entwicklung findet an dem Gesetzmäßigen und
Dauernden erst seinen Maßstab. Denn auch was hier sich lebend entwickelt ist ja
»geprägte Form«.

Für die kunstwissenschaftliche Betrachtungsweise, wie sie auch für die antike
Kunst zu fordern ist, hat es daher gar keinen Wert, Reihen aufzubauen, deren
Anfangs- und Endglieder so verschieden sind, daß sie sich nicht auf denselben ein-
deutigen begrifflichen Nenner bringen lassen. Wenn die klassische Archäologie nur
zögernd diesen der neueren Kunstgeschichtsforschung längst geläufigen Weg ein-
schlägt, so wird das an den besonderen stofflichen Schwierigkeiten liegen, mit denen
sie es zu tun hat. Es sei aber nur an die Forschungen von L. Curtius, an G. Roden-
waldts Reliefbuch, an A. v. Salis' Kunst der Griechen, an B. Schweitzers Untersu-
chungen über den geometrischen Stil, erinnert, um zu zeigen, worauf auch hier die
Entwicklung hinausläuft. In welcher Weise ich mir die Anwendung der kunstwissen-
schaftlichen Methode auf die antike Plastik denke, habe ich oben mehr andeutend
als begründend ausgeführt. Es ist gar kein Zweifel, daß eine allmähliche Durch-
arbeitung des ganzen großen Gebietes in diesem Sinne, die nicht ausbleiben kann,
auch auf das Problem der Parthenonkunst, die hier im Mittelpunkt des Interesses
stand, neues Licht werfen wird.

Es liegt mir daran, zum Schluß noch einmal zu betonen, daß ich im Verkehr
mit diesem Buche es stets dankbar empfunden habe, hier in einer ganz klaren,
reinen geistigen Luft zu atmen. Trotz grundsätzlich verschiedenen Standpunktes und
sachlicher Ablehnung alles Wesentlichen kann ich der feinsinnigen und wahrhaft
großzügigen Darstellung meine lebhaften Sympathien nicht versagen, wie ja auch
die geschmackvolle Ausstattung, die reichen und schönen Bilderbeigaben uneinge-
schränkte Anerkennung verdienen. Möge die Wirkung und der Lohn dieses so
positiv gerichteten Wollens nicht negativ eine allgemeine, fruchtlose Skepsis jeder
stilkritischen Untersuchung gegenüber sein, sondern positiv die Mahnung: wollen
wir weiterkommen, so gilt es jetzt, nach neuen Wegen der Forschung Ausschau zu
halten.

Berlin. Friedrich Matz.

F. Adama von Scheiterna. Die Altnordische Kunst. Mauritius-Verlag. Berlin 1923.
20 Tafeln und 54 Abbildungen im Text.
Nach zwölfjährigen Untersuchungen auf zwei Gebieten, dem der Kunstgeschichte
und der Kunsttheorie, legt der Verfasser eine klar gearbeitete und schöne Synthese
 
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