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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Cassirer, Ernst: Das Symbolproblem und seine Stellung im System der Philosophie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0313

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DAS SYMBOLPROBLEM U. SEINE STELLUNG IM SYSTEM D. PHILOSOPHIE. 301

punkt für das tiefere Verständnis dieses Unterschieds verfehlt. Für uns
jedenfalls steht fest, daß »Sinnliches« und »Sinnhaftes« uns rein phä-
nomenologisch immer nur als ungeschiedene Einheit gegeben sind.
Wir können niemals das Sinnliche als solches, als bloßen »Rohstoff«
der Empfindung, aus dem Ganzen der Sinnverbände überhaupt heraus-
lösen:— wohl aber können wir aufzeigen, wie es sich verschieden ge-
staltet und wie es Verschiedenes »besagt« und meint, je nach der cha-
rakteristischen Sinn-Perspektive, je nach dem Blickpunkt, unter den
es rückt. Die Philosophie darf sich nicht damit begnügen, je einen dieser
Blickpunkte, mag er auch noch so umfassend erscheinen, zu fixieren,
sondern sie muß in einer Synopsis höherer Stufe, sie alle zu um-
spannen und sie in ihrem konstitutiven Prinzip zu verstehen suchen:
denn erst die Totalität dieser Prinzipien macht die objektive Einheit
und die objektive Ganzheit des Geistes aus. Nicht darauf kann das
Absehen einer im strengen Sinne »kritischen« Philosophie gerichtet
sein, den Reichtum und die Fülle, die sich hier in den verschiedenen
Grundrichtungen des Kulturbewußtseins darbieten, schematisch zu
vereinfachen, indem man ihn in eine allgemeine Form zusammenzu-
drängen sucht: wir müssen vielmehr die besondere Weise, in der inner-
halb jedes Gebiets Sinnliches zum Träger von Sinnhaftem wird, in con-
creto zu erfassen und die Grundgesetze, unter denen alle diese ver-
schiedenen Prozesse der Formung stehen, in ihrer Bestimmtheit aufzu-
weisen suchen.

Hier zeigt sich zunächst, daß in jeder einzelnen Formwelt, wie sehr
sie alle sich durch ihr Prinzip und ihre Struktur unterscheiden mögen,
doch eine bestimmte Richtung des Aufbaus, eine Weise des Fort-
gangs von den elementaren Gestalten zu den komplexeren Gestalten
besteht. Versuchen wir die Richtlinien dieses Fortgangs in aller Kürze
— und daher freilich notgedrungen abstrakt und schematisch — zu
bezeichnen, so können wir zunächst gewissermaßen ein allgemeinstes
gedankliches Bezugssystem einführen, relativ zu dem wir die
»Orientierung« jeder einzelnen symbolischen Form beschreiben und
bestimmen wollen. Wie wir die Gestalt einer Raumkurve vollständig
wiedergeben können, indem wir drei auf einander senkrechte Achsen
einführen und die Entfernung eines jeden Punktes der Kurve von diesen
drei Hauptachsen messen — so mag es erlaubt sein, drei verschiedene
Dimensionen der symbolischen Formung von einander zu unter-
scheiden. Die einfachste und die im gewissen Sinne ursprünglichste
und urtümlichste Art dieser Beziehung tritt uns dort entgegen, wo
irgend ein sinnliches Erlebnis sich für uns dadurch mit einem be-
stimmten Sinngehalt erfüllt, daß an ihm ein charakteristischer Aus-
druckswert haftet, mit dem es gleichsam gesättigt erscheint. Schon hier
 
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