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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Schnütgen, Alexander: Altkölnisches Flügelaltärchen mit Throngrüppchen (mit Tafel I)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0012

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Abhandlungen.

Altkölnisches Flügelaltärchen mit

Thongrüppchen
im erzbischöflichen Museum zu Köln.

ftj^V-v9

Mit Lichtdruck (Tafel I).

^

;is kostbares Vermächtnifs aus
dein Kunstnachlafs des un-
vergefslichen Stadtpfarrers
Münzenberger hat das erz-
bischöfliche Diözesari-Mu-
seum in Köln vor Jahres-
frist das hier abgebildete
Triptychon erhalten. Das-
selbe besteht in einem Tan-
nenholzschreinchen, welches
0,78 in hoch, 0,G1 m (mit
aufgeschlagenen Flügelthür-
chen 1,177g»*) breit, 0,16 w
tief und ganz polychromirt ist. Die wohlerhal-
tenen Aufsenseiten der Flügel zeigen auf röth-
lichem Grund einen grofsen vortrefflich gezeich-
neten, fein abschattirten gelblichen Rankenzug,
der dem Raum geschickt angepafst ist, unter
Aussparung der Stellen für die kurzen durch-
brochenen und vergoldeten Eisenbeschläge. —
Die weniger gut erhaltenen und, weil sehr dünn
bemalt, auf der Photographie die Holzmase-
rung in den Vordergrund drängenden Innen-
seiten sind mit einem spätgothischen Stoffmuster
verziert: bräunliche Ranken mit goldgefafsten
schwarzen Granatblümchen, die sich von dem
gelbschraffirten rothen Grunde vornehm abheben.
— Sockel und Bekrönung des Kästchens sind
roth, blau und grün gestrichen und der aus Thon
ganz flach gebildete, fein stilisirte Rankenstab ist
vergoldet und braun lasirt. In derselben Weise
ist der Rundbogenfries behandelt, der das Grüpp-
chen baldachinartig überfängt, für dasselbe ein
das Auge in hohem Maafse befriedigender Ab-
schlufs. Den Hintergrund bildet ein als auf-
gehängter Teppich gedachtes, überaus delikates,
golddurchschossenes Stoffmuster, welches sehr
reich und doch sehr ruhig wirkt, durch die
in den Kreidegrund eingravirten Linien eine
gewisse Textur und dadurch mehr Fülle und
Wärme erhält. Auf diesem anmuthigen Grunde,

der dem Raum eine feierliche und doch behag-
liche Stimmung verleiht, kommen die bemalten
Thonfigürchen in vollendeter Lieblichkeit zur
Geltung. Aus hellrothem Thon hat des Künstlers
Hand sie modellirt und diesem unmittelbaren
Schaffen mag der bezaubernde Wurf und Flufs,
die unvergleichliche Leichtigkeit und Anmuth
dieser herrlichen Figürchen vornehmlich zuzu-
schreiben sein, die gebrannt und mit Kreide
überzogen noch den Reiz fast emailartiger Be-
malung erhielten. Ein feines Golddessin belebt
das röthliche Kleid der Gottesmutter, ein Gold-
saum ihren weifsen blaugefütterten Mantel, und
mit der weifsen Albe des Engels kontrastirt vor-
züglich das braunrothe, schwarz dessinirte Pltt-
viale. Auch das Brustbild von Gott Vater, der
mit seinem vergoldeten Mantel aus blauer Wolke
herausragend, den hl. Geist sendet, sowie die
Kissen, die frei auf der polychromirten Holz-
bank liegen, sind direkt aus Thon gebildet,
ebenso das Erkerschiänkchen, dessen edel stili-
sirtes und scharf geschnittenes Maafswerk der
Vertrautheit des Künstlers auch mit den Archi-
tekturformen das glänzendste Zeugnifs ausstellt.
Das aufgeschlagene Buch auf dem Pulte, Gläs-
chen, Döschen, Wachsstöckchen in dessen Auf-
satz erhöhen noch den Reiz der Innenausstattung.
So vereinigt sich Alles zu einem herrlichen
Kunstwerk, welches an Zartheit der Empfindung,
Feinheit der Ausführung, Erbaulichkeit der Wir-
kung nicht leicht übertroffen werden dürfte, ein
wahres Muster religiöser Plastik, welches unseren
christlichen Künstlern zum Studium nicht an-
gelegentlich genug empfohlen werden kann. Hier
vollkommene Einfachheit und ungeschminkte
Naivität, hier pure Kindlichkeit und lautere An-
dacht, hier nicht die Spur von gesuchter Pose
bezw. akademischem Zwang, und dennoch und
gerade defswegen hohe, vollendete Kunst. —
Gesichtsausdruck, Faltenwurf, Bewegung, weisen
das vorliegende Griippchen der zweiten Hälfte
des XV. Jahrh. und der kölnischen Schule zu.
In dem Kopfe der Gottesmutter wie in der Ge-
wandbehandlung klingt noch die Eigenart Stephan
Lochner's nach und in dem Typus des Engels
vermeinen wir schon Anklänge an den „Meister
des Marienlebens" zu gewahren. Schnutgen.
 
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