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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Stummel, Friedrich: Ueber alte und neue Mosaiktechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0139

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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 7.

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Ueber alte und neue Mosaiktechnik.

pie Tradition der alten Mosaiktechnik
war in Venedig fast ganz erloschen,
als Salviati den Versuch machte,
dieselbe wieder zu beleben. Da er
selbst kein Künstler war, holte er zwei Mosai-
zisten aus der vatikanischen Mosaikfabrik in
Rom nach Venedig herüber und liefs durch
diese beiden ein Atelier einrichten. Er selbst
verstand sowohl in seinem Vaterlande als
aufserhalb desselben weite Kreise für seine
Unternehmung zu interessiren und durch die
ihm zufliefsenden Aufträge wuchs die Zahl der
in seiner Werkstätte beschäftigten Mosaizisten.
Im Jahre 1870 veranlafste der PräfektTorelli,
ein für die musivische Kunst sehr begeisterter
Mann, die italienische Regierung, die Mittel
zu bewilligen, um die Mosaiken des Domes
von Torcello, welche herunterzufallen drohten,
wieder herzustellen. Die Arbeiten wurden be-
gonnen unter der Leitung des Ingenieurs von
St. Marco, Meduna, und die Ausführung wurde
dem Atelier Salviati anvertraut. Es bestand
damals noch eine grofse Unklarheit über die
musivische Kunst und besonders über die Art
und Weise, wie am besten alte Mosaiken wieder
hergestellt werden sollten. Unter den Lehr-
lingen Salviati's befand sich ein junger Mann,
Namens Antonio Gobbo, welcher damals 15 Jahre
alt war und täglich 1 Lira verdiente, jetzt sich
zu einem der besten Mosaizisten Venedigs ent-
wickelt hat und unter anderen Arbeiten die
Entwürfe des Professors L. Seitz für das Grab-
mal Pius IX. in der Basilika St. Lorenzo vor
den Mauern Roms ausführte (vergl. »Zeitschr.
für christl. Kunst« Bd. V, Sp. 71) wie auch den
Fufsboden in der Gnadenkapelle in Kevelaer.
Derselbe erzählte mir über den Verlauf der
Wiederherstellungsarbeiten und über die bei
demselben gemachten Beobachtungen Folgendes.
Für jene Arbeiten in Torcello bestimmte
Salviati zwei Mosaizisten aus Venedig und auch
der junge Antonio Gobbo wurde diesen bei-
geordnet, hülfreiche Hand zu leisten. Da man
die heutige sorgfältige Art der Wiederher-
stellung nicht kannte, durch welche sämmtliche
alte Würfel in ihrer Lage erhalten bleiben, so
ging man in einer so rücksichtslosen Weise bei
diesen Arbeiten vor, dafs man es nur mit Be-
dauern erzählen kann. Die Art wie Salviati
diese alten Mosaiken restaurirte, war folgende:

Man legte Pauspapier auf jene lose haftenden
Stellen und zeichnete den Fugenlauf der ver-
schiedenen Farbenwürfel durch. Dann übertrug
man die umgewendete Zeichnung in der An-
sicht der Rückseite auf kräftiges Papier, zeich-
nete alles sorgfältig nach, hob von den einzelnen
Smaltestiften je einige Farbenproben aus dem
locker gewordenen Mosaik, numerirte die Farben,
wie sie in grofsen Reihen lagen, und begnügte
sich mit dieser Kopie von zweifelhaftem Werthe,
um auf solcher Grundlage das Original ganz
von Neuem im Atelier zu Venedig anzufertigen.
Vorher nahm man aber nach Fertigstellung
jener Zeichnung den Hammer und schlug den
ganzen lose hängenden Theil der alten ehr-
würdigen Mosaik herunter. Die Stücke stürzten
zu Boden und mit dem alten Kalkschutt wurden
auch die alten Smalten zusammen gerafft und
in den nahen Kanal geworfen. So hatte Salviati
verordnet. Nur die interessantesten Köpfe, un-
gefähr zehn an der Zahl, wurden durch die
Mosaizisten aus eigenem Interesse an der alten
Arbeit gerettet. Man beklebte die Fläche, so-
weit sie erhalten werden sollte, zuerst mit
Papier und dann mit Leinen. Nachdem beides
hart getrocknet war, begann man vorsichtig
am Rande die obere Mosaikschicht vom Mörtel
der Wand zu lösen, bis allmählich das ganze
beklebte Stück abgehoben werden konnte. Die
jetzt sichtbare Rückseite der Würfel wurde von
allem Mörtel gereinigt; es blieb aber jeder
Mosaikstift auf seiner Stelle, da er mit der
vorderen Seite fest auf dem Papier aufklebte
Dann bereitete man eine neue Mörtelschicht,
welche durch einen Rahmen von Eisen zu-
sammengehalten wurde und drückte die Mosaik-
stifte in dieselbe ein, indem man auf der auf-
geklebten Leinenfläche leise mit einem hölzernen
Hammer auf ein aufgelegtes gerades Brett
klopfte. Letzteres geschah im Atelier Salviati's
in Venedig, von wo diese geretteten Theile
später in das Museum nach Torcello zurück-
gebracht, während Kopien an die Stelle der
alten Originale an der Wand angebracht wurden.
Vermittelst dieses Beklebens restaurirt man
heute solche Mosaiken, deren loser Zusammen-
hang mit der Wand ein Herunterstürzen be-
fürchten läfst, und bringt das gesammte alte
Material wieder an seine ursprüngliche Stelle.
Welchen Schaden bei dem neuen Legen man
 
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