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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Schlie, Friedrich: Alterthümer aus Kirche und Kloster des hl. Kreuzes zu Rostock, [1]: Drei Altarschreine. Sakramentshäuschen
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Frühgothisches Lectionarium in der St. Nikolaikirche zu Höxter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0123

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185

1805. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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des hölzernen Lettners, welcher Chor und Schiff

trennt, und ist ein Flügelaltar. Wenn er ge-
schlossen ist, zeigen seine Klappen vier auf
Kreidegrund gemalte, leider nicht gut erhaltene
Bilder, je zwei in einer Reihe. Es sind die
Verkündigung des Engels an die hl. Maria (oben |
links), die Anbetung des Kindes durch die
hl. Maria (unten links), die Beschneidung (oben
rechts) und die Anbetung der hl. drei Könige
(unten rechts). Die Hintergründe der Bilder
sind theils mit Architektur, theils mit Land-
schaft gefüllt.

Die Innenseiten der Flügel enthalten spät-
gothisches Schnitzwerk. Wir sehen in zwei
Reihen übereinander die Gestalten der Apostel,
jede unter einem Baldachin stehend. In jedem
Flügel haben ihrer vier Platz gefunden, vier
derselben aber (zwei rechts, zwei links, einer
über dem andern) umgeben das Hauptbild des
Mittelschreins, welches in einer vergoldeten
Strahlenmandorla die Jungfrau mit dem Kinde
zeigt. Sie steht (nach Offenb. Joh. XII, 1) auf
Wolkenbündeln und setzt ihren beschuhten Fufs
auf einen Halbmond, dessen menschliches Ge-
sichtsprofil nach unten gekehrt ist. Um sie
herum sechs Engel, unten zwei, welche den
Saum des Mantels fassen, oben zwei, welche
ihre Krone halten, und auf jeder Seite ein
Engel, welcher musizirt.

In den Zwickeln vier auf die jungfräuliche
Empfängnifs und die Geburt des Heilandes be-
zügliche typologische Szenen: unten links die
Sibylle, welche dem auf einem Lehnstuhl
sitzenden Augustus den Gott zeigt, der von der

Jungfrau geboren werden soll; ebendort rechts
Gideon, wie er vor dem Vliefs kniet (Richter
VI, 39); oben links der feurige Busch, worin
Gott dem Moses erscheint, und vor dem dieser
die Schuhe auszieht (II. Mose III, 2); endlich
ebendort rechts Ezechiel vor der verschlossenen
Pforte (Ezechiel 44).

Das Sakramenthäuschen (vgl. Abb. 3)
steht aus Holz gebildet noch an seiner alten
Stelle links neben dem Hochaltar und gehört zu
denen, welche wie eine hochaufstrebende Mon-
stranz gestaltet sind. Sein sechseckiger Fufs
steht auf einer aufgemauerten Basis und war,
wie kleine Reste zeigen, ehemals mit Maafs-
werk verziert. Unmittelbar darüber waren Figuren
unter Baldachinen angebracht, von denen alles
verschwunden ist. Von den sechs Figuren des
Hauptgeschosses sind noch vier vorhanden, aber
sie sind vom Zahn der Zeit arg mitgenommen;
es sind Gott-Vater, den Sohn am Kreuze vor
sich haltend; man erkennt ferner noch Maria,
die anderen beiden aber sind wegen mangeln-
der Attribute und weil die Namen auf ihren
Nimben unlesbar geworden, nicht näher zu be-
stimmen. Es sind überaus lang gestreckte Ge-
stalten. Den zweiten Theil dieses Geschosses
beleben hohe, schmale, zweitheilige Fenster-
öffnungen, die mit Stichbögen geschlossen sind.
In dem weit zurücktretenden zweiten Geschofs
sieht man zwei Fensterreihen übereinander. Der
aufgesetzte Helm ist geschlossen und nicht
durchbrochen, seine Ecken sind mit Krabben
besetzt, und oben sitzt eine mächtige Kreuzblume.

Schwerin.

Friedrich Schlie.

Frühgothisches Lectionarium in der St. Nikolaikirche zu Höxter.

Mit Abbildung.

nter den verhältnifsmäfsig wenigen

Kunstgegenständen, die sich aus
dem Mittelalter in Corvey und
dessen Gebiet an Ort und Stelle
erhalten haben, nimmt einen hervorragenden
wenn nicht den ersten Platz ein das prächtige
Lectionar, welches sich zur Zeit im Besitz der
Nikolaikirche zu Höxter befindet.

Weiteren Kreisen ist dasselbe bekannt ge-
worden durch die vom Verein für Geschichte
und Alterthumskunde Westfalens zur Feier seines
fünfzigjährigen Bestehens bewirkte Ausstellung
westfälischer Alterfhümer und Kunsterzeugnisse

in Münster im Juni 1879. In dem dazu ge-
hörigen Katalog ist dasselbe bei den Metall-
sachen unter Nr. 809 verzeichnet.

Die Benutzung von Lectionaren oder Evan-
gelistaren (vgl. die Abhandlung von P. St. Beissel
über das Karolingische Evangelienbuch des
Aachener Münsters in dieser Zeitschrift Bd. 1,
Sp. 53 ff.) geht in die ältesten Zeiten der Kirche
zurück. Nach den Berichten mittelalterlicher
Liturgiker, z. B. des Berno von Reichenau
(um 1014), soll das erste dieser Art vom
h. Hieronymus auf Geheifs des Papstes Damasus
angefertigt worden sein, wenigstens ist das ihm
 
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