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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 5.
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Vestigia terrent. Das Nazarenerthum verfügte
gewifs über bedeutende und tief religiöse
Meister; es erfreute sich einer ziemlichen Ge-
schlossenheit der künstlerischen Richtungen und
Ziele; es wurde getragen von der romantischen
Begeisterung der Zeitgenossen. Und doch:
quaeres locum eins et ?w?i invenies. Möchte das
nicht die Inschrift sein, die das kommende Ge-
schlecht unserer kirchlichen Kunst zu setzen hat!
Bonn. Heinrich Schrörs.
Nachrichten.
August Reichensperger j. Der Veteran
unter den Vertretern der christlichen Kunstarchäologie,
weit Über ein halbes Jahrhundert, bis in sein 88. Lebens-
jahr, der bekannteste und feurigste Vorkämpfer für
die mittelalterliche, vielmehr für die gothische Kunst-
weise hat seinen wetterfesten Körper unter das Joch
des Todes beugen müssen (Lli. Juli), und auf sein
frisches Grab legt zu den zahllosen Dankeskränzen
einen ganz besonderen diese Zeitschrift, zu deren
Programm, obwohl er an dessen Aufstellung nicht be-
theiligt war, er mit aller Entschiedenheit sich bekannte
und deren Förderung eine der angelegentlichsten Sorgen
seiner letzten Jahre bildete. Durch seine persönlichen
Beziehungen zu den Kunslromanlikern Frankreichs,
Englands, Belgiens schon in den dreifsiger Jahren
für die christliche Kunst und deren Erneuerung im
Sinne des späteren Mittelalters gewonnen hat Reichen-
sperger diese Fahne mit eiserner Konsequenz, mit
heroischer Begeisterung hochgehallen, sie mit fester
Hand unaufhörlich vorantragend in Schrift und Wort,
im Parlament und in Vereinen, im öffentlichen und im
privaten Leben. In der Verherrlichung der nationalen
Kunst und in der Bekämpfung des Surrogatenthums
gipfelten seine stets von grofsen Gesichtspunkten ge-
tragenen Bestrebungen, die in einer unerschütterlichen
Ueberzeugung ihre Quelle, in ganz bestimmten, prak-
tischen Forderungen ihre Ziele hatten und in geistvollen
Erörterungen ihren Ausdruck fanden. Wie von dem
Kölner Dom und seinem Weiterbau in Deutschland
die romantischen Kunslbestrebungen ihren Ausgang
nahmen, so knüpfte Reichensperger auch an ihn vor-
nehmlich seine Belehrungen, seine Warnungen, seine
Rathschläge von seiner ersten schon 1840 erschienenen
Schrift: „Einige Gedanken über den Dombau zu
Köln" und seinen ersten Artikeln im „Kölner Dom-
blatt" des Jahres 1812 bis zu seinen letzten
Aeufserungen über den neuen Centralbahnhof und
dessen Verhältnifs zum Kölner Dom. Unvergänglich
sind die Verdienste, die er um diesen, seinen Ausbau
und die auf diese Weise verherrlichte Kunstrichtung
sich erworben hat, vor Allem durch die Anregung und
Begeisterung, die er zu wecken und zu verbreiten ver-
stand, wie kein Anderer. Manche Fehde veranlasste er
durch seine rücksichtslose Verwerfung der Renaissance,
aber selbst aus den Kämpfen mit an positiven Kunst-
kenntnissen ihm überlegenen Kritikern ging er, dank
seiner dialektischen Gewandtheit und seinem schlag-
fertigen Humor zumeist unverletzt, nicht selten als Sieger
hervor, auch von seinen Gegnern hochgeachtet wegen
seines liebenswürdigen, echt rheinischen Wesens, welches
in sachliche Differenzen niemals persönliche Motive
hineintrug. So konnte er selbst auf dem kunstarchäo-
logischen Gebiete, auf welchem der Enthusiasmus
derRomantiker allmählich vor dem Ernste der Forschung
in den Hintergrund halte treten müssen, in einzelnen
Kreisen bis an sein Lebensende eine gewisse Führer-
schaft behaupten, auch in dieser Hinsicht eine leere
Stätte zurücklassend. — Mögen die Befürchtungen,
die er wenige Tage vor seinem Tode in klarster
Erkenntnifs und bestimmtester Form über die Zukunft
des kirchlichen Kunstschaffens in Deutschland, nament-
lich über die neuesten Veranstaltungen, es von den
altbewährten Pfaden abzulenken, mir aussprach, sich
nicht verwirklichen! R.I. P. Schnitt gen.
Bücherschau.
Die Verlagshandlung von Benno Goeritz in
Braunschweig hat »Braunschweigs Baudenk-
mäler« Serie I in dritter Auf läge herausgegeben (Preis
10 Mark). Sie bestehen in 40 mit Bezeichnungen ver-
sehenen Lichldruckblältern, welche in gefälliger Mappe
vereinigt, von manchen hervorragenden Monumenten
der an alten Bauten so reichen Stadt vortreffliche Ab-
bildungen bieten. Die kirchliche und profane Archi-
tektur, der romanische, gothische und Renaissancestil,
die Stein- und Holzbauten sind durch herrliche Schöp-
fungen vertreten, so dafs dieser Gang durch die Stadt
sehr lohnend ist.
In demselben Verlage ist »Die Ausmalung der
Stiftskirche zu Königslutter« erschienen (Preis
T>0 Pf), über welche Wiehe auf Grund eigener Mit-
wirkung an derselben berichtet, indem er die Dar-
stellungen auf den einzelnen Wandparthien mit den
sie erläuternden Bibelstellen anführt und über die Ent-
stehung dieser nach Entwürfen von Essenwein aus-
geführlen, einen höchst interessanten Bilderkreis dar-
stellenden Wandgemälde lehrreiche Auskunft gibt. G.
Die im laufenden Jahrgange dieser Zeitschrift Sp. 33
bis 5G erschienene Abhandlung von Ludwig Arntz
„Ueber die Erhaltung u Erweiterung unserer
Landkirchen mit IS Erweiterungsentwürfen''
ist von der Verlagshandlung L. Schwann in Düssel-
dorf als Separatabdruck zum Preise von 1 Mk. aus-
gegeben, in welcher Form sie um so geeigneter er-
scheint, in weiteren Kreisen die Belehrung zu bewirken
und den Nutzen zu schaffen, die nicht dringlich genug
ersehnt werden können.
S c h n ü t g e II.
1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 5.
1C8
Vestigia terrent. Das Nazarenerthum verfügte
gewifs über bedeutende und tief religiöse
Meister; es erfreute sich einer ziemlichen Ge-
schlossenheit der künstlerischen Richtungen und
Ziele; es wurde getragen von der romantischen
Begeisterung der Zeitgenossen. Und doch:
quaeres locum eins et ?w?i invenies. Möchte das
nicht die Inschrift sein, die das kommende Ge-
schlecht unserer kirchlichen Kunst zu setzen hat!
Bonn. Heinrich Schrörs.
Nachrichten.
August Reichensperger j. Der Veteran
unter den Vertretern der christlichen Kunstarchäologie,
weit Über ein halbes Jahrhundert, bis in sein 88. Lebens-
jahr, der bekannteste und feurigste Vorkämpfer für
die mittelalterliche, vielmehr für die gothische Kunst-
weise hat seinen wetterfesten Körper unter das Joch
des Todes beugen müssen (Lli. Juli), und auf sein
frisches Grab legt zu den zahllosen Dankeskränzen
einen ganz besonderen diese Zeitschrift, zu deren
Programm, obwohl er an dessen Aufstellung nicht be-
theiligt war, er mit aller Entschiedenheit sich bekannte
und deren Förderung eine der angelegentlichsten Sorgen
seiner letzten Jahre bildete. Durch seine persönlichen
Beziehungen zu den Kunslromanlikern Frankreichs,
Englands, Belgiens schon in den dreifsiger Jahren
für die christliche Kunst und deren Erneuerung im
Sinne des späteren Mittelalters gewonnen hat Reichen-
sperger diese Fahne mit eiserner Konsequenz, mit
heroischer Begeisterung hochgehallen, sie mit fester
Hand unaufhörlich vorantragend in Schrift und Wort,
im Parlament und in Vereinen, im öffentlichen und im
privaten Leben. In der Verherrlichung der nationalen
Kunst und in der Bekämpfung des Surrogatenthums
gipfelten seine stets von grofsen Gesichtspunkten ge-
tragenen Bestrebungen, die in einer unerschütterlichen
Ueberzeugung ihre Quelle, in ganz bestimmten, prak-
tischen Forderungen ihre Ziele hatten und in geistvollen
Erörterungen ihren Ausdruck fanden. Wie von dem
Kölner Dom und seinem Weiterbau in Deutschland
die romantischen Kunslbestrebungen ihren Ausgang
nahmen, so knüpfte Reichensperger auch an ihn vor-
nehmlich seine Belehrungen, seine Warnungen, seine
Rathschläge von seiner ersten schon 1840 erschienenen
Schrift: „Einige Gedanken über den Dombau zu
Köln" und seinen ersten Artikeln im „Kölner Dom-
blatt" des Jahres 1812 bis zu seinen letzten
Aeufserungen über den neuen Centralbahnhof und
dessen Verhältnifs zum Kölner Dom. Unvergänglich
sind die Verdienste, die er um diesen, seinen Ausbau
und die auf diese Weise verherrlichte Kunstrichtung
sich erworben hat, vor Allem durch die Anregung und
Begeisterung, die er zu wecken und zu verbreiten ver-
stand, wie kein Anderer. Manche Fehde veranlasste er
durch seine rücksichtslose Verwerfung der Renaissance,
aber selbst aus den Kämpfen mit an positiven Kunst-
kenntnissen ihm überlegenen Kritikern ging er, dank
seiner dialektischen Gewandtheit und seinem schlag-
fertigen Humor zumeist unverletzt, nicht selten als Sieger
hervor, auch von seinen Gegnern hochgeachtet wegen
seines liebenswürdigen, echt rheinischen Wesens, welches
in sachliche Differenzen niemals persönliche Motive
hineintrug. So konnte er selbst auf dem kunstarchäo-
logischen Gebiete, auf welchem der Enthusiasmus
derRomantiker allmählich vor dem Ernste der Forschung
in den Hintergrund halte treten müssen, in einzelnen
Kreisen bis an sein Lebensende eine gewisse Führer-
schaft behaupten, auch in dieser Hinsicht eine leere
Stätte zurücklassend. — Mögen die Befürchtungen,
die er wenige Tage vor seinem Tode in klarster
Erkenntnifs und bestimmtester Form über die Zukunft
des kirchlichen Kunstschaffens in Deutschland, nament-
lich über die neuesten Veranstaltungen, es von den
altbewährten Pfaden abzulenken, mir aussprach, sich
nicht verwirklichen! R.I. P. Schnitt gen.
Bücherschau.
Die Verlagshandlung von Benno Goeritz in
Braunschweig hat »Braunschweigs Baudenk-
mäler« Serie I in dritter Auf läge herausgegeben (Preis
10 Mark). Sie bestehen in 40 mit Bezeichnungen ver-
sehenen Lichldruckblältern, welche in gefälliger Mappe
vereinigt, von manchen hervorragenden Monumenten
der an alten Bauten so reichen Stadt vortreffliche Ab-
bildungen bieten. Die kirchliche und profane Archi-
tektur, der romanische, gothische und Renaissancestil,
die Stein- und Holzbauten sind durch herrliche Schöp-
fungen vertreten, so dafs dieser Gang durch die Stadt
sehr lohnend ist.
In demselben Verlage ist »Die Ausmalung der
Stiftskirche zu Königslutter« erschienen (Preis
T>0 Pf), über welche Wiehe auf Grund eigener Mit-
wirkung an derselben berichtet, indem er die Dar-
stellungen auf den einzelnen Wandparthien mit den
sie erläuternden Bibelstellen anführt und über die Ent-
stehung dieser nach Entwürfen von Essenwein aus-
geführlen, einen höchst interessanten Bilderkreis dar-
stellenden Wandgemälde lehrreiche Auskunft gibt. G.
Die im laufenden Jahrgange dieser Zeitschrift Sp. 33
bis 5G erschienene Abhandlung von Ludwig Arntz
„Ueber die Erhaltung u Erweiterung unserer
Landkirchen mit IS Erweiterungsentwürfen''
ist von der Verlagshandlung L. Schwann in Düssel-
dorf als Separatabdruck zum Preise von 1 Mk. aus-
gegeben, in welcher Form sie um so geeigneter er-
scheint, in weiteren Kreisen die Belehrung zu bewirken
und den Nutzen zu schaffen, die nicht dringlich genug
ersehnt werden können.
S c h n ü t g e II.