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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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1895.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

352

Bücherschau.

Strafsburg und seine Bauten. Herausgegeben
vom Architekten, und Ingenieurverein für Elsafs-
Lolhringen. Mit 655 Abbildungen im Text, 11
Tafeln und einem Plan der Stadt Strafsburg. Slrafs-
burg 181)1, Verlag von Karl J. Trübner.
Die gelegentlich der Wanderversammlung deutscher
Architekten in Strafsburg veröffentlichte Festschrift
zeichnet sich vor den vielen bei ähnlichen Veran-
lassungen erschienenen Städlebeschreibungen insofern
besonders aus, als deren Verfasser es sich angelegen
sein liefsen, die gestellte Aufgabe mit aller Gründlich-
keit, unter Benutzung der vielfach ihnen zu Gebote
stehenden Hülfsmittel zu behandeln, und das Verdienst
können sie für sich in Anspruch nehmen, thatsächlich
ein in jeder Beziehung lehrreiches Werk geschaffen
zu haben, welches dem Leser ein vollständiges Bild der
wechselvollen Geschichte sowie der künstlerischen Ent-
wicklung der alten Argentina zu bieten im Stande ist.
Die Abhandlungen über die natürliche Entwicklung
des Landes, im Anschlufs an diejenige des Rhein-
stromgebietes, die Boden-, Grundwasser- und Klima-
verhältnisse der Stadt, bilden den ersten Theil des
Buches; der zweite ist dem „alten Strafsburg" ge-
widmet. Aus der Zeit der Gründung durch die Kelten
und Mediomatiker, aus der Periode römischer und
fränkischer Herrschaft hat sich nur weniges für die
Kunstgeschichte Werthvolles l.inübergerettet. In das
Gebiet der letzteren tritt die Stadt erst mit dem Be-
ginn des XI. Jahrh., dem Zeitpunkte, wo Strafsburg
zum Bischofssitze erhoben wurde. Die Blüthezeit des
romanischen Stiles schuf auch hier namhafte Werke,
so in der Stiftskirche zu St. Stephan und den öst-
lichen, bezüglich der Weiträumigkeit nur durch die
mittelrheinischen Domkirchen zu Mainz und Speyer
Ubertroffenen Theilen des Münsters; indessen müssen
alle diese Bauten zurückstehen gegenüber denjenigen,
die das XIII und XIV. Jahrh. dem alten Bestände
der Münslerkirche zufügte, und als glanzvollste Schöp-
fungen der gothischen Baukunst auf deutschem Boden
mit Recht des höchsten Ruhmes geniefsen: dem Lang-
schiffe, welches den Verhältnissen des romanischen
Baues im Grundrifs und Querschnitt Rechnung tragend
durchweg so harmonisch nach der neuen Bauweise
in Anlehnung an die Architektur der Abteikirche zu
St. Denis ausgestattet ist, dafs das Innere bezüglich
der räumlichen Wirkung seines Gleichen sucht, und
der Hauplfront, jenem stets bewunderten unübertroffenen
Meislerwerke, mit welchem die Namen eines Erwin
und Johannes Hueltz verknüpft sind.

Herr Professor Dr. G. Dehio hat die wechselvolle
Geschichte des Gotteshauses, seine Architektur, Aus-
stattung mit Bildwerken und Glasfenstern in knapper,
jedoch völlig erschöpfender Form behandelt, im Gegen-
satz zu früheren Forschungen der Kunstgelehrten
stellenweise zu ganz neuen Ergebnissen gelangend,
namentlich was das Langschiff anbetrifft, wobei er
auf das hier obwaltende geometrische Prinzip hinweist
und dasselbe in Vergleich zu dem bei den Kathe-
dralen von Amiens, Rheims und Köln in Anwendung
gebrachten stellt. Ganz besondere Beachtung wird
der Geschichte und Struktur der Westfront wie auch

dem bildnerischen Schmuck der Portale gewidmet, zu
deren Erläuterung mehrere Abbildungen alter Entwürfe
und Aufnahmen beigefügt sind, an der Hand deren
die interessante allmähliche Entstehung und Vervoll-
kommnung des Planes erläutert, das wirklich Ausge-
führte in Ansehung der F'ülle seiner Schönheiten, aber
auch vieler Verunstaltungen und des Umfanges der
i geplanten Wiederherstellungsarbeiten einer durchaus
sachlichen Kritik unterworfen wird. Dehio's Abhand-
ung erweist sich sonach als ein ungemein schätzbarer
Beitrag zur Litteratur des Münsters.

Mit dem Beginn des XVI. Jahrh. tritt die Kunst
der Renaissance unter Männern wie Specklin und
Schoch in den Vordergrund, sowohl in der charakte-
ristischen Holzarchiteklur der bürgerlichen Wohnhäuser
als auch in der Anlage palastartiger Gebäude, dem
neuen Bau, der Metzig, dem Spital und F"rauenhaus,
Auch nach der Einnahme Strafsburgs durch die Fran-
zosen (KJ71) entfaltet sich eine rege Bauthätigkeit,
vor allem in der Errichtung des Schlosses, einer weit-
läufigen wohldurchdachten Anlage nach Plänen von
Robert de Cotte, der Präfektur, des Rathhauses und
einer Anzahl kleinerer immerhin beachtenswerther, der
Stadt zur Zierde gereichender Gebäude. Dieselbe
verlor im XVIII. Jahrh. an Bedeutung, und erst nach
ihrer durch schwere Belagerung erstriltenen Einverlei-
bung in das deutsche Reich (1870) erhob sie sich zu
neuem Glänze, wozu Staöterweiterung und eine aus-
gedehnte Bauthätigkeit wesentlich beitrugen. Der
Kaiserpalast, die Kirchenbaulen, die Gebäude für
Zwecke der Universität, Landesverwaltung, Bibliothek
und der Militärbehörden, die Verkehrsanstalten, in-
dustrielle Anlagen und Privatbauten sind im dritten
Theil des Buches eingehend behandelt, dessen Lektüre
als eine besonders anregende, technisch belehrende,
kunstgeschichtlich interessante sich erweist, und somit
allen Verehrern der „wunderschönen Stadt" hiermit
angelegentlichst empfohlen sei. F. C. Heimann.

Der Uebergangsstil im Elsafs. Ein Beitrag zur
Baugeschichte des Mittelalters von Ernst Polaczek.
Mit 6 Lichtdrucktafeln. Slrafsburg 1891, Verlag von
J. H. Ed. Heitz. (Preis 3 Mk.)
Dieses IV. Heft der »Studien zur deutschen Kunst-
geschichte«, die durch junge Strafsburger Gelehrte
gut besorgt werden, liefert in seinem I. Theil eine
klare Beschreibung der hier als charakteristisch in
Frage kommenden Baudenkmäler im über- und Unler-
Elsafs, um im II. Theil auf dieser Grundlage die zu-
sammenfassenden Untersuchungen anzustellen in Bezug
auf Gesammtanlage und Planbildung, inneren Aufbau
und Gewölbebildung. Wandgliederung und Dekoration
des Aufsenbaues, Einzelheiten. Als das Ergebnifs
dieser verständig und gründlich geführten Unter-
suchungen ergibt sich namentlich die Thatsache, dafs
auch im Elsafs der Uebergangsstil echt deutsch und
echt romanisch, dafs also auch selbst hier im Grenz-
bezirk aus dem benachbarten Frankreich der gothische
Stil nicht an die vorhandenen P'ormen im Sinne der
Weiterentwickelung angeknüpft, sondern als fertige
Kunstgattung eingeführt ist. G
 
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