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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 3.
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der nur scheinbar höheren, in Wahrheit recht
tiefen Lebenssphäre der Hysterie und Halluci-
nation, der Hypnose, eines abergläubischen
Spiritismus oder des aufgelegten Aberwitzes
stecken bleibt.
Baldige Resipiscenz wäre auch hier zu
wünschen. Und ein strenges Regiment der
Aesthetik; denn die oben zitirten Zukunfts-
pläne enthalten mehr Tiraden und trunkene
Dithyramben, als ein klares, bestimmtes Zu-
kunftsprogramm. Einstweilen darf man aber
darüber sich freuen, dafs doch auf die Dauer
der ideale Sinn und das feinere Empfinden
durch die Naturwissenschaft und die natur-
wissenschaftliche Malerei nicht geknebelt und
verroht werden konnte. Im Neu-Idealismus
bricht wenigstens die Ahnung einer anderen
höheren Welt wieder durch und die Ahnung,
dafs im Vordringen in diese Welt Ziel und
Zweck und der höchste Triumph der Kunst
beschlossen sei. — (Schlufs folgt.)
Freiburg i. B. PaulKeppler.
Bücherschau.
DieBauthätigkeit und Kunstpflege im Kloster
Wessobrunn und die Wessobrunner Stuk-
katoren. Von Dr. Georg Hager, kgl. Konser-
vator am bayerischen Nationalmuseum. Mit 16 Ab-
bildungen im Text und 9 Tafeln. München 1894,
Druck von C. Wolf & Sohn.
Bei dem grofsen Einflufs, den manche Klöster vom
frühen Mittelalter bis in die neuere Zeit auf die ver-
schiedensten Kunstzweige ausgeübt haben, sei es als
Besteller, sei es als Produzenten, ist die aus den Quellen
geschöpfte und so viel als möglich an den noch vor-
handenen Objekten erläuterte Darstellung dieser Kunst-
pflege eine sehr lohnende Aufgabe, deren Lösung der
ganzen Kunstgeschichte zu Gute kommt. Mancherlei
Kenntnisse sind dazu erforderlich, die sich nicht gerade
häufig vereinigt finden. Desto erfreulicher ist es, wenn
solche Aufgaben von berufener Hand unternommen
werden. Eine solche ist zweifellos die des Verfassers,
daher sein Plan auf's Lebhafteste zu begrüfsen, die
bedeutenderen Klöster Bayerns (von denen bis-
her noch keines in diesem Sinne einen Forscher ge-
funden hat) mehr monographisch (wenn auch
zunächst in Zeitschriften) zu behandeln, die unbe-
deutenderen oder archivalisch nicht mehr fafsbaren
in kleinen Artikeln zu erledigen.
In jeder dieser beiden Arten liegen bereits die
ersten Veröffentlichungen vor, die in dem XLV1II. Bande
des »Oberbayerischen Archivs», aber auch in Sonder-
abdrücken erschienen sind.
Zu den kleineren Studien zählen die „Bau- und
Kunstdenkmäler des Klosters Steingaden",
welches, im Jahre 1147 gegründet und den Prämonstra-
tensern übergeben, aus sechs Jahrhunderten Denkmäler
umfafst. DenGlanzpunkt derselben bilden die romanischen
Bauwerke: Die Kirche mit ihren spitzbogigen Schiff-
arkaden, der etwas spätere Kreuzgang mit einer Brunnen-
kapelle, zu denen als plastische Erzeugnisse derselben
Zeit drei merkwürdige, abbildlich beigefügte, Rund-
figuren hinzukommen. Aus der gothischen Periode
ist Weniges übrig geblieben, dagegen das Chorgestühl
von 1 584 eine sehr beachtenswerte Leistung. — Die
beiden folgenden Jahrhunderte sind um so besser in
den beiden benachbarten Wallfahrtskirchen von Ilgen
und Wies vertreten, denen der Verfasser auf dem
Hin- bezw. Heimwege einen Besuch abstattete.
Um wie viel reichlicher fliefsen die Quellen für die
Kunstgeschichte von Wessobrunn, der die oben-
bezeichnete umfängliche Monographie gewidmet ist.
Sie entrollt von der Kunstpllege in Wessobrunn, die
ein ganzes Jahrtausend umfafst, an der Hand der mit
Bienenfieifs zusammengetragenen Urkunden und überaus
sorgfältig geprüften Denkmäler ein ungemein anschau-
liches, interessantes Bild. Von diesen Denkmälern sind,
da die Bauwerke zerstört und die beiden alten be-
rühmten Wessobrunner Kodizes nicht hier entstanden
sind, als die ältesten die romanischen Bautheile und
Skulpturen zu betrachten, die mit wenigen Ausnahmen
in das bayerische Nationalmuseum gelangt sind und
den Hauptglanz seiner älteren monumentalen Abthei-
lung bilden. Der Verfasser widmet ihnen in stilistischer,
ikonographischer, liturgischer Beziehung eine sehr ein-
gehende instruktive Untersuchung, bei der die zahl-
reichen Abbildungen gute Dienste leisten. Die reiche
Ausbeute, welche die Urkunden, besonders in der
ersten Hälfte des XVI. Jahrh. für die Bauthätigkeit
liefern, ist auch in kulturgeschichtlicher Hinsicht sehr
werthvoll und die erschöpfende Behandlung der Wesso-
brunner Stukkatorenschule, die vom Ende des XVI.
bis zum Ausgange des XVIII. Jahrh. eine so um-
fassende Thätigkeit entfaltet hat, dafs sie als der
Mittelpunkt der Stukkalurkunst in Deutschland er-
scheint, ist eine sehr verdienstliche, diese weitver-
breitete Technik in neues, helles Licht setzende Arbeit.
— So wird der Verfasser in dem grofsen Zeitraum
allen Epochen und allen Leistungen gerecht und seine
methodisch mustergültigen, durchsichtigen und zuver-
lässigen Untersuchungen fügen in den Bau der deutschen
Kunstgeschichte manchen neuen Stein ein. Schnutgen.
Christliche Ikonographie. Ein Handbuch zum
Verständnifs der christlichen Kunst. Von Heinrich
Detzel. Erster Band: Die bildlichen Darstellungen
Gottes, der allerseügsten Jungfrau und Gottesmutter
Maria, der guten und bösen Geister und der gött-
lichen Geheimnisse. Anhang: Die Weltschöpfung.
— Die Sibyllen. — Die apokalyptischen Gestalten.
— Judas Iskariot. Mit 220 Abbildungen. Freiburg
1894, Herder'sche Verlagshandlung. (Preis: Mk. 7.—)
Kaum ein Zweig der christlichen Archäologie war
in den letzten Jahrzehnten so sehr auf deutschem
1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 3.
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der nur scheinbar höheren, in Wahrheit recht
tiefen Lebenssphäre der Hysterie und Halluci-
nation, der Hypnose, eines abergläubischen
Spiritismus oder des aufgelegten Aberwitzes
stecken bleibt.
Baldige Resipiscenz wäre auch hier zu
wünschen. Und ein strenges Regiment der
Aesthetik; denn die oben zitirten Zukunfts-
pläne enthalten mehr Tiraden und trunkene
Dithyramben, als ein klares, bestimmtes Zu-
kunftsprogramm. Einstweilen darf man aber
darüber sich freuen, dafs doch auf die Dauer
der ideale Sinn und das feinere Empfinden
durch die Naturwissenschaft und die natur-
wissenschaftliche Malerei nicht geknebelt und
verroht werden konnte. Im Neu-Idealismus
bricht wenigstens die Ahnung einer anderen
höheren Welt wieder durch und die Ahnung,
dafs im Vordringen in diese Welt Ziel und
Zweck und der höchste Triumph der Kunst
beschlossen sei. — (Schlufs folgt.)
Freiburg i. B. PaulKeppler.
Bücherschau.
DieBauthätigkeit und Kunstpflege im Kloster
Wessobrunn und die Wessobrunner Stuk-
katoren. Von Dr. Georg Hager, kgl. Konser-
vator am bayerischen Nationalmuseum. Mit 16 Ab-
bildungen im Text und 9 Tafeln. München 1894,
Druck von C. Wolf & Sohn.
Bei dem grofsen Einflufs, den manche Klöster vom
frühen Mittelalter bis in die neuere Zeit auf die ver-
schiedensten Kunstzweige ausgeübt haben, sei es als
Besteller, sei es als Produzenten, ist die aus den Quellen
geschöpfte und so viel als möglich an den noch vor-
handenen Objekten erläuterte Darstellung dieser Kunst-
pflege eine sehr lohnende Aufgabe, deren Lösung der
ganzen Kunstgeschichte zu Gute kommt. Mancherlei
Kenntnisse sind dazu erforderlich, die sich nicht gerade
häufig vereinigt finden. Desto erfreulicher ist es, wenn
solche Aufgaben von berufener Hand unternommen
werden. Eine solche ist zweifellos die des Verfassers,
daher sein Plan auf's Lebhafteste zu begrüfsen, die
bedeutenderen Klöster Bayerns (von denen bis-
her noch keines in diesem Sinne einen Forscher ge-
funden hat) mehr monographisch (wenn auch
zunächst in Zeitschriften) zu behandeln, die unbe-
deutenderen oder archivalisch nicht mehr fafsbaren
in kleinen Artikeln zu erledigen.
In jeder dieser beiden Arten liegen bereits die
ersten Veröffentlichungen vor, die in dem XLV1II. Bande
des »Oberbayerischen Archivs», aber auch in Sonder-
abdrücken erschienen sind.
Zu den kleineren Studien zählen die „Bau- und
Kunstdenkmäler des Klosters Steingaden",
welches, im Jahre 1147 gegründet und den Prämonstra-
tensern übergeben, aus sechs Jahrhunderten Denkmäler
umfafst. DenGlanzpunkt derselben bilden die romanischen
Bauwerke: Die Kirche mit ihren spitzbogigen Schiff-
arkaden, der etwas spätere Kreuzgang mit einer Brunnen-
kapelle, zu denen als plastische Erzeugnisse derselben
Zeit drei merkwürdige, abbildlich beigefügte, Rund-
figuren hinzukommen. Aus der gothischen Periode
ist Weniges übrig geblieben, dagegen das Chorgestühl
von 1 584 eine sehr beachtenswerte Leistung. — Die
beiden folgenden Jahrhunderte sind um so besser in
den beiden benachbarten Wallfahrtskirchen von Ilgen
und Wies vertreten, denen der Verfasser auf dem
Hin- bezw. Heimwege einen Besuch abstattete.
Um wie viel reichlicher fliefsen die Quellen für die
Kunstgeschichte von Wessobrunn, der die oben-
bezeichnete umfängliche Monographie gewidmet ist.
Sie entrollt von der Kunstpllege in Wessobrunn, die
ein ganzes Jahrtausend umfafst, an der Hand der mit
Bienenfieifs zusammengetragenen Urkunden und überaus
sorgfältig geprüften Denkmäler ein ungemein anschau-
liches, interessantes Bild. Von diesen Denkmälern sind,
da die Bauwerke zerstört und die beiden alten be-
rühmten Wessobrunner Kodizes nicht hier entstanden
sind, als die ältesten die romanischen Bautheile und
Skulpturen zu betrachten, die mit wenigen Ausnahmen
in das bayerische Nationalmuseum gelangt sind und
den Hauptglanz seiner älteren monumentalen Abthei-
lung bilden. Der Verfasser widmet ihnen in stilistischer,
ikonographischer, liturgischer Beziehung eine sehr ein-
gehende instruktive Untersuchung, bei der die zahl-
reichen Abbildungen gute Dienste leisten. Die reiche
Ausbeute, welche die Urkunden, besonders in der
ersten Hälfte des XVI. Jahrh. für die Bauthätigkeit
liefern, ist auch in kulturgeschichtlicher Hinsicht sehr
werthvoll und die erschöpfende Behandlung der Wesso-
brunner Stukkatorenschule, die vom Ende des XVI.
bis zum Ausgange des XVIII. Jahrh. eine so um-
fassende Thätigkeit entfaltet hat, dafs sie als der
Mittelpunkt der Stukkalurkunst in Deutschland er-
scheint, ist eine sehr verdienstliche, diese weitver-
breitete Technik in neues, helles Licht setzende Arbeit.
— So wird der Verfasser in dem grofsen Zeitraum
allen Epochen und allen Leistungen gerecht und seine
methodisch mustergültigen, durchsichtigen und zuver-
lässigen Untersuchungen fügen in den Bau der deutschen
Kunstgeschichte manchen neuen Stein ein. Schnutgen.
Christliche Ikonographie. Ein Handbuch zum
Verständnifs der christlichen Kunst. Von Heinrich
Detzel. Erster Band: Die bildlichen Darstellungen
Gottes, der allerseügsten Jungfrau und Gottesmutter
Maria, der guten und bösen Geister und der gött-
lichen Geheimnisse. Anhang: Die Weltschöpfung.
— Die Sibyllen. — Die apokalyptischen Gestalten.
— Judas Iskariot. Mit 220 Abbildungen. Freiburg
1894, Herder'sche Verlagshandlung. (Preis: Mk. 7.—)
Kaum ein Zweig der christlichen Archäologie war
in den letzten Jahrzehnten so sehr auf deutschem