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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Bücherschau
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31

181)5

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

32

Bücherschau.

Zur Kenntnifs und Würdigung der mittel-
alterlichen Altäre Deutschlands. Begonnen
von E. F. A. Mitnzcnberger, Stadtpfarrer, fort-
gesetzt von Steph. Beissel S. J. IX. Lieferung,
mit 10 photographischen Abbildungen. Frankfurt a. M.
18!):"), A. Foesser Nachf. (Preis Mk. G.—.)
Wahrend des Erscheinens des vorstehend bezeich-
neten Werkes ist mehrmals in dieser Zeitschrift auf
dessen hohe Bedeutung in künstlerischer und kunst-
historischer Beziehung hingewiesen worden. Wie reich-
haltig der von Mtinzenberger vollendete, in 8 Liefe-
rungen 180 Beschreibungen von Allären und SU Bild-
tafeln befassende erste Band auch ist, so stellte er
doch am Schlüsse desselben noch sehr viel Weiteres
in Aussicht. Diese Zusage unterzeichnete Mtinzenberger
am 12. Oktober 1890; am 22. Dezember 1890 starb er
im besten Mannesalter, gewifs zum Theil in Folge
seiner ganz ungewöhnlichen Anstrengung für sein künst-
lerisches Unternehmen in Verbindung mit opferwilligster
Hingebung an seinen seelsorglichen Beruf. Als ein
besonderer Glücksfall ist es zu betrachten, dafs zu der
mit gar manchen Schwierigkeiten verbundenen Fort-
führung des von Münzenberger Begonnenen sich gerade
der rechte Mann in der Person des mit demselben nahe
befreundet gewesenen, als Kunstkenner und -Schrift-
steller längst rühmlich bekannten Herrn Beissel ge-
funden hat. Das vorliegende Heft, das neunte der
ganzen Sammlung, legt hierfür Zeugnifs ab, der ge-
druckte Text sowohl, als die beigegebenen Bilder-
tafeln. Wie der Prospekt sagt, sind letztere, um sie
praktisch verwerthbarer zu machen, nach möglichst
grofsem Maafsstab aufgenommen; alle Einzelheiten treten
klar und scharf hervor. Das Heft handelt ausschliefslich
über flämische Altäre der spätgothischen Periode. Zu-
meist aus grofsen Werkstätten in Brüssel und Ant-
werpen hervorgegangen, fanden sie weithin Aufnahme,
namentlich auch im nördlichen Deutschland, wo solche
jetzt noch gar manche Kirche schmücken. Ein be-
sonderer Abschnitt handelt von den in unserer Rhein-
provinz, besonders dem niederrheinischen Theile der-
selben und in der Diözese Trier befindlichen. Eine
grofse Zahl von Altären wird uns vorgeführt, alles be-
treffs derselben Bemerkenswerthe dargelegt. So die
Art ihrer Anfertigung — durchweg mittels Arbeits-
teilung zwischen den Verfertigern des Architekto-
nischen und des Bildwerks, dem Dekorations- und dem
Flügelmaler — die verschiedenen Gruppirungssysteme
je nach der Widmung, dem Grundcharakter der Altäre
— Passions-, Marien-, Heiligenalläre — die Methode
der Polychromirung u. s. w. Auf's Sorgsamste findet
sich bezügliches Historische und Lilterarische, über-
haupt Alles herangezogen, was geeignet ist, Licht auf
die Materie zu werfen, auch anderwärts nach Art der
Hämischen Altäre Geschaffenes. Näheres Eingehen auf
Einzelnes würde hier zu weit führen. Zum Schlufs sei
indefs noch ein Ausspruch Münzenberger's in der Ein-
leitung zum ersten Bande von hervorragender prak-
tischer Bedeutung, besonderer Beachtung empfohlen.
Derselbe geht dahin, dafs „der mittelalterliche Flügelaltnr
als das unübertroffene, nicht blofs für gothische

Kirchen vorzugsweise sich eignende Vorbild anzu-
sehen" sei. Nur übereifriger Purismus kann daran
Anstofs nehmen. Haben doch auch die grofsen Meister
des Mittelalters, deren Autorität im Punkte des Kunst-
gefühls die unserer Puristen doch wohl überwiegt, un-
bedenklich nicht blofs Flügelaltäre, sondern auch Chor-
stühle, Kanzeln, Taufsteine und Sakramentshäuschen
gothischen Stils in romanischen Kirchen aufgestellt. Dem
Einwand zu grofser Kostspieligkeit begegnet Münzen-
berger durch die Bemerkung, dafs sein Werk nicht
blofs figurenreiche, sondern auch schlichte, einfache
Altäre in Rede stehender Art darbiete. Die Kosten
der Figurengruppen würden sich überdies in dem Maafse
herabmindern, in welchen) Bestellungen bei stilkundigen
Bildhauern denselben gestatteten, nach mittelalterlicher
Weise, Schüler heranzubilden. Im Uebrigen sollte doch
auch die Rücksicht auf Wohlfeilheit am Wenigsten be-
treffs der Ausstattung des Altars als in's Gewicht fallend
erachtet werden. Möge die auf das Prachtwerk verwen-
dete mühevolle Arbeit, der Absicht seines edeln Begrün-
ders gemäfs, sich dadurch lohnen, dafs die deutsche
mittelalterliche Bildhauerei, eine echte Volkskunst neu-
belebt wieder weithin reiche und schöne Bliithen treibe.

Köln. A. R ei c h ens p erger.

[Der I. Band des Münzenberger'schen Altarwerks
hatte in den Kreisen der Archäologen und Künstler
so viel Beachtung gefunden und so viel Nutzen ge-
stiftet, dafs nach dem Tode des Begründers auf die
Forlsetzung nicht verzichtet werden durfte, so schwer
es auch hielt, dafür die geeignete Kraft zu gewinnen.
Endlich hat sie sich in dem auch um unsere Zeitschrift
hochverdienten P. Beissel gefunden, der mit dem ge-
sammlenRüstzeug kunstgeschichtlicher, archäologischer,
technischer Kenntnisse ausgestattet aus Liebe zur Sache
unverdrossen die Mühsale der Reisen auf sich nimmt,
ohne welche nun einmal ein solches Werk nicht zu
Stande gebracht werden kann. Von der Hingebung der
Arbeit wie von dem Ernste der Forschung legt bereits
die I. Lieferung glänzendes Zeugnifs ab, die überall
den sorgsamen Beobachter und den systematischen
Bearbeiter zeigt. Staunenswert!) sind daher auch die
vielen neuen Resultate, zu denen der Verfasser in Be-
zug auf die bis dahin mit noch so vielen Mythen um-
wobenen flämischen Altaraufsätze gelangt ist. An der
Hand festgestellter Marken und zuverlässiger Analysen
hat er sie untersucht und von den einzelnen Fabri-
kationsstätten, namentlich Brüssel und Antwerpen, eine
so genaue Charakteristik gegeben, dafs mit ihrer Hülfe
die bezüglichen Arbeiten leicht bestimmt werden können.
Die zahlreichen in der Rheinprovinz vorhandenen Hä-
mischen Altäre, von denen, so versteckt auch manche
derselben waren, dem Verfasser keiner entgangen zu
sein scheint, werden besonders eingehend beschrieben,
und viele ikonographische Bemerkungen wie gelegent-
liche Notizen über die Schicksale einzelner Altäre sind
höchst dankenswerthe Beigaben. In Bezug auf den S. 2 1
erwähnten Paffendorfer Altar mögen sie durch die An-
gabe vervollständigt werden, dafs er aus der Münster-
kirche zu Essen stammt, wo die beiden oberen Flügel-
bildchen desselben zurückgeblieben sind.] D. II.
 
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