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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 1.
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muthet werden mufs. Die mittlere, auf die
Heilige am Kreuz sich beziehende lautet:
(las Kreuz zu glauben, und siehe da, all sein Unter-
nehmen hatte Glück, und er ward wieder reich. Nun
aber ereignete es sich, dafs er seinen alten Glaubens-
genossen, den Juden in Corduba, ein Gastmahl gab
und einer von den Eingeladenen das Christusbild ent-
deckte. Der rief die anderen zusammen nnd sagte:
,,Seet, vnse wert holdet den Christen louen, wenthe he
dath krülze anbedet, williken hefft sick god vp vns
vorlörnet vmme desser sake willen, dath yd vns so
Ijii" ftett_bat ernte in befler fttjnrat tu
nmllanbe tut bar is ijrot to fohent uu~t bar
Kreuzes und setzten dasselbe Kreuz, mit dem der Jude
über das Meer gekommen war, in die neue Kirche;
und nun fuhr das heilige Kreuz fort, Wunder über
Wunder zu thun.
Nach dieser Geschichte folgte nun im Passionale
die von dem Spielmann. Der war ein alter Mann, nach
dessen Spiel Niemand in Lucca mehr fragte, denn die
jungen Leute sangen uud spielten besser als er, und
so gerieth er in Armuth. Da ging er in die Kirche
vnluckliken geyt." Da hielten die Juden einen Ralh,
griffen den Abtrünnigen, banden ihn auf das angebetete
Kreuz, befestigten einen grofsen Stein daran und warfen
ihn in's Meer. Aber der Heiland nahm sich seiner an,
„wente dat kriltz kerde sick vmme, so dath he baven
quam", und so schwamm er über das Wasser, ,,belh
he quam by de Stadt Luca genömet, de in wallandt
belegen is: vnde do d.it kriltze sick der sladt nalede,
hoeff sick dat ouer ende vp mit den yöden, vnde
sttindt so". Das sahen die Fischer, die auf dem Meere
waren, mit Staunen, sie kamen herzu, fragten ihn, und
als sie gehört hatten, wie alles geschehen war, da
nahmen sie ihn und das wunderlhätige Kreuz mit sich
in die Stadt Lucca, liefsen den Juden taufen, gaben
ihm viel Gutes und thaten ihm grofse Ehre an. Dann
bauten sie eine schöne Kirche zu Ehren des heiligen
setzte sich vor das heilige Kreuzesbild, begann seine
Geige zu spielen, sang und weinte und klagte Gott
seine Noth. Da warf ihm das Bild einen seiner gol-
denen Schuhe hin. Den nahm der Spielmann und
ging frohen und dankerfüllten Herzens aus der Kirche.
Aber nun fafste ihn der Wächter, griff ihn als einen
Rauber und schleppte ihn vor den Richter. Der aber
schenkte seinen Unschuldsbetlieuerungen ebenso wenig
Glauben wie der Wächter und verurlheilte ihn zum
Tode. Und als er sterben sollte, sprach der Henker:
„Broder, bereyde dy ynde entfange dat swerth vor
dyne vndaet". Da fiel der alte Spielmann auf sein
Angesicht und betete mit grofser Andacht und In-
brunst, Gott möchte ihm helfen durch die Macht und
Kraft des heiligen Kreuzes. Und nun ereignete es
sich, dafs der Henker, als er das Richlschwert (im
1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 1.
10
muthet werden mufs. Die mittlere, auf die
Heilige am Kreuz sich beziehende lautet:
(las Kreuz zu glauben, und siehe da, all sein Unter-
nehmen hatte Glück, und er ward wieder reich. Nun
aber ereignete es sich, dafs er seinen alten Glaubens-
genossen, den Juden in Corduba, ein Gastmahl gab
und einer von den Eingeladenen das Christusbild ent-
deckte. Der rief die anderen zusammen nnd sagte:
,,Seet, vnse wert holdet den Christen louen, wenthe he
dath krülze anbedet, williken hefft sick god vp vns
vorlörnet vmme desser sake willen, dath yd vns so
Ijii" ftett_bat ernte in befler fttjnrat tu
nmllanbe tut bar is ijrot to fohent uu~t bar
Kreuzes und setzten dasselbe Kreuz, mit dem der Jude
über das Meer gekommen war, in die neue Kirche;
und nun fuhr das heilige Kreuz fort, Wunder über
Wunder zu thun.
Nach dieser Geschichte folgte nun im Passionale
die von dem Spielmann. Der war ein alter Mann, nach
dessen Spiel Niemand in Lucca mehr fragte, denn die
jungen Leute sangen uud spielten besser als er, und
so gerieth er in Armuth. Da ging er in die Kirche
vnluckliken geyt." Da hielten die Juden einen Ralh,
griffen den Abtrünnigen, banden ihn auf das angebetete
Kreuz, befestigten einen grofsen Stein daran und warfen
ihn in's Meer. Aber der Heiland nahm sich seiner an,
„wente dat kriltz kerde sick vmme, so dath he baven
quam", und so schwamm er über das Wasser, ,,belh
he quam by de Stadt Luca genömet, de in wallandt
belegen is: vnde do d.it kriltze sick der sladt nalede,
hoeff sick dat ouer ende vp mit den yöden, vnde
sttindt so". Das sahen die Fischer, die auf dem Meere
waren, mit Staunen, sie kamen herzu, fragten ihn, und
als sie gehört hatten, wie alles geschehen war, da
nahmen sie ihn und das wunderlhätige Kreuz mit sich
in die Stadt Lucca, liefsen den Juden taufen, gaben
ihm viel Gutes und thaten ihm grofse Ehre an. Dann
bauten sie eine schöne Kirche zu Ehren des heiligen
setzte sich vor das heilige Kreuzesbild, begann seine
Geige zu spielen, sang und weinte und klagte Gott
seine Noth. Da warf ihm das Bild einen seiner gol-
denen Schuhe hin. Den nahm der Spielmann und
ging frohen und dankerfüllten Herzens aus der Kirche.
Aber nun fafste ihn der Wächter, griff ihn als einen
Rauber und schleppte ihn vor den Richter. Der aber
schenkte seinen Unschuldsbetlieuerungen ebenso wenig
Glauben wie der Wächter und verurlheilte ihn zum
Tode. Und als er sterben sollte, sprach der Henker:
„Broder, bereyde dy ynde entfange dat swerth vor
dyne vndaet". Da fiel der alte Spielmann auf sein
Angesicht und betete mit grofser Andacht und In-
brunst, Gott möchte ihm helfen durch die Macht und
Kraft des heiligen Kreuzes. Und nun ereignete es
sich, dafs der Henker, als er das Richlschwert (im