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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Becker, Ludwig: Die neue Mariä-Empfängniskirche zu Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0051

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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

68

Bei Durchführung dieses Gedankens mufste
die Vorderfront der Kirche sehr nahe an die
Baufluchtlinie heranrücken; da nun aber die
Breite der Strafse vor der Kirche nur 27 m
beträgt, war es erforderlich, bei Ausbildung der
Fassade besondere Rücksicht auf die nicht allzu
breite Strafse vor der Kirche zu nehmen.

Geschlossene Thurmfronten mit viereckigen,
in der Front stehenden Thürmen mufsten an
dieser Stelle ausgeschlossen bleiben, denn selbst
die reichste Ausbildung der Fassade würde es
nicht vermögen, die schwere und massive Wir-
kung einer gradlinig geschlossenen Vorderfront zu
beseitigen. Aus r

dem gleichen
Grunde waren
grofse Archi-
tekturmotive in
der Vorderfront
zu vermeiden.
Die in einem der

mitprämiirten
Entwürfe vorge-
sehene Mosaik-
darstellung der
Mutter Gottes in
übermächtiger
Grofse im west-
lichen Giebel-
felde würde hier
meines Erach-
tens, so schön
siekonzipirtwar,
nicht zu entspre-
chender Wirkung gelangen können, weil geeignete
Standpunkte zur Betrachtung unter passendem
Sehwinkel vor der Westfront thatsächlich nicht
zu gewinnen sind. Es ist ja wohl möglich, in der
Tonhallenstrafse das Bild zu betrachten, jedoch
ist der Winkel, unter welchem dasselbe betrachtet
werden kann, so schräg, dafs ein Glitzern des
Mosaiks stattfinden und somit die Wirkung des
Bildes bedeutend beeinträchtigt würde.

Der weitere Umstand, dafs die Zugänge zum
Kirchplatz in schräger Linie zu der Achse der
Kirche liegen, liefs es wünschenswerth erscheinen,
in die Strafsenachsen die Hauptzugänge zu legen,
und demgemäfs die Thürme als Eingangshallen
auszubilden.

Das Bestreben, dieEingangsportale möglichst
senkrecht zur hinführenden Wegerichtung zu
legen, führte mich zur sechseckigen Thurmform.

Abb. 1. Situation.

Mein inzwischen gestorbener Kollege Wiet-
hase, dessen Entwurf durch seine eigenartige
Grundrifsdisposition und Fülle reizender Details
eine interessante Lösung geboten hatte, und
in Folge dessen auch den zweiten Preis erhielt,
hat in Bezug auf die Gestaltung der Westfront
meine vorhin entwickelten Empfindungen sicht-
lich getheilt, denn sein Entwurf zeigt zwei in
den Achsen der Strafsen stehende, diagonal ge-
stellte Thürme, welche als Eingangshallen dienen,
wodurch das Eingangsportal den zuführenden
Wegen besser angepafst war, als es bei den
grad' gestellten Thürmen der Fall gewesen wäre.

Dieverhältnifs-
mäfsig gering zu
nennende Breite
der Strafse an der
Westfront der
Kirche verlangt,
wie vorhin schon
erwähnt, eine
lebhafte Model-
lirung der Bau-
massen der
Hauptfront; die
Sechsecksform
der Thürme
dürfte wohl auch
dieser Forde-
rung in denk-
bar bester Weise
entsprechen und
hat noch den
Vortheil im Ge-
folge, dafs der Westgiebel der Kirche 5 m
hinter die Vorderfront der Thürme rückt, wo-
durch sich der Sehwinkel für die Betrachtung
des Hochschiffgiebels wesentlich verbessert.

Mag nun meinem F2ntwurfe auch vorgehalten
werden, dafs er wesentlich durch die Anlage
der beiden Sechseckthürme, eine etwas moderne
Form angenommen habe, und dafs Beispiele
dieser Thurmform im Mittelalter nicht zu finden
seien (mir sind wenigstens keine reicher aus-
gebildeten Sechseckthürme bekannt), so gebe
ich dies gerne zu, möchte jedoch nicht die
durch die Sechsecksform erreichten Vortheile
aufgeben, zu Gunsten einer anderen Grundrifs-
form, welche zwar der mittelalterlichen Vorbilder
nicht entbehrt, jedoch andererseits nicht die
vielen Vorzüge für die Gestaltung der Kirchen-
front an dieser Stelle in sich vereinigt.


 
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