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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Keppler, Paul Wilhelm von: Gedanken über die moderne Malerei, [3]: Neue Folge
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0084

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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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liegt ein Prachtband in Querfolio: Aus dem
Leben Unserer Lieben Frau. Siebzehn
Kunstblätter nach den Originalkartons der Maler-
schule zu Beuron zu den Wandgemälden der
Klosterkirche zu Emaus-Prag. Mit 17 Sonetten
von P. Fritz Esser S. J. (Verfasser der „Manen-
minne") und einem Vorwort. München-Glad-
bach, Kühlen 1895. Ein stilvoller Originalein-
band birgt die Bildtafeln, Meisterwerke feinster
Phototypie; zu jedem Bilde gibt ein eigenes
Blatt mit Texten aus der hl. Schrift und mit
einem stimmungsvollen Sonett den biblischen
und poetischen Kommentar. Die frisch und
anregend geschriebene Einleitung orientirt über
Wesen und Ziele der Beuroner Malerei und
zählt als deren Charaktermerkmale auf die Feier-
lichkeit und Ruhe, die Abgemessenheit und
Strenge, den Sieg des Geistes über das Fleisch,
die erbauliche Tendenz und Wirkung; sie de-
finirt dieselbe mit Fug und Recht als eine durch
und durch priesterliche und monumentale Kunst.
Das Verständnifs für dieselbe beginnt lang-
sam sich zu klären. Dafs die bisherigen land-
läufigen Urtheile nicht richtig und nicht ab-
schliefsend sein können, ist doch schon daraus
zu ersehen, dafs sie zwischen zwei Vorwürfen
hin und her schwanken, welche unmöglich
beide zutreffen können. Man beschuldigt sie
des Eklektizismus, der überallher Elemente ent-
lehne und man beschuldigt sie gleichzeitig einer
rigorosen Starrheit und einer gegen fremde
Einflüsse hermetisch sich abschliefsenden Selbst-
genügsamkeit. Das eine schliefst doch wohl
das andere aus. Es wird die Zeit kommen,
wo man einsichtsvoller und gerechter über sie
urtheilt. Alsdann wird man vor Allem aner-
kennen, dafs dieselbe eines in vollem Maafsc
hat, was der modernen Malerei so sehr abgeht,
eine umfassende Kenntnifs der Entwickelungs-
geschichte der Kunst und ihrer klassischen
Epochen. Und man wird es ihr hoch anrechnen,
dafs sie mit ihrem souverän beherrschenden
Blick und mit ihrer sicheren Hand aus ver-
gangenen Kunstwelten gerade jene Elemente,
Gesetze, Formen herauszulösen verstand, welche
von universaler Giltigkeit und bleibendem Werth
sind und besonders geeignet, mit christlichem
Geist erfüllt zu werden und christlichen Zwecken
zu dienen. Und dafs sie diese Elemente zu
einer geschlossenen Einheit zu verbinden ver-
stand und einem Eklektizismus im schlimmen
Sinn eben nicht anheimfiel, das wird als Be-

weis ihrer ureigenen schöpferischen Kraft An-
erkennung finden. Die Befürchtung, welche
man vielfach hegte und äufserte, dafs ihre
Formensprache dem heutigen christlichen Volk
unverständlich sein und bleiben möchte, ist
nach reichlichem Ausweis der Erfahrung völlig
grundlos. Diese Malerei wird sofort der Lieb-
ling des Volkes, wo sie ihm nahetritt. Mit
grofser Leichtigkeit und mit Freude lebt und
betet das Volk sich in ihre Bilder ein. Ihre
Weltsprache ist ihm durchaus verständlich; mit
ihren elementaren und monumentalen Urformen,
in welchen doch ein so hehres religiöses Leben,
ein so unergründlich tiefer Geist und ein so
warmes Herz pulsirt, macht sie viel nach-
haltigeren Eindruck auf das Volksgemüth, als
die moderne Kunst, welche oft soviel Worte
braucht, soviel Umstände macht, so grofsen
Apparat in Bewegung setzt, um im Grunde so
wenig zu sagen. Ganz verständnifslos stehen
ihr nur jene gegenüber, welche auch auf künst-
lerischem Gebiet absolut kein Gesetz gelten
lassen wollen, als das Gesetz eines darwi-
nistischen Evolutionismus, kraft dessen eben je
die letzte Entwickelungsphase nothwendig auch
die beste sein mufs. Sie reden der unbedingten
Freiheit der Kunst das Wort, aber eben nur
der Freiheit, die sie meinen; in Grunde sind
sie so intolerant und freiheitsfeindlich als mög-
lich; nur ihre Richtung, nur ihr Stil soll gelten,
jeder andere hat kein Existenzrecht; ihre schein-
bare Weitherzigkeit ist Herzverschrumpfung und
kleinlicher Pedantismus.

Wer Freiheit für sich will, soll sie auch
andern einräumen und auch denen nicht ver-
weigern, welche ein anderes Ideal christlicher
Kunst im Herzen tragen und in ernstem, de-
müthigem Schaffen und Streben zu realisiren
suchen. Man sollte meinen, auch wer ein so
verwöhntes und scheeles Auge hat, dafs er mit
dieser Formenwelt sich absolut nicht befreunden
kann, müfste zum mindesten die geistige Schön-
heit, den idealen Gehalt und die seelische
Tiefe dieser Malereien achten und werthen.
Wer sich an diesen Formen nicht erfreuen
kann, erfreue sich an dem Geist, den sie bergen,
an den Blitzen, die aus ihnen sprühen, gehe
den Lichtspuren höherer Inspirationen nach,
welche auf obigen siebzehn Bildern allenthalben
zu finden sind. Wie hoch weifs hier der von
Meditation und Contemplation getragene künst-
lerische Geist und Takt die Darstellung der
 
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