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1895.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST —. Nr. 4.
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dadurch ein besonderes Interesse, dafs sie vielfach
Zeugnifs dafür geben, wie Dürer gerade die italienischen
Stecher im Anfange des XVI. Jahrh. beeinflufst hat.
Wir wollen hierfür auf zwei Blätter hinweisen: »Me-
leager und Atalante« Nr. 6 und .David mit dem
Haupte Goliaths« Nr. 1.
David ist eine frei und fein aufgefafste, wohl ab-
gerundete, elegante Komposition von sehr gefälligem
Gesammteindrucke. Ebenso ist Meleager ein präch-
tiger Holzschnitt, namentlich gemahnt die Atalante
an die besten Muster der italienischen Kunst. Die
Schulverwandtschaft mit Mantegna ist hier noch immer
kenntlich, aber daneben haben auf den Meister I. B.
andere italienische Kunstrichtungen erheblich einge-
wirkt. Auch Dürer hat bei diesen Blättern Pathe
gestanden, wie der Duktus des Schnittes und Reminis-
zenzen an die Hintergründe, die Dürer seinen Holz-
schnitten zu geben pflegte, bezeugen. Die Nach-
bildungen sind in der Gröfse der Originale, die in
verschiedenen Sammlungen, in Berlin, Paris, Wien und
London zu finden sind, von musterhafter Schönheit,
gedruckt in der Reichsdruckerei zu Berlin.
In der Einleitung zu der Gabe für das Jahr 1895
bemerkt Lippmann, dafs der astrologische Glaube an
den unmittelbaren Einflufs der Gestirne auf das Leben
und die Schicksale des Menschen im XV. Jahrh. einen
Höhepunkt erreicht habe, im XVI. Jahrh. habe er,
nur wenig geschwächt, fortbestanden und im XVII.
die Gemüther beherrscht.
Der bildenden Kunst boten die astronomischen
und astrologischen Vorstellungen fruchtbaren Stoff in
den Darstellungen des Thierkreises, der Sternbilder
und der Personifikation der Planetengottheiten.
Auf den komplizirten Pfaden der astrologischen
Schlufsfolgerung hatte sich ein System herausgebildet,
das jedem Planeten eine Menge Eigenschaften beilegte,
die in der Hauptsache auf dem mehr oder minder
mifsverstandenen Charakter der antiken Gottheiten
fufsen. Die Planeten üben zwar ihren Einflufs auch
auf gewisse Metalle, vor Allem aber auf die Menschen,
die in der Zeit seiner durch die verschiedenen Kon-
stellationen bedingten Wirksamkeit geboren sind.
Der Theil der astrologischen Lehren, die sich auf
die Kinder der Planeten beziehen, hat im XV. Jahrh.
eine bildliche Fassung gefunden, die wir als Planeten-
bilder kennen.
Ein bestimmter Typus dieser Planetenbilder tauchte
etwa um die Mitte des XV. Jahrh. auf. Zuerst wahr-
scheinlich in Florenz entstanden, macht er eine merk-
würdige Wanderung von Italien nach den Nieder-
landen, nach Deutschland und erhielt sich bis in's
XVI. Jahrh. Di esen Darstellungskreis, seine
Wanderungen und Wandlungen darzulegen,
ist der Zweck der Lippm ann'sch en Ab-
handlung.
Das Titelblatt bringt als Vignette die Ordnung
des Weltsystems nach einem Holzschnitt aus der
bekannten, im Jahre 1498 in Nürnberg gedruckten
Schedel'schen Chronik.
In sieben Folgen bringt die Abhandlung die
Haupttypen und zwar in der ersten die früher dein
Baccio Haldini zugeschriebenen florentinischen Kupfer-
stiche auf sieben Blättern, in Heliographien nach den
Originalen des Britischen Museums. Die Darstellungen
folgen der Rangordnung, in der die sieben Planeten
unter sich stehen. Danach nimmt Saturnus die oberste
Stelle ein, ihm folgt Jupiter, dann Mars, die Sonne,
die damals noch zu den Planeten gerechnet wurde,
Venus, Mercur und Lima.
Auf dem Bilde des Saturnus, der nach dem auf
dein Unlerrande gedruckten italienischen Texte melan-
cholisch ist und den Ackerbau liebt, sind als seine
Kinder dargestellt Bettler, Krüppel, Gefangene, Acker-
bau treibende Einsiedler; zwei Männer im Vorder-
grunde sind mit Schweineschlachten beschäftigt, im
Hintergrunde sieht man eine Truppe Drescher und
am Galgen einen Erhängten. Das Planetenbild des
Jupiter, der fröhlich, beredsam und freigebig ist, zeigt
einen jugendlichen Fürsten oder Richter auf dem
Thronsessel; in einem kleinen Renaissancegebäude
sitzen um einen Tisch die drei Repräsentanten der
Gelehrsamkeit und der Dichtkunst, mit Lorbeer-
kränzen; vermöge ihrer Porträt-Aehnlichkeit erkennt
man die drei Hauptdichter Italiens Dante, Petrarca
und Boccaccio.
Das dritte Bild, das des Mars, zeigt, entsprechend
dem Charakter des Kriegsgoltes, wilde Kämpfe und
Plünderungsszenen.
Auf dem vierten Bilde, dem des Sol, sehen wir
einen jugendlichen Fürsten auf dem Throne, umgeben
von vier Kavallieren; Jünglinge ergehen sich in Spielen
und Leibesübungen, im Hintergrunde sieht man Arm-
brustschützen und links auf einer Anhöhe drei Pilger
vor einem Madonnenbild kniend.
Die fünfte Tafel, der Planet Venus, zeigt Jüng-
linge und Jungfrauen in festlicher Fröhlichkeit bei
Liebe und Tanz, eine Dame setzt einem Jünglinge
einen Kranz auf das Haupt, vom Balkon eines ele-
ganten Gebäudes, das die klassische Inschrift trägt:
Omnia vincit amov, streuen Jungfrauen Blumen auf
die Vorübergehenden , im Hintergrunde sieht man
einen Kavallier aui der Falkenjagd; hinter ihm auf
dem Pferde sitzt eine elegante Dame.
Auf dem sechsten Bilde, dem des Planeten Mer-
curius, der beredsam, erfinderisch und den Wissen-
schaften zugethan ist, erblicken wir verschiedene
Gruppen in der Ausübung von Kunst und Wissen-
schaft, Gelehrte sitzen in reichen Büchereien, ein Uhr-
macher bei einer grofsen Uhr, ein Goldschmied unter
prächtigen Gefäfsen und Kunstwerken verschiedener Art.
Auf der Tafel 7, der der Luna, welche das Wasser
und die Geometrie liebt, sieht man Fischer an einem
breiten Gewässer; auf einer Brücke steht eine grobe
Sonnenuhr. In der Ferne sind Vogelsteller und Bogen-
schützen beschäftigt.
In der Sammlung Malaspina in Pavia sind drei
Kopien der sieben Blätter gefunden worden, in denen
sich die wesentlichsten Motive der Kompositionen
wiederholen, aber Alles etwas vereinfacht. Die zweite
Series der sieben Planetenbilder bringt sieben Blätter,
Kupferstiche, ebenfalls italienischen Ursprungs und
wahrscheinlich auch in Florenz entstanden.
Ein im Britischen Museum befindlicher astrono-
mischer Kalender aus dem Jahre 1465, der in nahem
Zusammenhange mit den sieben Planetenbildern der
zweiten Series steht, läfst das F.ntstehungsdatum dieser
1895.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST —. Nr. 4.
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dadurch ein besonderes Interesse, dafs sie vielfach
Zeugnifs dafür geben, wie Dürer gerade die italienischen
Stecher im Anfange des XVI. Jahrh. beeinflufst hat.
Wir wollen hierfür auf zwei Blätter hinweisen: »Me-
leager und Atalante« Nr. 6 und .David mit dem
Haupte Goliaths« Nr. 1.
David ist eine frei und fein aufgefafste, wohl ab-
gerundete, elegante Komposition von sehr gefälligem
Gesammteindrucke. Ebenso ist Meleager ein präch-
tiger Holzschnitt, namentlich gemahnt die Atalante
an die besten Muster der italienischen Kunst. Die
Schulverwandtschaft mit Mantegna ist hier noch immer
kenntlich, aber daneben haben auf den Meister I. B.
andere italienische Kunstrichtungen erheblich einge-
wirkt. Auch Dürer hat bei diesen Blättern Pathe
gestanden, wie der Duktus des Schnittes und Reminis-
zenzen an die Hintergründe, die Dürer seinen Holz-
schnitten zu geben pflegte, bezeugen. Die Nach-
bildungen sind in der Gröfse der Originale, die in
verschiedenen Sammlungen, in Berlin, Paris, Wien und
London zu finden sind, von musterhafter Schönheit,
gedruckt in der Reichsdruckerei zu Berlin.
In der Einleitung zu der Gabe für das Jahr 1895
bemerkt Lippmann, dafs der astrologische Glaube an
den unmittelbaren Einflufs der Gestirne auf das Leben
und die Schicksale des Menschen im XV. Jahrh. einen
Höhepunkt erreicht habe, im XVI. Jahrh. habe er,
nur wenig geschwächt, fortbestanden und im XVII.
die Gemüther beherrscht.
Der bildenden Kunst boten die astronomischen
und astrologischen Vorstellungen fruchtbaren Stoff in
den Darstellungen des Thierkreises, der Sternbilder
und der Personifikation der Planetengottheiten.
Auf den komplizirten Pfaden der astrologischen
Schlufsfolgerung hatte sich ein System herausgebildet,
das jedem Planeten eine Menge Eigenschaften beilegte,
die in der Hauptsache auf dem mehr oder minder
mifsverstandenen Charakter der antiken Gottheiten
fufsen. Die Planeten üben zwar ihren Einflufs auch
auf gewisse Metalle, vor Allem aber auf die Menschen,
die in der Zeit seiner durch die verschiedenen Kon-
stellationen bedingten Wirksamkeit geboren sind.
Der Theil der astrologischen Lehren, die sich auf
die Kinder der Planeten beziehen, hat im XV. Jahrh.
eine bildliche Fassung gefunden, die wir als Planeten-
bilder kennen.
Ein bestimmter Typus dieser Planetenbilder tauchte
etwa um die Mitte des XV. Jahrh. auf. Zuerst wahr-
scheinlich in Florenz entstanden, macht er eine merk-
würdige Wanderung von Italien nach den Nieder-
landen, nach Deutschland und erhielt sich bis in's
XVI. Jahrh. Di esen Darstellungskreis, seine
Wanderungen und Wandlungen darzulegen,
ist der Zweck der Lippm ann'sch en Ab-
handlung.
Das Titelblatt bringt als Vignette die Ordnung
des Weltsystems nach einem Holzschnitt aus der
bekannten, im Jahre 1498 in Nürnberg gedruckten
Schedel'schen Chronik.
In sieben Folgen bringt die Abhandlung die
Haupttypen und zwar in der ersten die früher dein
Baccio Haldini zugeschriebenen florentinischen Kupfer-
stiche auf sieben Blättern, in Heliographien nach den
Originalen des Britischen Museums. Die Darstellungen
folgen der Rangordnung, in der die sieben Planeten
unter sich stehen. Danach nimmt Saturnus die oberste
Stelle ein, ihm folgt Jupiter, dann Mars, die Sonne,
die damals noch zu den Planeten gerechnet wurde,
Venus, Mercur und Lima.
Auf dem Bilde des Saturnus, der nach dem auf
dein Unlerrande gedruckten italienischen Texte melan-
cholisch ist und den Ackerbau liebt, sind als seine
Kinder dargestellt Bettler, Krüppel, Gefangene, Acker-
bau treibende Einsiedler; zwei Männer im Vorder-
grunde sind mit Schweineschlachten beschäftigt, im
Hintergrunde sieht man eine Truppe Drescher und
am Galgen einen Erhängten. Das Planetenbild des
Jupiter, der fröhlich, beredsam und freigebig ist, zeigt
einen jugendlichen Fürsten oder Richter auf dem
Thronsessel; in einem kleinen Renaissancegebäude
sitzen um einen Tisch die drei Repräsentanten der
Gelehrsamkeit und der Dichtkunst, mit Lorbeer-
kränzen; vermöge ihrer Porträt-Aehnlichkeit erkennt
man die drei Hauptdichter Italiens Dante, Petrarca
und Boccaccio.
Das dritte Bild, das des Mars, zeigt, entsprechend
dem Charakter des Kriegsgoltes, wilde Kämpfe und
Plünderungsszenen.
Auf dem vierten Bilde, dem des Sol, sehen wir
einen jugendlichen Fürsten auf dem Throne, umgeben
von vier Kavallieren; Jünglinge ergehen sich in Spielen
und Leibesübungen, im Hintergrunde sieht man Arm-
brustschützen und links auf einer Anhöhe drei Pilger
vor einem Madonnenbild kniend.
Die fünfte Tafel, der Planet Venus, zeigt Jüng-
linge und Jungfrauen in festlicher Fröhlichkeit bei
Liebe und Tanz, eine Dame setzt einem Jünglinge
einen Kranz auf das Haupt, vom Balkon eines ele-
ganten Gebäudes, das die klassische Inschrift trägt:
Omnia vincit amov, streuen Jungfrauen Blumen auf
die Vorübergehenden , im Hintergrunde sieht man
einen Kavallier aui der Falkenjagd; hinter ihm auf
dem Pferde sitzt eine elegante Dame.
Auf dem sechsten Bilde, dem des Planeten Mer-
curius, der beredsam, erfinderisch und den Wissen-
schaften zugethan ist, erblicken wir verschiedene
Gruppen in der Ausübung von Kunst und Wissen-
schaft, Gelehrte sitzen in reichen Büchereien, ein Uhr-
macher bei einer grofsen Uhr, ein Goldschmied unter
prächtigen Gefäfsen und Kunstwerken verschiedener Art.
Auf der Tafel 7, der der Luna, welche das Wasser
und die Geometrie liebt, sieht man Fischer an einem
breiten Gewässer; auf einer Brücke steht eine grobe
Sonnenuhr. In der Ferne sind Vogelsteller und Bogen-
schützen beschäftigt.
In der Sammlung Malaspina in Pavia sind drei
Kopien der sieben Blätter gefunden worden, in denen
sich die wesentlichsten Motive der Kompositionen
wiederholen, aber Alles etwas vereinfacht. Die zweite
Series der sieben Planetenbilder bringt sieben Blätter,
Kupferstiche, ebenfalls italienischen Ursprungs und
wahrscheinlich auch in Florenz entstanden.
Ein im Britischen Museum befindlicher astrono-
mischer Kalender aus dem Jahre 1465, der in nahem
Zusammenhange mit den sieben Planetenbildern der
zweiten Series steht, läfst das F.ntstehungsdatum dieser