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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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Firmenich-Richartz, Eduard: Wilhelm von Herle und Hermann Wynrich von Wesel, [3]: Eine Studie zur Geschichte der altkölnischen Malerschule (mit Tafel VII)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4345#0155

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Abhandlungen.

Wilhelm von Herle und Hermann
Wynrich von Wesel.1)

Eine Studie zur Geschichte der altkölnischen
Malerschule.

III.

Mit Lichtdruck
(Tafel VII).

'reffliche Meister
hatten im XIV.
Jahrb.. in Köln

Wand- und
Miniaturmalerei
geübt und den
alten Ruhm die-
ser Kunstcen-
trale weithin
^^^^^^^^^^^^^^^^^^ verbreitet. Auch

das Tafelgemälde war hier allmählich zu gröfserer
Bedeutung und Selbstständigkeit gelangt; die
höheren Anforderungen an Naturwahrheit und
intime Bildwirkung, welche gerade diese neue
Kunstgattung an den Maler stellten, hatten die
wesentlichsten Verdienste an den Fortschritten
in Komposition und Durchführung. Doch der
Charakter des Flächenhaften war zunächst auch
in diesen Gemälden noch nicht befriedigend
überwunden, Modellirung und Farbengebung
standen unverhältnifsmäfsig vor der fein de-
taillirten Umrisszeichnung zurück.

Den überraschenden Aufschwung, welchen
die kölnische Kunst dann gegen Schlufs des
Jahrhunderts nahm und als dessen erstes grofs-
artiges Monument wir den Ciarenaltar bezeich-

[Vorstehende Initiale T ist dem Missale des Dom-
dekan Conrad von Rennenberg in der Kölner Dom.
bibliothek entnommen.]

1) Nach der Drucklegung der Artikel I und II
dieser Studie erschien die geistvolle Abhandlung Henry
Thode's „Die altkölnische Malerschule in ihrer ge-
schichtlichen Entwicklung" (»Aula« 1895 Nr. 7—9),
welche in allen wesentlichen Grundzilgen mit den
Resultaten meiner Untersuchung im Einklang steht.
Dagegen hat C. Aldenhoven neuerdings wiederum
den Versuch gemacht, „Meister Wilhelm" mit dem
Urheber des neuen malerischen Stils in Köln zu identi-
fiziren. Vergl. »Offizieller Bericht über die Verhand-
lungen des kunsthistorischen Congresses« 1894 S. 9 ff.

neten, haben wir aus dem künstlerischen Wir-
ken eines genialen Neuerers zu erklären ver-
sucht, der die überkommenen bildungsfähigen
Formen mit individuellem Leben erfüllte und
der Malerei durch neue Ausdrucksmittel unge-
ahnte Sphären erschlofs. Von eigenartigem
Schönheitsideale beseelt, durchbrach er den
Kreis der hergebrachten typischen Bildungen,
er löste die Körper aus dem Zwang des
Schemas, gruppirte die Figuren zu freier Be-
wegung und führte dieselben in eine verklärte
Welt paradiesischen Friedens ein.

Unschuld, fromme Hingebung und sanftes
Dulden bilden den geistigen Inhalt seiner Kunst.
Einfache Szenen, in welchen holdseliger Kinder-
sinn und minnigliche Anmuth zum Ausdruck
kommen, gelingen daher besser, wie bewegte
Vorgänge. Erschütternde Tragik oder die
Charakteristik der Leidenschaft und niederer
Bosheit blieben dem Meister versagt, er ver-
fällt in das Fratzenhafte und Banale, wo er
deren Schilderung anstrebt.

In der Frische und Ursprünglichkeit aller
Empfindungen, der sonnigen Heiterkeit unge-
trübten Seelenglücks beruht der nie alternde
Zauber dieser Schöpfungen. Natur- und Welt-
freude möchten gern die ganze Welt der Er-
scheinungen in die Darstellung hineinziehen,
die Handlung mit unzähligen kleinen Neben-
zügen ausstatten, wie sie sich einer empfäng-
lichen, jugendlich-lauteren Phantasie überall auf-
drängen. Der Maler versucht sich sogar ge-
legentlich schon in der Durchbildung einer
Landschaft und schreckt selbst vor der Ver-
gegenwärtigung komplizirter Begebenheiten nicht
zurück. Seine Unkenntnifs der Anatomie, die
vollständige Abwesenheit der Luft- oder Linear-
perspektive verschulden daher manchen groben
Zeichenfehler und verunglückte Verkürzung, zu-
mal da Formen und Bewegungen mehr aus dem
Gedächtnifs geschöpft als direkt der Wirklich-
keit abgelauscht sind. Doch der keusche Lieb-
reiz der Figuren, der zarte Schmelz der male-
rischen Behandlung, die intensive Leuchtkraft
der Farben vermögen uns auch über solche
Mängel leicht hinwegzutäuschen.


 
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