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Zeitschrift für christliche Kunst — 8.1895

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315

1895.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

316

Forschung gemacht und die grofse Verwirrung, die
heutzutage auf dem Kunstgebiete herrscht, hat vor-
nehmlich ihre Ursache in der Willkür, mit welcher
der Schünheitsbegriff behandelt wird, also die Grund-
lage des richtigen Kunstschaffens. -Beurtheilens und
-Geniefsens. Deswegen schickt der Verfasser dem
ganzen Werke als allgemeine Einleitung eine ästhe-
tische Vorschule voraus, welche (auf 72 Seiten)
die Lehrsätze aus der philosophischen, wie aus der
ideell-praktischen Aesthetik in klarer gemeinverständ-
licher Weise erörtert. Eine specielle ästhetische Ein-
leitung geht dann noch jedem der drei Bände voraus'
von denen der I. die Geschichte der Baukunst'
der II. die der Plastik, der III. die der Malerei
behandelt, jeden dieser drei Kunstzweige von seinen
ersten Anfängen in seiner Entwickelung verfolgend
bis in unsere Tage. Bis zur altchristlichen Baukunst
ist der I. Band bereits gediehen, bis zur Blüthezeit
der griechischen Plastik der II. Band, bis zurSchwclle
der griechischen Malerei der III. Band und jeder Ab-
schnitt schliefst mit einer Angabe der bezüglichen
Litteratur. Vortrefflich ausgeführte, auch farbige Tafeln
und zahlreiche Textbilder, eine nur durch grofse Opfer
ermöglichte umfängliche Bereicherung des Bilder-
schatzes, liefern in ungewöhnlicher Fülle das Er-
läuterungsmaterial und der anschaulich belehrende
Text, der sein Herauswachsen aus der Lehrthätigkeit
überall erkennen läfst, liefert dazu einen vortrefflichen
Kommentar. — Das längst empfundene Bedürfnifs nach
einer auf gesunder und breiter Grundlage aufge-
bauten, wissenschaftlich zuverlässigen und doch volks-
tümlich gehaltenen Kunstgeschichte ist daher auf
dem besten Wege, befriedigt zu werden, denn die
25 Lieferungen ä 2 Mk., aus denen sie sich zusammen-
setzen soll, werden hoffentlich vor dem Ende des
Jahrhunderts in die Erscheinung getreten sein. D.

Geschichte der christlichen Kunst. Von
Franz Xaver Kraus. Erster Band. Die
hellenistisch-römische Kunst der alten Christen. Die
byzantinische Kunst. Anfänge der Kunst bei den
Völkern des Nordens. Erste Abtheilung. Mit
Titelbild in Farbendruck und 258 Abbildungen im
Text. Freiburg, Herder, 1895, Lex. b0. VIII und
320 S. Preis 8 Mk.
Dieses Buch bedeutet eine litterarische Grofsthat,
auf welche das katholische Deutschland stolz sein
darf, durch welche die lieblichste aller Wissenschaften
nicht nur auf der Vollhöhe ihres gegenwärtigen Standes
gezeigt, sondern um einen Riesenschritt weitergefördert
wird. Seitdem die Kunstgeschichte auf wissenschaft-
lichem Boden ganz festen Fufs gefafst und ihrer Me-
thode, Ziele, Hilfsmittel klar bewufst im Slurmlauf
eingeholt hat, was bisher versäumt worden, sind wir
mit beinahe zahllosen Leitfäden, Grundrissen, Hand-
büchern überschwemmt worden, so dafs Zweifel auf-
steigen könnten, ob nach und neben all diesen noch
etwas wesentlich Neues und Anderes möglich sei.
Aber der Verfasser kann mit vollstem Recht sein
Buch etwas von den bisherigen Leistungen völlig Ver-
schiedenes nennen. Dies Recht gibt nicht nur die He-
schränkung der Darstellung lediglich auf die religiöse

Kunst der christlichen Völker, sondern vor allem die
Betonung des In halt es der Kunst Vorstellungen
während bisher fast ausschliefslich die Kunstform en
berücksichtigt wurden. In der That liegt in einem
gewissen äusserlichen Formalismus, in der Vernach-
lässigung des Was? über dem Wie?, der Idee über
der F'orm ein Mangel der bisherigen Kunstforschung,
und dieser Mangel ist gegenüber der christlich-reli-
giösen Kunst zwar leicht begreiflich, aber doppelt
verhängnifsvoll. Verhängnifsvoll, weil in dieser Kunst
noch viel weniger als in der profanen die Sprache
von der Sache, die Gestalt vom Gehalt ablösbar ist;
begreiflich, denn die Mehrzahl der heutigen Vertreter
der Kunstgeschichte steht der Theologie, der Litteratur,
der Liturgie, dem Leben der Kirche fremd, wenn
nicht feind gegenüber. Der Verfasser, Theologe,
Historiker und Kunstforscher in einer Person, war
wie kein Anderer berufen und befähigt, diesen Mangel
zu heben und die künstlerische, die Religions- und
kulturgeschichtliche Betrachtung mit sicherm Aug und
feinfühliger Hand ineinanderzuweben. Die fast un-
übersehbare, stets anwachsende Fülle von Detail engt
ihm den grofsen, weiten Blick nicht ein und beein-
trächtigt nicht die Uebersichtlichkeit seiner Darstellung,
weil konsequent das Prinzip durchgeführt wird, aus
dem ungeheuren Reichthum nur das Charakteristische
auszuheben, nichtmafsgebendes Kleinwerk auszu-
scheiden, in erster Linie den vielumstrittenen Haupt-
fragen Raum zu geben, von welchen die richtige
Auffassung abhängt, die grofsen Phasen der Ent-
wickelung auf's genaueste zu verfolgen und aufzu-
zeigen. Die Form der Darstellung hat von der Wissen-
schaft die Klarheit und Schärfe, von der Kunst die
Schönheit und Anmuth; sie ist vornehm wie die Sache,
der sie dient, selbst ein Kunstwerk; sie erinnert an
das Wort Vauvenargues: il faut avoir de Tarne, pour
avoir du gout, — sie zeigt jenen feinen Geschmack,
welchen Verstand und Wissen allein nicht gibt, welcher
das Aroma eines mit ganzer Liebe in die heilige
Kunst eingelebten Geniüthes ist. Vornehm ist endlich
auch die typographische Ausstattung und die lllustri-
rung des Buches.

Das erste Buch, die reichhaltige Einleitung
(S. 1—29), bietet nach Festlegung der Begriffe der
Kunst und Kunstgeschichte nebst einem Ueberblick
über die Ausbildung dieser Wissenschaft von den
ersten Anfängen bis zur Gegenwart eine ganz originelle
Einlheilung der Kunstgeschichte in sechs Zeiträume,
welche ebensoviele Hauptphasen im Entwicklungs-
gang der christlichen Kunst bedeuten. Hier könnte
nur bezweifelt werden, ob nicht doch in der Ab-
scheidung und Charakterisirung dieser Epochen die
Architektur etwas zu wenig Berücksichtigung gefunden
habe, so sicher es auch verfehlt ist, die Phasen der
letzteren ohne weiteres der ganzen Kunstentwickelung
aufzunöthigen. Das zweite Buch führt in's Dunkel
der Katakomben; das Grab des Erlösers ist die Wiege
des Christenthums, die Gräber der ersten Christen,
besonders der Blutzeugen, werden die Wiege der
christlichen Kunst; in Roms Boden wird, wie der
Eckstein der Kirche, so der Grundstein des Domes
christlicher Kunst eingesenkt. Hauptinhalt: Ge-
schichte der Katakombenforschung, Bauart, Kon-
 
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