Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
172

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 12

Der gewundene Schaft des Fußes findet sich auch bei den aus dem Anfang
des )(VI. Jahrh. stammenden Kanzeln in Kirchberg, Kreis Simmern, und Trar-
bach, Kreis Zell, deren Brüstungen mit Blendmaßwerk bedeckt sind. Ein ein-
faches Beispiel dieser Gruppe ist noch die Kanzel in Gönnersdorf, Kreis Ahr-
weiler. Ihre Brüstung zeigt wiederum Ecksäulchen mit Fialen und dazwischen
gespannte Bogen mit Kreuzblumen, doch sind sowohl die Nischen als auch die
übrigen Teile des Feldes ohne Relief- oder Maßwerkschmuck, waren also nur
auf Bemalung berechnet97.

Der echt gotische, schlank aufwachsende Bau der Kanzeln von St. Goar und
Moselweiß wird noch überboten von der Kanzel zu Ruppertsberg in der Pfalz98.
Der mit Rundstäben besetzte, ohne betontes Zwischenglied zum Korpus über-
führende Fuß mit sehr hoher Basis mißt 2,18 m, die Brüstung 1,05 m (in St. Goar
sind die Maße 2,03 m und 1,03 m). Um die vier Brüstungsfelder führt unten ein
Streifen mit Blendmaßwerk, auf dem die Reliefs von Christus, Maria, Sebastian
und Thomas aufsetzen. Statuetten auf Säulchen und unter Baldachinen zieren
die Ecken. Bei der ähnlichen Kanzel in Herrnsheim bei Worms99 aus dem Jahre
1489 sind nur zwei Felder mit den Reliefs von Maria und Petrus geschmückt.
Auffallend sind an beiden Kanzeln die Darstellungen: Christus, Maria und Heilige
treten an die Stelle der sonst üblichen Evangelisten und Kirchenväter100.

Den reichsten Bestand an gotischen Steinkanzeln hat Süddeutschland
und Österreich aufzuweisen. Nicht nur zahlenmäßig stehen diese Gebiete
an der Spitze, hier finden sich auch die hervorragendsten Stücke inbezug auf deko-
rative und plastische Ausschmückung. Man kann die gesamten Kanzeln dieser
Gebiete ungefähr in zwei große Gruppen teilen, je nachdem sie nur mit Maßwerk
verziert sind, oder auch plastischen Schmuck zeigen. Doch gibt es zwischen
diesen Gruppen keine scharfen Grenzen, und auch innerhalb derselben sind die
Variationen beträchtlich.

Eine Reihe schöner, reiner Maßwerkkanzeln findet sich in Baden und
Württemberg101. Die Mehrzahl ist in Aufbau und Dekoration verwandt,

die verschiedenen Elemente der rheinischen Kanzeltypen, die Zweigeschossigkeit, die Strebe-
pfeiler an den Ecken und die Nischenghederung mit Kreuzblumen. Ganz abweichend ist hier
die Bildung des Fußes. In der dekorativen Einzelbildung sind beide Kanzeln bedeutend reicher
als die rheinischen.

97 Die Nischengliederung mit Fialen und Kreuzblumen findet sich als Ausnahme auch
bei einer süddeutschen Kanzel in der Frauenkirche zu Ammerthal. (Abb.: Kunstdenkmäler
von Bayern: Oberpfalz: Bezirksamt Amberg, S. 20.) Die ganze Behandlung wirkt gegenüber
den rheinischen Stücken trocken, zumal da das Kleeblattbogengesims am unteren Abschluß der
Brüstung und der aus gekuppelten Säulchen gebildete Fuß nicht recht zu der Brüstung passen.

98 Abb.: Die Baudenkmale in der Pfalz, V, S. 129.

99 Abb.: Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen, Kreis Worms, Fig. 30.

100 In der Schloßkirche zu Meisenheim sind in einer Fensternische der Südseite vier von
der alten gotischen Kanzel erhaltene Brüstungsplatten eingemauert, die in reicher Architektur-
umrahmung die Reliefs der vier Kirchenväter enthalten.

101 Vor allem Württemberg, das in der Barockzeit, in der zahlreiche Kanzeln aus
den Kirchen entfernt wurden, nur geringe Bautätigkeit aufzuweisen hatte, ist noch sehr reich
an gotischen Kanzeln. Außer den behandelten seien noch genannt die meist einfachen und in
kleinen Dorfkirchen befindlichen Kanzeln von Effnngen, Ofterdingen, Kusterdingen, Gemmrig-
heim, Magstadt, Hausen, Ochsenberg, Ditzingen, Eltingen, Lienzingen, Möhringen, Lend-
siedel und Gingen.
 
Annotationen