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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0022

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Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs
zu Ravenna und die germanische Kunst.

Von Albrecht Haupt-Hannover.

Neuerdings beschäftigt das Grabmal Theoderichs zu Ravenna wieder lebhaft die
Architekturhistoriker. Ganz zuletzt hat Joseph Dürrn sich der Frage eingehend an-
genommen und einen vortrefflichen Aufsatz darüber geschrieben, dessen wichtigsten Teil
die eingehende und genaue Schilderung des Monumentes und seiner Einzelheiten, wie
seines gegenwärtigen Zustandes, sodann aber auch die Übersicht über den heutigen
Stand der Forschung hinsichtlich seiner einstigen äußeren Gestalt bildet. Wir sehen
da nebeneinander die Auffassung von Männern, wie dAgincourt, Isabelle, Mothes und
Dürrns eigene, verbunden mit einer in' vieler Hinsicht höchst wertvollen Richtigstellung
mannigfacher früherer Irrtümer über die wirkliche Gestalt des Bauwerkes im ganzen
und im einzelnen.1

Zu allerletzt schlägt denn Dürrn noch vor, die Frage nach der ursprünglichen
Gestalt des Grabmals dahin zu beantworten, daß man annehme, sie entspreche ziemlich
genau der jetzigen, und die scheinbar bedeutungsvollen Spuren einst vorhandener Bau-
teile und Zufügungeu seien nur die späterer und für uns wertloser Umgestaltungen.
Ganz einfach habe sich das Zehneck glatt bis ganz unter das obere runde Gesimsband
erstreckt, und damit sei allem Kopfzerbrechen ein Ende zu machen. Die Gestalt der
einstigen Brustwehr des Umganges im Obergeschosse werde dann eine ganz unwichtige,
da es sich nur noch um eine einfache Steinbalustrade gehandelt haben könne, deren
Einzelheiten uns ziemlich gleichgültig sein dürften.

Was nun noch die künstlerische Herkunft und Gestaltung des Ganzen anbetreffe,
so weise diese unverkennbar auf Syrien hin, wozu Dürrn einige Profile vom Denkmal
syrischen aus Vogues Werk gegenüberstellt, auch die allgemeine Gestalt der gewisser
syrischer Werke ähnlich findet.

Und damit würde denn die gesamte Frage in einer überraschend einfachen und
wirklich bestechenden Weise beantwortet und für alle Zeiten gelöst sein. Es wäre auch
die oft geäußerte Anschauung, daß hier ein original-germanischer Kunstgedanke, wie die
erste monumentale Leistung des Germanentums überhaupt vorliege, für immer beseitigt.

Wenn man sich in der Tat ohne weitere Einschränkung unbedingt dankbar
aussprechen muß über diese neueste musterhafte und im höchsten Maße eingehende und
interessante Darstellung des Monumentes selber, wie über die gesamte Behandlung der
künstlerischen Auffassung, so ist doch die vorgeschlagene Lösung, so sehr sie zunächst
für sich einnimmt, bei näherer Würdigung der Lösung des gordischen Knotens mit
dem Schwerte allzu ähnlich, nicht minder auch die peremptorische Verweisung des
künstlerischen Ursprunges des Werkes nach Syrien, als daß sie als wirkliche Ent-
wirrung des Knotens dauernd befriedigen kann. Bei genauer Prüfung erweist sie
sich als auf nicht hinreichend sicheren Fundamenten aufgebaut und einer Art vor-
gefaßter Absicht entsprungen, und so schließlich als nicht haltbarer, denn alle Versuche,

i Zeitsclir. f. bild. Kunst 1906, S. 245—59.
 
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