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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0027

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Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst. 15

Wenn die Sangallosche Zeichnung uns das Ganze aber noch intakt zeigt, so muß
der Zerstörungsprozeß, wie logisch, erst in den letzten 400 Jahren fühlbar geworden
sein. So hervorspringende und technisch schwach befestigte Teile, wie jene Bögen mit
den tragenden Konsolen, waren der Verwitterung am stärksten ausgesetzt, und so sind
sie denn in den allerletzten Jahrhunderten langsam zugrunde gegangen und herabgestürzt.

Das sieht man sehr leicht, vor allem daran, daß die Spuren versuchter Her-
stellung und Reparaturen an der Nordseite, wo sich die letzten zwei Kragsteine finden,
wo sich also wohl der Untergang am längsten hinanzog, heute noch deutlich zu er-
kennen sind. Man versuchte da offenbar die Reste des Frieses zu erhalten, und
deshalb schmierte man allerlei Lücken und Löcher
mit Mörtel aus, und deshalb ergänzte man dort auch
eine herabgestürzte Konsole durch eine neue. Das
ist ganz deutlich. Und diese jüngste Konsole ist aus
einem anderweitig bereits verwendet gewesenen Stein-
stück, aber von gelblicherer Farbe, hergestellt, heute
noch wie neu; jedoch nach unten verjüngt. Dies
war keine von den alten, ist auch die letzte noch
originale Konsole nicht. Diese aber, völlig verwittert,
gespalten und später mit Mörtel geflickt, zeigt uns,
in welchem Zustande die Zierarchitektur sich schon
vor längerer Zeit befand, und daß nicht viel mehr
an ihr zu halten war.

Damit noch nicht genug: neben diesen Krag-
steinen befinden sich mehrere eiserne starke Haken,
in gleicher Höhe mit ihnen oben abgleichend, tief
eingelassen, offenbar dazu bestimmt, über den Kon-
solen liegende kleine Steinbalken, denen jene nicht
mehr genügendes Auflager boten, oben zu halten. Das
Alter dieser Haken aber kann nicht allzu bedeutend
sein, da der Rost ihnen noch wenig angehabt hat.

Hieraus folgt bindend, daß über den Konsolen eine nicht weiter als diese
vorspringende Architektur lagerte, die herabfallen wollte; und daß diese letzte Repa-
ratur vor 1—200 Jahren stattfand. Ein Vergleichen der Zeichnung ist hier völlig
überzeugend.

Nun ist der Schluß drängend: Wenn vor gar nicht so langer Zeit noch Trümmer
jenes Bogenfrieses da oben vorhanden waren und geflickt oder gehalten werden konnten,
so sollte doch irgendein Überbleibsel davon irgendwo in Ravenna noch zu finden sein.
Und selbst wenn nicht — müßte ein so charakteristisches Muster nicht Veranlassung
gegeben haben zu ähnlichen Bildungen oder Nachahmungen —, von denen irgend etwas
noch dort vorhanden sein müßte?

Das Museum ist freilich gar jung. Da hat man erst seit 1—2 Menschenaltern
angefangen zu sammeln. Die Aussichten sind also dort nicht allzu günstig.

Trotzdem habe ich bei ganz gründlicher Durchsicht endlich doch, und gerade da,
ein Bruchstück gefunden, welches die bezeichnete Lücke vollkommen ausfüllt — nicht
nur, sondern das sogar ein letzter Rest der verloren gegangenen Architektur sein kann.

Abbildung 4. Giuliano da Sangallo. (?)
Federzeichnung:
Theoderich-Grabmal von Osten.
 
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