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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0031

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Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst. 19

Im Anschluß daran wird anzunehmen sein, daß der Unterraum für Theoderichs
Familie, wohl seine Tochter Amalaswintha und ihre Kinder, bestimmt war.

Es ist bekannt, daß die Leiche des «ketzerischen», weil arianischen Königs
gleich nach dem Untergange des Gotenreiches, also keine dreißig Jahre nach seinem
Tode, durch Beiisar aus ihrem Grabgewölbe entfernt und irgendwo verscharrt oder ver-
nichtet sein soll. Das Grabmal wurde in eine Kirche umgewandelt und ein Kloster
dabei erbaut; selbst ein viereckiger Turm lehnte sich dicht an seine Südostseite; dieser
diente später — das Meer war ja noch ganz nahe — als Leuchtturm. Darum hieß
das Gebäude «ad Pharum». Der Turm stand bis ins 15. Jahrhundert.

Unter solchen Umständen wird eine Treppe zum oberen Kirchenraum auch
später nicht notwendig gewesen sein, da man vom oberen Stockwerk des Klosters
direkt hinein gelangen konnte. Heute noch befindet sich im oberen Stocke des erz-
bischöflichen Palastes in Ravenna die bekannte schöne, mit Mosaiken geschmückte Ka-
pelle aus jener Zeit. Erst nach Abbruch des Klosters im 18. Jahrhundert wurde eine
wirkliche Treppe nötig, die denn als Doppeltreppe 1775 errichtet wurde, gemäß dem in-
zwischen um fast 2 m gewachsenen Boden in der bekannten verzwickten Gestalt. Damals
wurden denn auch die obersten Lagen der Quadern um den Umgang erneuert, dabei
das krönende Gesims ganz entfernt und so jede Spur der einstigen Einfassung ver-
wischt. Heute geht ein einfaches Eisengeländer ringsum.

Die Restauratoren haben bisher ohne Ausnahme angenommen, daß eine Stein-
brüstung diesen Umgang ringsum eingefaßt habe, obwohl sie ihn allerdings dann
sehr verengt, auch den oberen Kuppelbau in der Nähe stark verdeckt haben müßte.
Es ist dies jedoch auch aus anderen Gründen abzuweisen.
Die Zeichnung des Sangallo, die, wie es scheint, nach Abbruch des Turmes
und einer Art erster Freilegung des Monuments gemacht ist, zeigt nicht nur den oberen
Bogenfries, sondern auch das Gesims der unteren Stockwerke noch völlig wohl erhalten.
Nirgends eine Lücke.

Wenn oben einst ein Marmorgeländer gestanden hätte, so müßte Sangallo un-
bedingt noch Teile davon gesehen haben, wenn nicht das ganze. Denn die Verhält-
nisse waren unzweifelhaft seiner Erhaltung mindestens ebenso günstig .als bei dem der
Witterung sehr viel mehr ausgesetzten oberen Bogenfriese, der auf seinen Konsolen
schwebte. Trotzdem ist auf der Zeichnung keine Spur von dem Gitter vorhanden;
es ist glatt abrasiert. Offenbar aus irgendeinem Grunde auf einmal fortgenoramen.

Weshalb? Die Antwort ist unschwer zu geben. Es muß der Mühe wert gewesen
sein, es auf einmal wegzunehmen. — Daraus folgt, da mit einem in Stücken herab-
geworfenen zehnseitigen Steingeländer gar wenig anzufangen ist, einfach der Schluß:
das Gitter war nicht vou Stein, sondern ganz von Bronze; und es wurde seines Wertes
halber auf einmal, natürlich lange vor 1500, fortgenommen und anderswo verbraucht.
—■ Deshalb war damals schon keine Spur von ihm mehr zu sehen; auch nichts von
steinernen Eckpfosten, zwischen denen die Bronzefelder gestanden haben könnten.
(Letztere Anordnung verbot sich schon aus ästhetischen Gründen wegen der Wirkung
gegen die Luft.)

Aber wohin kamen diese Gitter? Und wie sahen sie aus? — Eine Auskunft
geben etwa ravennatische Marmorgitter der direkt folgenden Zeit. Die Altarschranken
in S. Vitale sind offenbar nichts anderes als Nachahmungen von Bronzegittern jener Zeit.
 
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